zogen worden ist, weil der Vater nicht nachweisen konnte, daß
schon der Großvater auf jetzt rumänischem Gebiet gelebt hat.
Nach einigen Wochen stirbt der Vater, Josef Burg geht nach
Bukarest, veröffentlicht 1939 sein erstes Buch (,,ojfn tscher¬
musch“), geht von Haus zu Haus, um Bücher zu verkaufen, hat
einen Makler, nimmt das erste eigene Geld ein. Über Chisin¬
au kehrt er nach Czernowitz zurück. Am 28. Juni 1940 kom¬
men die Sowjets. „Das Fahren irgendwohin war vorbei, aber
ich war ja glücklich, daß sie gekommen sind, sonst wären die
Nazis gekommen.“ Als Lehrer und stellvertretender Direktor
kommt er für ein Jahr an die Wischnitzer Schule, wo er selbst
die Schulbank gedrückt hat. Krieg, er meint, daß er für zwei
bis drei Wochen von Czernowitz weggeht, und bleibt 20 Jah¬
re weg. |
„Gift“ nennt er bezeichnenderweise das Buch über seine Zeit
in Wien, das er 1940 in Czernowitz herausbringt. Es enthält nur
zwei Geschichten, weil für ein umfangreicheres Buch kein Geld
vorhanden war, und spiegelt in „Rasse“ und „Ein Fremder“ die
Abnormität und Abstrusität des nationalsozialistischen Denkens
wider. Das weltweit einzige Exemplar des Originalbuches fand
sich mit Hilfe des Betreuers Werner Rotter in der Osterreichi¬
schen Nationalbibliothek im Vorlaß Josef Burgs und wurde von
Armin Eidherr neu übersetzt, als zweites Buch der Reihe „Der
Erzähler Josef Burg“ aus dem Hans Boldt Verlag. Weitere Ge¬
schichten zum „Anschluß“ und der so dem Vergessen entris¬
senen Protagonisten des „Cafe Central“ finden sich im soeben
erschienenen dritten Buch „Dämmerung“.
Das „andere“ Österreich holt ihn zurück und belebt nach der
„Gift-Episode“ seine ausgeprägte Vorliebe für alles Öster¬
reichische. Der vormalige Vizekanzler Erhard Busek lädt ihn
als erster offiziell nach Österrreich ein und besuchte ihn zuletzt
wieder mit seinen Matura-Kollegen in Czernowitz. Öster¬
reichische Burg-Freunde wie der Schriftsteller Felix Mitterer,
der Bukowina-Kenner Helmut Kusdat u.a. veranstalten Bene¬
fizlesungen zugunsten des Autors. Er bekommt das Große Eh¬
renzeichen für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich,
auf das er stets stolz verweist. Zu seinem 93. Geburtstag rei¬
ste Heinz Janisch nach Czernowitz und gestaltet ein „Öl Men¬
schenbild“ über Josef Burg...
Er freut sich, daß er in den letzten zwanzig Jahren eine „per¬
sönliche Wiederauflebung“ erfahren hat.
Wenn ich mit 73 Jahren, auch ein schönes Alter, gestorben
wäre, wäre im Lexikon der jiddischen Schriftsteller nur eine Zei¬
le gestanden, „Josef Burg, geboren ?, ‚Auf dem Czeremosz‘, Bu¬
karest 1939”, in der neuesten Ausgabe ist es schon eine ganze
Seite. Heute habe ich Leser, es gibt Abende, sogar wenn ich nicht
da bin... Auch wenn ich nicht sein werde, werde ich leben durch
die Bücher...
Alles hat einen Anfang und ein Ende, das Leben hat einen
Anfang und ein Ende. Ich stehe kurz vor dem Vorhang. Ich bin
schon sehr alt, sehr krank, habe eine sehr schwere Nacht hin¬
ter mir... Wenn das Glück kommt, fehlen die Jahre.
Aber, ich möchte das noch zu Ende bringen, noch diesen Win¬
ter überleben, die neuen Bücher [der Reihe „Der Erzähler Jo¬
sef Burg“ aus dem Hans Boldt Verlag] sehen, die erste italie¬
nische Übersetzung, das erste Buch in englischer Sprache... und
es wird interessant sein, wie sich die Ukraine entwickelt, zu ei¬
nem wirklichen europäischen Staat? Dann werde ich nicht mehr
leben...
In der Reihe Der Erzähler Josef Burg des Hans Boldt Lite¬
raturverlages (Winsen/Luhe) erschienen bisher: Aufdem Cze¬
remosz; Gift, Dämmerung; Mein Czernowitz. 2004 erschien bei
Hans Boldt zu Josef Burgs 70jährigem Berufsjubiläum dessen
Buch Sterne altern nicht.
Der zweisprachige Band Ein verspätetes Echo/A Farsch¬
petikter Echo erschien 1999 im P. Kirchheim Verlag, München.
Die Kulturlandschaft Bukowina und ihre Protagonisten, dar¬
unter Josef Burg, stellt das Buch An der Zeiten Ränder. Czer¬
nowitz und die Bukowina. Geschichte — Literatur — Verfolgung
— Exil, vor, hg. von Helmut Kusdat und Cécile Cordon, Verlag
der Theodor Kramer Gesellschaft, Wien 2002.
Eine ausführliche Darstellung von Leben und Werk Josef
Burgs aus der Feder Peter Rychlos (Czernowitz) wird im Herbst
auch in der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ (Salzburg) er¬
scheinen.
Erika Weinzierl fordert mehr
Mittel für die Exilforschung
Anlässlich des Erscheinens des Buchs „Vom Weggehen. Zum
Exil von Kunst und Wissenschaft“ (Hg.: Sandra Wiesinger¬
Stock/Erika Weinzierl/Konstantin Kaiser) und der neuen
Buchreihe „Exilforschung heute“, die die HerausgeberInnen im
Leopold Museum dem Publikum vorstellten, fand dort am 11.
Mai eine Pressekonferenz statt, bei dem die Österreichische Ge¬
sellschaft für Exilforschung (öge) ihre Arbeit auch den ver¬
sammelten MedienvertreterInnen präsentierte. Der Band gibt
einen ersten Überblick über das breite Spektrum an kulturel¬
len Leistungen des Exils von unter dem Nationalsozialismus
verfolgten und geflohenen ÖsterreichInnen (aus Kunst, Lite¬
ratur, Musik, Theater, Film, Fotografie, Geistes-, Sozial- und
Naturwissenschaften, Medizin, Psychoanalyse usw.); aufgrund
des vielfältigen Spektrums der Beiträge ist das Buch für ein brei¬
tes Publikum von Interesse. Sandra Wiesinger-Stock wies auf
die Bedeutung der neuen Reihe in Hinblick auf die Systema¬
tisierung der an österreichischen Universitäten noch immer nicht
institutionell verankerten Exilforschung hin. Erika Weinzierl
appellierte als Mitinitiatorin eindringlich an die öffentlichen
Subventionsgeber: „Seit vier Jahren wird von der öge mit enor¬
mem Engagement, bislang vielfach auf ehrenamtlicher Basis
und unter härtesten Voraussetzungen, Unglaubliches für die Exil¬
forschung und damit auch für Österreich geleistet. Die Exil¬
forschung erfüllt eine unschätzbare Brückenfunktion zwischen
jenen ÖsterreicherInnen, die unter dem Nationalsozialismus po¬
litisch oder rassistisch verfolgt, das Land verlassen mussten —
auch ihren Nachkommen, die heute im Ausland leben — und
Österreich, zu dem sie nun vermehrt den Kontakt suchen. Vie¬
le von ihnen sind selbst Wissenschaftler oder Künstler gewor¬
den bzw. in den verschiedensten Branchen erfolgreich tätig. Ih¬
nen gibt die öge mit ihrer Arbeit eine neue Gesprächsbasis. Doch
sie braucht dazu dringend eine entsprechende Grundsubven¬
tionierung, um ihre Aufgaben unter geeigneten institutionellen
Bedingungen — mit mehreren angestellten MitarbeiterInnen —
adäquat erfüllen zu können. Ich appelliere daher eindringlich
an alle öffentlichen Subventionsgeber, ihre Verantwortung ge¬
genüber der Exilforschung, die eine wissenschaftlich und ge¬
sellschaftlich so wichtige Funktion erfüllt, ab sofort noch we¬
sentlich stärker wahrzunehmen! Alles, was in die Exilforschung
investiert wird, kommt Österreich und Wien (nicht nur als For¬
schungsstandort) zugute!“