zeugung, daß ein wahrer Katholik nur der polnischen Nation
angehören könne und daß die Religion der Deutschen Pro¬
testantismus sei ... Es sollte unsere Aufgabe sein, diese schlum¬
mernden deutschen Elemente zu finden, deren Namen in pol¬
nische geändert wurden. Jede Familie, von der bekannt wird,
daß sie Verwandte im Reich hat oder daß eines ihrer Mitglieder
Lutheraner gewesen ist, hat erforscht und, wenn möglich, für
Deutschland wiedergewonnen zu werden.“
Konsequenterweise wurde Zwangsgermanisierung im gro¬
Ben Stil betrieben. Am 9. Juni 1941 schrieb Dr. Kurt Lück in
der Zeitschrift „Das Generalgouvernement“: „Kinder der
Stadtbevölkerung von Lublin, die bis 1939 nur polnisch ge¬
sprochen hatten, haben die Sprache ihrer Väter im Laufe eines
einzigen Jahres gelernt.“ Klagen darüber, daß die „Heimkehrer“
ihre „Muttersprache“ erst lernen müssen, sind fast täglich in der
Königsberger Allgemeinen Zeitung, dem Ostdeutschen Be¬
obachter und der Bromberger Deutschen Rundschau zu finden.
Dennoch wird der Plan „der Bevölkerungsumsiedlung, den der
Führer im Hinblick auf die Verstärkung des national deutschen
Elements an den östlichen Schwellen durchgeführt hat“ (Rhei¬
nisch-Westfälische Zeitung vom 27.3.1941), nicht aufgegeben.
Die Frankfurter Zeitung vom 19. Juni eröffnet sogar neue Per¬
spektiven: „Nach dem Kriege wird es notwendig sein, Deutsche
in den neuen Ostprovinzen anzusiedeln, um diese Gebiete ge¬
gen fremde Siedler zu schützen (sic!), indessen im Westen und
Südwesten Siedlungen nötig sein werden, um die Absorption
ländlicher Bevölkerung durch die Industrie zu verhindern.“
Den Niederländern droht Verschleppung
Die Germanisierung Polens kann nicht durch rund 700.000
Menschen durchgeführt werden, die aus Grenzländern umge¬
siedelt worden sind. Ebenso wenig können die Nazis nach dem
Scheitern aller Germanisierungspläne des wilhelminischen
Deutschland damit rechnen, die Polen jemals zu Deutschen zu
machen. Und darum haben sie ihre Pläne weitergespannt.
Holländer und Vlaamen sollen ihre dichtbevölkerten Gebiete
verlassen und bis in die Ukraine vorgeschoben werden. Am 18.
August 1941 fand eine Besprechung hierüber in Gegenwart des
deutschen Landwirtschaftsministers Dr. Darr& in Haag statt. Der
Telegraaf vom 19. August bringt u.a. darüber den Satz: „Viele
holländische Bauern werden dann (nämlich nach Einverleibung
der Ukraine) aufbrechen, um den Boden der Ukraine zu be¬
stellen.“ Die Essener Nationalzeitung spricht in diesem Zusam¬
menhang auch von der Umsiedlung dänischer Bauernjugend.
Alle diese Pläne werden ventiliert, bzw. teilweise durchge¬
führt zu einem Zeitpunkt, in dem die deutsche Bauernschaft 16
[?] Milliarden Reichsmark Schulden hat, die mit einer
Zinsenlast von einer halben Milliarde jährlich belastet sind.
Die Verzweiflung der Entwurzelten
Wie nehmen die Neusiedler die deutschen Pläne auf? Die
Heimkehrer, die oft nichts als das Hemd am Leibe mitnehmen
durften (eine Folge der Juden-Expatriierungspraktiken der
Nazis), waren in Nazi-Schulungslagern so verzweifelt, daß sie
um jeden Preis hinauswollten. Im Litzmannstädter Hüttenlager
sagte ein baltischer Heimkehrer: „Gleichgültig, wie der Boden
ist, — wenn ich ihn nur schon unter dem Pflug hätte!“ Und sei¬
ne Frau fügte hinzu: „Und ich will wieder ein Haus haben, egal
wie gut oder schlecht es ist.“ (Münchner Neuste Nachrichten
vom 21. Mai 1941). Aus dem Hüttenlager bei Graz flüchteten
die Bessarabier und Bukowiner in solchen Scharen, daß die öster¬
reichische Bewachungsmannschaft abgelöst und durch eine
schärfere ersetzt werden mußte.
Aber auch jene, die bereits mit Boden versorgt wurden, sind
unzufrieden. Sie haben gestohlenes Gut bekommen: Land, Häu¬
ser, Meierhöfe, landwirtschaftliche Geräte. Sogar polnische Land¬
arbeiter sind ihnen zugeteilt worden, Bauern, deren Besitz enteig¬
net worden war. Es mag sein, daß in diesen Heimkehrern, die
nicht seit Jahren unter Nazidruck gelebt haben, noch ein Funke
Schamgefühl übriggeblieben ist. Ihre Beziehungen zu den unter¬
drückten Polen sind menschlich, manchmal sogar herzlich. Da¬
rum sollen diese „unzuverlässigen“ Heimkehrer jetzt ins Altreich
umgesiedelt werden; an ihre Stelle sollen Bauern aus dem Reich
kommen. Als dies bei den Balten um Kalisz verkündet wurde,
gab es große Erregung. Sie hatten an einer Umsiedlung genug!
Die Balten wollen heim aus dem Reich
Zu Demonstrationen aber kam es, als einen Monat nach Beginn
des russischen Feldzuges die Wehrbezirkskommanden im ein¬
verleibten Gebiet verfügten, daß sich alle Offiziere und Reserve¬
offiziersanwärter, die früher in der russischen, lettischen oder
estnischen Armee gedient hatten, sofort zur Registrierung und
zum Militärdienst zu melden hatten (Ostdeutscher Beobachter
vom 23. Juli).
Die Balten, die noch nicht einmal ihre Einbürgerungspapiere
erhalten hatten, verlangten sofort die Heimbeförderung nach den
ursprünglichen Heimat-Staaten. Eine schnelle Aktion war erfor¬
derlich, die Beamten arbeiteten Tag und Nacht, und Greiser selbst
verteilte Ende Juli an die Neusiedler ihre Naturalisationspapiere.
In Sroda hielt er dabei eine von den Zeitungen wiedergegebe¬
ne Ansprache, die in die seelische Verfassung der Balten tie¬
fen Einblick gewährt. Hier ist der Wortlaut, wie ihn das Ham¬
burger Fremdenblatt veröffentlichte. Nachdem Greiser fest¬
gestellt hatte, daß der russische Krieg eine tiefe Reaktion, be¬
sonders bei den Deutsch-Balten, hervorgerufen habe, fuhr er fort:
„Ungefähr zwei Jahre sind vergangen, seit der Ruf eures
Führers an euch ergangen ist, eure Mission in diesem Gebiet
des großdeutschen Vaterlands zu erfüllen ... Als Vertreter des
Führers in dieser Provinz erkläre ich, daß eine Rückkehr in eu¬
re früheren Heimstätten außer Frage steht. Es ist sehr ver¬
ständlich, daß es im nationalsozialistischen Staate viele wohl¬
begründete Meinungsverschiedenheiten gibt. Wenn jedoch die¬
se gegensätzlichen Ansichten einmal von der berufenen Behör¬
de behandelt worden sind, dann entspricht die Aktion der ge¬
troffenen Entscheidung, die als ein Befehl zu betrachten ist.
Infolgedessen erwarte ich von euch, daß jede Diskussion von
Jetzt an aufhört und daß jeder die Aufgabe erfüllen wird, die
ihm auferlegt wurde.“
Die sentimentalen Gefühle, die die Deutsch-Balten für das
Dritte Reich gehegt haben mögen, dürften ihnen nach dieser
Rede ein für allemal vergangen sein. Greiser hat ihnen deutlich
genug zu verstehen gegeben, daß sie zu leiden und zu schwei¬
gen haben. Ihre Aussichten, aus dem Reich jemals heimzukom¬
men, sind gleich Null. Obgleich Rosenberg und Lohse bereits
an dem Plan für die Einverleibung der baltischen Staaten in die
neue deutsche Provinz Ostland arbeiten, wird es für die Deutsch¬
Balten keine Heimkehr geben. Sie haben nur die Sicherheit, nach
dem Kriege den ihnen von den Nazis zugeteilten Boden wie¬
der zu verlieren. Geschenke Hitlers — die Geschichte hat es an
Rumänien, Ungarn, Bulgarien und der Slowakei gezeigt - sind
Danaergeschenke und müssen mit Blut bezahlt werden.