ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT
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Orchester Blatt 6
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Kammermusik und sonstige Ensemble
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Theater
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Tanz
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Den Schülern wird klarzumachen sein, dass der Vortrag nicht
dazu dient, das „hinreissende Temperament“ „die brillante Tech¬
nik“ oder die „originelle Auffassung“ des Reproduzierenden zu
zeigen, sondern: dem Hörer das Stück klar und verständlich vor¬
zuführen.
Ob man Gefühle darzustellen hat, welche und wie: das ist
Modesache, dem Wechsel unterworfen. Ewig sind die im Ma¬
terial zum Ausdruck kommenden Eigenschaften.
Damit ist nicht gesagt, dass das Stück nicht rühren dürfe,
wenn sein Inhalt so ist; dass es nicht erheitern, nicht glücklich
machen dürfe. Klar und verständlich dürfen, ja müssen auch die¬
se Wirkungen erzielt werden, wenn sie solchen Eindruck ma¬
chen sollen
Die Schüler sollen zum Sport angehalten werden. Die Schüler
sollen vom Sport nicht abgehalten werden. Er erhält jung; er
zwingt zur Annahme aller Neuerungen und es sollten die Lehrer
ihn ebenso lieben, denn dann müssten sie den Schülern den Wert
der Neuerungen klarmachen und würden in der Kunst nicht zu
leicht „konservativ“ bleiben, weil es ihnen der Sport zu rasch
klar machte, wie leicht Konservativismus geschlagen wird.
Andrerseits aber würden sie auch hier den Augenblicks-Wert
modischer Neuerungen, die bald widerlegt werden, erkennen.
In allen Sportarten hat es, wie in der Kunst, ein Jahrzehntlang
nach dem Kriege einen Rationalismus gegeben, der nach einem
Anfangserfolg von der totgesagten Romantik wieder auf sei¬
nen Platz zurückverwiesen wurde. (Auch im Schach)
[15/16 sh. oben: Gesang]
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Bei der Gehörsbildung hat der Unterricht davon auszugehen,
dass das irrigerweise so genannte „absolute Gehör“ nichts an¬
deres ist als Gedächtnis für Tonhöhen und Akkorde. Gewiss ist
auch das Gedächtnis eine natürliche Anlage. Aber man kann
sagen, dass sie wohl bis zu einem gewissen Grad bei jedem mu¬
sikalischen Talent vorhanden sein muss. Dann aber ist es nur
eine Frage der Uebung, der systematischen Gedächtnisschulung
und es ist daher Aufgabe der Schule dieses Vermögen zu ent¬
wickeln und zu fördern.
Vielleicht könnte man sich auch damit befassen, die Ursa¬
chen von „akustischen Täuschungen“ (die es sicherlich so gibt,
wie optische Täuschungen) zu erkennen und zu bekämpfen.
Der KompositionsUnterricht beruht fast ausschliesslich auf
Abstractionen, welche heute vom künstlerischen Leben einen
allzugroßen Abstand gewonnen haben. Trotzdem schiene es ge¬
wagt von dieser Methode abzugehen, denn selbst wenn eine
gänzlich-neue Komponiermethode im Entstehen oder vielleicht
sogar bereits gegenwärtig sein sollte, so sind deren Gesetze bis¬
her aufkeine Weise zu erkennen und es ist unerfindlich auf wel¬
che Weise zu ihr vorgeschult werden sollte. Aber es ist kaum
anzunehmen, dass der Unterschied im Grunde genommen größer
ist, als der zwischen der kontrapunktischen und der homopho¬
nen Komponierkunst. Dann aber ist unser bisheriges Wissen si¬
cherlich als Vorschulung ebenso geeignet, wie der Kontrapunkt¬
Unterricht es für die Zeitgenossen Haydns gewesen sein mag.
Nicht mehr, aber gewiss auch nicht minder: Er legte den Grund
zu einem Gefühl für Fluss, für Harmonie, für Form, für Logik
und wenn er auch nicht Kontraste lehrte, wie sie die Sonaten¬
Komponisten von allem Anfang an innerhalb der Sätze anzu¬
wenden verstanden, so war doch Charakteristik innerhalb des
Cyclus möglich. So wird es sich auch hier verhalten und solange
keine spezielle Einschulungsmethode existiert, welche auch die
Werte früherer Errungenschaften ausnützt, wird es das beste sein,
die bisherigen Methoden zeitgemäß zu er¬
weitern, zu bereichern, und so zu verändern, dass eingeschlossen
ist, was früher ausgeschlossen war. So wird wenigstens das
Verständnis für die Geistes-Kultur der Vorgänger aufrechter¬
halten und eine Brücke geschlagen zwischen den beiden ver¬
schiedenen Darstellungsmethoden und Ausdrucksformen der
zugrundeliegenden gleichen Denk- und Fühlweise.
Im Speziellen wird die Harmonielehre den Schüler zur
Erkenntnis der Vieldeutigkeit der tonalen konsonanten und dis¬
sonanten Klänge zu führen haben[,] ihn die verschiedenen
Methoden der Dissonanzbehandlung kennen und die Werte der
Fundamentfolgen fühlen lassen.
Der Kontrapunkt-Unterricht sollte den Schüler klar erkennen
lassen, dass verschiedene Vorstufen, die zu überwinden sind,
mit dem Wesen des Kontrapunkts nicht mehr zu tun haben, als
Harmonielehraufgaben mit Kompositionen oder Fingerübungen
mit Klavierspiel. Der erste Teil ist eine gebundene Stimmfüh¬
rungsübung. Später tritt dann die Forderung dazu eine selb¬
ständ. Führung durch melodische und motivische Formung an¬
zudeuten. Hernach haben diese Stimmen auch gewisse glie¬
dernde Zwecke zu erfüllen: zu kadenzieren, zu modulieren, Trug¬
schlüsse auszuführen. Im Weiteren sollen sie dann in verschie¬
dene Lagen versetzbar sein (doppelter 3- und 4-facher Kontra¬
punkt - Kanons etc). Dann erst käme die
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kontrapunktische Komposition. Das sind aber nicht die gewissen
alten Suitenformen (diese sind Uebergangsformen zur
Homophonie) sondern — aber wohl nur als Schulform — die Fuge
in allen ihren kunstvollsten Formen. Als Hauptzweck der Uebung
müsste der Schüler die Fähigkeit erreichen, seinen Gedanken
auf mannigfaltige (hier kontrapunktische) Art darzustellen. Das
Kontrapunkt-Studium wird vielleicht für den Schüler schliess¬