freundschaftliche Revierabkommen abfangen. Die Ablösung der
Anteile der „Generali“ am ehemaligen „Phönix“-Komplex in
Wien war ein Teil hievon.
Feldman gibt in seinen Darlegungen nirgends expressis ver¬
bis eine Begründung für diese Haltung der deutschen Versicherer
gegenüber diesen ausländischen Kollegen, die schließlich auch
ihre Konkurrenten waren. Aus den Gesamtzusammenhängen
sind sie jedoch für den „Versicherer“ leicht zu verstehen.
Die Aufrüstung und die Kriegswirtschaft muss den Umfang und
die Gefährlichkeit der übernommenen Risken enorm erhöht ha¬
ben. Feldman erwähnt einige Male Versuche Pools zu gründen,
aus denen aber nichts geworden sein dürfte. Die deutschen Ver¬
sicherer müssen Abdeckungsprobleme gehabt haben. — Wie weit
diese die „Städtische“ berührten, kann ich nirgends einsehen.
Interessanter muss es schon für die „Städtische“ gewesen sein,
dass die Schwede-Coburgs ein Monopol der — ich nehme an —
zivilen Feuerversicherung verlangten, was die Zeichnungs¬
kapazitäten der Industrieversicherer weiter geschädigt hätte.
Mancher Name, der mir nur schattenhaft in Erinnerung war, man¬
ches, was für meine späteren Kollegen selbst nicht zu verste¬
hen und zu durchschauen war, wurde mir durch die Lektüre des
Feldman-Buches klarer.
Wie Gerald D. Feldman berichtet, ging es Schwede-Coburg
um die „Städtische“, die Landesbrandschaden-Versicherungs¬
anstalten und die damals Ostmark A.G. benannte „„Bundesländer¬
Versicherung“, die ja Eigentum der Landesanstalten und der
Länder war. Herr Schwede-Coburg ließ keine Zeit verstreichen.
Bereits im Mai 1938 meldete er sich bei Gauleiter Josef Bürckel,
dem „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs
mit dem Deutschen Reich“, an, doch dürfte dieser Herr für den
Kollegen damals keine Zeit gehabt haben.
Aus den Erinnerungen Neumayers und Raschendorfers geht,
wie Peter Ulrich Lehner in seiner „Versicherungsgeschichte“
berichtet, hervor, dass Schwede-Coburg auch bereits bei Neu¬
mayer auf Besuch war, als dieser noch Finanzminister in der
Übergangsregierung Seyss-Inquart war. Es entsprach Neumayers
Stil, Schwede-Coburg unter Berufung auf seine mangelnde
Zuständigkeit abzuwehren. — Schwede-Coburg kam aber wie¬
der „und zwar mit einem groBen Stabe“ zu Neumayer, nach¬
dem dieser inzwischen Generaldirektor der „Städtischen“ ge¬
wordenen war.
Es ist wohl am besten, Neumayers Bericht darüber wörtlich
zu zitieren:
„Dieselben Herren erschienen nun bei mir als dem Leiter der
der Stadt Wien nahestehenden Versicherung und verlangten, mit
allem Nachdruck, unter Hinweis darauf, dass sich auch der
Bürgermeister der Stadt Wien einverstanden erklärt habe und
unter Androhung der sonst von mir zu erwartenden
Repressalien, die Eingliederung in den Verband der öffentlich¬
rechtlichen Versicherungsanstalten.“
Schwede-Coburg war vorher bei Bürgermeister Neubacher
gewesen, der von der Materie nichts verstand und dessen Äuße¬
rungen von Schwede-Coburg in seinem Sinne ausgelegt wur¬
den.
Neumayer begründet seine ablehnende Haltung folgender¬
maßen:
„In der Zwischenzeit hatte ich die Möglichkeit gehabt, in
Berlin ... in Erfahrung zu bringen, wie es um die öffentlich-recht¬
WIENER STÄDTISCHE
WECHSELSEITIGE VERSICHERUNGSANSTALT
Versicherter und nv BEER
Versicherungsnehmer BE in Wien,
— |
in Wien
i.Juni 1859, ?
Fe Ze
Die gefertigte Anstalt zahlt gemäß den angeschlossenen; Allgemeisien und Besonderen
Versicherungsbedingungen nach Ablauf vod 5, Jahren am den Versicherten selbst, bei
dessen trüherem Ableben aber än den Ubefbrifiger dieser Urkunde sı in Kapital von
5.10.000.- (Schilling Zehntausend).
Der -Monatsbeitrag: betjägt S MO.
Dieser Versicherungs-Sparbriet verlängert ich jeweils um eine weitere 5jährige
Periode, wenn das Kapital nach Ablauf einer Rerighe nicht behoben und die Zahlung
der Monatsheiträge förtgesetzt wird.
Dadurch erhöht Sich das Kapital
in der 2. Periode auf’S 21.500.--,
SR, 533.000. er
in der-§. Perjide auf, S 88.500.-~.
Die Auszahlung des Kapitals erfölgt in voller Höhe am Ende der betreffenden
in der 4. Periode auf S 50,000.—.,
» 568.000.—,
Sjährigen Periode oder sofort bei Ableben des Versicherten.
Die Verlängerung des Versicherungs-Sparbriefes ist bis zur Vollendung des 65, Lebens¬
jahres: gestattet.
Dieser Versicherungs-Sparbrief ist sowohl nach Maßgabe. der Beiträge als auch
kinsichtlich der angesparten Kapitalien gewinnberechtigt
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er Erklärungen begehren,
Ein Versicherungssparbrief aus dem Jahr 1959, unterfertigt vom
damaligen Generaldirektor Norbert Liebermann.
Foto: Archiv der Wiener Städtischen Versicherung
lichen Unternehmungen bestellt sei. Ich erfuhr, dass die auf ein
bestimmtes Territorium innerhalb Deutschlands zugelassenen
sogenannten Sozietäten fast gar keine Freiheit in der Geschäfts¬
führung hätten. Die Veranlagung ihres Vermögens mussten sie
immer im Einvernehmen mit der Parteileitung in München vor¬
nehmen, größere Risken durften sie nur mit Zustimmung der
Verbandsleitung in München übernehmen und die erforderli¬
chen Rückdeckungen können nicht durch den Abschluss von
Verträgen mit geeignet erscheinenden Rückversicherern, son¬
dern ausschließlich über die zu diesem Zwecke in Berlin ge¬
gründeten Aktiengesellschaft genommen werden.“ (Rudolf
Neumayer, Beamtenlaufbahn).
Nachdem die aus den Trümmern der Phönix-Versicherung zu¬
sammengeflickte „Österreichische Versicherungs-AG“ (Övag)
und die spätere Volksfürsorge bereits in den Besitz der „Deut¬
schen Arbeitsfront“, einer Unterorganisation der NSDAP, über¬
führt worden waren, wäre damit praktisch der ganze nicht-aus¬
ländische Besitz an Versicherungsgesellschaften unter das von
Neumayer geschilderte Regime gekommen, also von der SS und
ihre Unterorganisationen eingesackt worden.
Vom Zusammenbruch des „Phönix“ im Jahre 1936, der sich auf
das ganze österreichische Versicherungswesen katastrophal aus¬
gewirkt hatte, dessen Folgen in der Sparte Lebensversicherung
mindestens 50 Jahre lang zu spüren waren, war die „Städtische“
besonders betroffen. Die Anteile der nach dem Zusammenbruch
gegründeten Auffanggesellschaft, der Övag, mussten zu einem