terung wurde ihm mit sofortiger Ermordung gedroht, doch wurde die Familie
wieder aus der Gestapohaft entlassen. Im August 1941 wurde er abermals
verhaftet, kam aber nach vielen Interventionen im November wieder frei.
Er wurde allerdings unter Aufsicht gestellt und musste sich zweimal täglich
bei der Polizei melden. Ungeachtet dessen genoss Klein einen eigentümlichen
Schutzstatus: Die Behörden hatten in seinen Dokumenten einen Vermerk an¬
gebracht, wonach die Beschlagnahme seines Eigentums zu unterbleiben habe.
In Begleitung von Ustascha-Polizisten konnte Klein in den folgenden Monaten
mehrmals nach Budapest und Ljubljana sowie nach Italien reisen, um den
Kontakt zu jüdischen Organisationen im Ausland herzustellen und Geldmit¬
tel für die jüdische Gemeinde in Zagreb zu beschaffen.
Im Zuge einer dieser Auslandsreisen gelang es Klein im Mai 1942, nach Ita¬
lien zu entkommen und weiter in die Schweiz zu flüchten, wo er den Krieg
Alfred Missong
Als Emigrant in Futog
Mein Vater Alfred Missong war ein glühender österreichischer Pat¬
riot, der von der nationalen Eigenständigkeit Österreichs fest über¬
zeugt war und als Schriftsteller schon nach dem Zusammenbruch
der Österreichisch-Ungarischen Monarchie für die Selbständigkeit
der Republik Österreich und gegen den Anschluss an Deutschland
eintrat. Er erblickte in Österreich ein Land, in dem zwar deutsch
gesprochen wurde, das aber deshalb kein deutsches Land war. Als
Teil eines grossen Vielvölkerreiches habe Österreich eine ande¬
re Geschichte als Deutschland; andere ethnische und kulturelle
Einflüsse hätten den österreichischen Volkscharakter geprägt. Der
„typische Österreicher“ sei ein Produkt einer geglückten Mischung
aus slawischen, magyarischen, germanischen und lateinischen Ele¬
menten; er unterscheide sich vom „typischen Deutschen“ in vieler
Hinsicht. Aus vielen Gründen sei in Österreich ein eigenes von
Deutschland durchaus unterschiedliches nationales Gebilde ent¬
standen, das als eigene Nation und eigener Staat in Europa eine
besondere völkerverbindende Rolle zu spielen habe. In dem Viel¬
völkerstaat der österreichisch-ungarischen Monarchie unter dem
Szepter der Habsburger sah er die Möglichkeit eines friedlichen
Zusammenlebens der kleinen Völker Mitteleuropas, die allein der
Gefahr der Dominanz der größeren Nachbarn Deutschland, Ita¬
lien und Russland ausgesetzt wären und früher oder später unter
ihre Herrschaft geraten würden.
Bis zum Untergang Österreichs durch die deutsche Besetzung im
März 1938 erhoffte sich Missong eine Rückkehr der Habsburger;
mit dem TIhronfolger, Erzherzog Otto, unterhielt er laufend Kon¬
takt. Nach dem Abkommen Schuschniggs mit Hitler vom Februar
1938 hatte er erkannt, dass die Selbständigkeit Österreichs ohne
radikale Änderung des österreichischen Regierungskurses und die
Einbeziehung der Arbeiterschaft in eine große patriotische anti¬
nazistische Abwehrfront nicht mehr länger aufrecht zu erhalten
war. Als letzte Karte setzte er auf die Übernahme der Kanzlerschaft
durch Otto von Habsburg, der den österreichischen Widerstand
gegen Deutschland organisieren sollte. Manche mögen heute über
diese Vorstellungen lächeln und sie als naiv abtun, sicher aber ist,
dass Otto Österreich nicht kampflos den Deutschen übergeben
hätte, wie dies zum Schaden für ganz Europa Schuschnigg tat.
Dass diese Ideen Missongs im Zeitalter des deutschen National¬
sozialismus als Verrat am Pangermanismus, eines wesentlichen
überlebte. Im November 1947 gelangte er nach Palästina. Klein begründete in
Tel Aviv eine lokale Zweigstelle der „Hebrew Immigrant Aid Society“ (HIAS),
die er jahrelang leitete. Gleich nach seiner Ankunft wurde Klein-Arnon auch
Mitglied der „Hitachdut Olej Jugoslavia“ (HO)), einer landsmannschaftli¬
chen Organisation der aus Jugoslawien stammenden Einwanderer in Paläs¬
tina, und später auch Sekretär der HOJ. Zwischen 1953 bis 1956 gab er die
ersten Bulletins der Hitachdut heraus.
Quelle: Ivo Goldstein: Aleksandar Klein, in: „Jewish Biographical Lexicon
for Croatia“, editor in chief: Ivo Goldstein (Historiker, Universität Zagreb),
erscheint 2011. Der unveröffentlichte Text wurde mir freundlicherweise von
Prof. Ivo Goldstein zur Verfügung gestellt. Für die Übersetzung aus dem Kro¬
atischen danke ich Jarmila Hausjell.
Gabriele Anderl
Bestandteils der Ideologie Hitlers, galten, ist selbstverständlich.
Allerdings schrieb Missong die meisten seiner Aufsätze unter
Pseudonym, auch eines seiner wichtigsten Werke, „Der Nazispie¬
gel“, erschien schon 1932 unter dem Pseudonym Thomas Murner.
In dieser Kampfschrift setzte sich Missong mit der Ideologie des
Nationalsozialismus kritisch auseinander und wies nach, dass sie
germanisch-heidnischen Ursprungs und zutiefst unmenschlich
und unchristlich ist. Diese Schrift, die in geradezu prophetischer
Weise die Bestialitäten voraussagte, die Hitlerdeutschland vollbrin¬
gen würde, wenn es nicht rechtzeitig daran gehindert werde, ist si¬
cher eine der ersten tiefschürfenden und überzeugenden Analysen
dieser politischen Bewegung. Mit diesen Argumenten versuchte
er auch den Vatikan zu einer kirchenrechtlichen Verurteilung des
Nationalsozialismus und der Exkommunikation seiner Anhänger
zu bewegen. Dass er also viele Gründe hatte, die Gestapo zu fürch¬
ten, ist einleuchtend.
Da Missong regelmäßig unter Pseudonym schrieb, war auch
der Gestapo die Urheberschaft dieser und anderer Schriften und
Aufsätze nicht bekannt. Diesem Umstand verdankte Missong
zweifellos das Leben. Hätten sie gewusst, welchen Feind sie in
ihren Händen hatten, er wäre den Nazis sicher nicht entkommen.
Nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich im März 1938
wurde er wie so viele andere österreichische Patrioten — während
viele österreichische Nazis Hitler zujubelten, waren schon 70.000
Österreicher von den Nazis verhaftet worden! - sofort von der Ge¬
stapo verhaftet und durch Monate hindurch ihren bekannten Ver¬
hören ausgesetzt, die aber keine Beweise seiner „staatsfeindlichen
schriftstellerischen Arbeit“ lieferten. Deshalb ließen ihn die Nazis
wieder gehen, und es gelang ihm und seiner Familie die Flucht in
die Schweiz, wo man auf Visa für Amerika wartete.
Ohne finanzielle Mittel war die Familie auf die Hilfe befreun¬
deter Menschen angewiesen. Weniger freundlich erwiesen sich al¬
lerdings die Schweizer Behörden, die Missong die weitere Aufent¬
haltsbewilligung verweigerten und die zwangsweise Rücksendung
„ins Reich“ androhten. Vor die Wahl gestellt, an die Deutschen
ausgeliefert zu werden oder freiwillig die Schweiz zu verlassen,
entschied sich Missong für eine Fahrt nach Jugoslawien, wo gute
Freunde die ganze Familie zum Verweilen auf ihren schönen Besitz
einluden, bis die amerikanischen oder englischen Visa erteilt sein
würden. Es handelte sich um einen alten Mitkämpfer und öster¬