sie eine große Mannschaft machen! Und nun Ciao, ich muss
noch einen Fußball werfen!
Schließt sein Handy begeistert. Mit dem Lautsprecher geht
er entzückt seinem Kind entgegen, das in einer Ecke zusam¬
mengekauert sitzt: — Vlad, Kleiner, komm das Feld sehen, das
dein Vater für dich gebaut hat!
Das Kind steht langsam auf und nähert sich der Tür mit klei¬
nen Schritten. Es blickt dann vorsichtig nach unten.
Für einen Augenblick schauen sowohl Vater als auch Sohn
aufmerksam nach unten. Der Mann sagt ihm etwas, man hört
nicht was, küsst ihn auf die Stirn, dreht sich dann ein bisschen
um und holt einen Fußball aus einem roten Rucksack heraus.
Er zögert.
Der Hubschrauber peitscht die Luft über einem Fußballfeld.
Im Hintergrund hört man aufgeregte Fans: — Oleeeeeeee, ole¬
ole-oleeeeeeeee...
Der Mann nimmt gerührt den Lautsprecher auf und schreit:
— Aus! Ruhe!
Die Ole-olees brechen verlegen ab.
Der Mann spricht aufgeregt am Lautsprecher: — Ileana, ich
will dir sagen, dass ich dich liebe!
[Ruhe]
[Ruhe]
[Ruhe]
Und immer wenn du ein Problem hast... alles was du hast...
— im Guten und im Bösen - so wie es uns der Priester sagte...
(gewinnt an Vertrauen) dein ganzes Leben... (entschiedener)
wir werden einer für den anderen da sein! (atmet erhitzt ein und
aus) Und wenn meine Schwiegermutter kommt und mir sagt,
dass ich dich unglücklich gemacht habe... ich warte, dass du
in Person kommst und mir sagst, dass wir alles zusammen re¬
geln. (Wischt seinen Schweiß weg): Denn für mich wirst du im¬
mer meine einzige Liebe sein... (bricht in Tränen aus und kann
nur noch schwer fortfahren): Und hier ist unser kleiner Vlad,
unser Kind, und er wird eine Seite aus deinem Tagebuch lesen,
das ich gefunden habe und immer bei mir habe... (weint)... im¬
mer... was auch... (wischt seine Tränen ab und holt aus sei¬
ner Brusttasche ein kleines Heft): —- Komm mein Kind, lies vor!
Das Kind nimmt brav das Heft und den Lautsprecher und be¬
ginnt langsam und eintönig vorzulesen.
Im Hintergrund nur ein dumpfes Rotorengeräusch. Hub¬
schrauberflügelschatten mit der Zeitlupe.
Wie soll ich noch an die heilige Einigkeit glauben;
wie kann ich noch glauben, dass Tristan und Isolde
einander geliebt haben, und nicht ein selbstsüchtiges
Trugbild, ein hirngespinstiges Ziel, ein starrsinniges
Flimmern in einer furchtbaren Ferne, in kosmischem
Freien. Alles nur Selbsttäuschung! Wie soll ich noch
daran glauben, wenn ich meine Ewigkeit kochend fließen
höre, wenn ich meinen Atem gereizt sausen fühle und
ich weit weg fliegen würde, bis ich nichts mehr hören
kann; ich will dort nach oben fliegen, wo die Erdkugel nur
noch ein armseliges Insekt ist und mich von dort
fallen lassen, angstvoll, dass ich den widerlichen Käfer
zerquetschen werde, dass ich ihre Steine ersticken
werde, die Pappelspitzen, dass die Lava ihr Gekröse ins
Wasser kotzen wird und die Vögel durch die Fische
ertrinken werden; ich will mich fallen lassen, bis ich
diese gebrechlich-fantastische Wirklichkeit bedauern
werde und dann mich noch ein bisschen sacht schweben
lassen, noch ein bisschen, bevor ich mich an den Bergen
zerschmettere und mich über alle Wälder verteile, und
über alle Hügel und Höhlen, die ich mir eingebildet
habe.
Nur noch das dumpfe Rotorengeräusch. Der Mann weint
schluchzend und jammert von Zeit zu Zeit:
— Ileana, ich liebe dich... ohne dich werde ich sterben...
Das Kind greift zart nach dem Fußball und rollt ihn nach
draußen. Danach kriecht es vorsichtig zur Tür und schaut neu¬
gierig nach unten.
*
Abend. Gelbes Licht von den Fenstern eines Hochhauses.
Aus einem Balkon, aus einer blauen Rauchwolke heraus, ruft
ein halbnackter Mann mit einer Gabel winkend:
— Schäääääääääääääätzcheeen!!! Schääääääääätzcheeeen!!!
Der Braten ist fertig!
Ein Alter mit roter Coca-Cola-Kappe ruft von einem Fenster
in der Nahe: — Sie fragt wo die Tomaten sind, die ich gebracht
habe!
Ein Stockwerk höher, in einem kleinen Wohnzimmer, befindet
sich das Gemälde einer nackten Jungfrau zwischen Steindrucken
von Bukarest, die überall herumliegen: auf Tischen, Stühlen,
Schränken... Neben dem Gemälde mit der Jungfrau ist ein
schmales Sofa, worauf ein altes Fhepaar mit Brillen vor dem
Fernseher sitzt. Schwanensee. In den Brillengläsern der alten
Frau springt der weiße Schwan in den Spagat und landet sanft
auf den Fußspitzen. In den Brillengläsern des alten eingeschla¬
fenen Mannes, dessen Kopf ein bisschen nach hinten gerutscht
ist, sieht man nur die Lampe.
Ein Stockwerk höher, durch ein Fenster ohne Fensterscheibe,
sieht man eine Frau mit grünem Blumen-Imprime-Kleid, die
einer jungen Frau mit Schmetterlingen in den Haaren Karten
legt. Der Fernseher ist an. Über dem Fernseher, etwas schräg
gelehnt eine Fensterscheibe, durch die man verschwommene
Farbenbewegungen erkennen kann:
— U-Bahnverantwortliche sagen, dass die Arbeiten in höch¬
stens einer Woche beendet sein werden, wonach die U-Bahn wie
zuvor fahren wird... Wir danken unserer Reporterin! Und gleich,
nach einer kurzen Pause, kommen die Sportnachrichten...
*
Nacht. Hochhausschatten. Grillen
Dana Claudia Grigorcea, geb.
1979 in Bukarest, studierte 1998¬
2002 an der Universität Bukarest
Deutsch und Niederländisch, da¬
neben Filmregie in Brüssel und
2002-03 Journalistik an der Do¬
nau-Universität Krems. Sie pro¬
duzierte Fernsehfilme und Radio¬
sendungen, arbeitete als Modera¬
torin von Radiosendungen tiber
rumdnische Literatur und schrieb
Reportagen für rumänische, deut¬
sche und österreichische Zeitun¬
gen und Zeitschriften. — Lebt der¬
zeit in Bonn.