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reichischen Patrioten, Dr. Walter Breitenfeld und seine Gattin,
die „Tante Johanna“, eine Gräfin Schönborn-Chotek. Diese wun¬
derbaren Menschen nahmen uns Flüchtlinge, die wirklich nichts
besaßen, großzügig auf ihren Gütern in Futog auf, einem klei¬
nen unscheinbaren Nest in der Vojvodina in der Nähe Novi Sads.
Sie selbst besaßen auch die jugoslawische Staatsbürgerschaft und
konnten deshalb noch knapp vor Kriegsbeginn im Sommer 1939
nach England reisen, während wir als „deutsche“ Staatsangehörige
volle zwei Jahre in Futog vergeblich auf die rettenden Visa für eine
Weiterreise nach England oder Amerika warteten.

Mein Vater fuhr regelmäßig nach Belgrad, um dort bei dem bri¬
tischen und amerikanischen Konsulat wegen der begehrten Visa,
die freilich nie bewilligt wurden, vorzusprechen. Diese Reisen
waren für die ganze Familie niederschmetternd, weil mein Vater
immer verzweifelter wurde. Ich wusste zwar nicht wirklich, was
eigentlich ein Visum war, es erschien mir aber als ein ganz beson¬
ders wunderbares Ding, mit dem ich den Eltern Freude machen
könnte. Deshalb verfertigte ich selbst Visa und legte sie ihnen als
Weihnachtsgeschenk unter den Christbaum! Später erfuhr ich,
dass der amerikanische Konsul meinem Vater riet, in unsere Pässe
— durch den „Anschluss“ waren wir deutsche Staatsbürger gewor¬
den und hatten deutsche Reisepässe — selbst ein „J“ zu machen,
weil wir dann als Juden mehr Chance auf Erteilung eines ameri¬
kanischen Visums hätten. Ein anderes Mal versuchte er ein sow¬
jetisches Visum zu erhalten. Ebenfalls vergeblich; von deutschen
Staatsbürgern verlangten die Sowjets nämlich damals — zu Zeiten
des Ribbentrop-Molotow Paktes — Empfehlungsschreiben der
deutschen Regierung, die wir natürlich nicht beibringen konnten.

Ich kann mich, obwohl ich noch ein Kind war, bestens an die
Jahre 1939 bis 1941 in Futog erinnern. Unser damaliges zeitweise
sehr aufregendes Leben wurde freilich durch viele Erzählungen
meiner Eltern in meinem Bewusstsein wachgehalten, so dass ich
mir sicher bin, keine groben Fehler bei ihrer Schilderung zu bege¬
hen. Erst kürzlich habe ich Futog wieder besucht und das kleine
Eckhaus auf der Hauptstrasse in „Neu (Novi) Futog“, in welchem
wir ein Jahr untergebracht waren, völlig unverändert vorgefunden.
Das Bauernhaus, in welches wir später umzogen, in „Alt (Stari)
Futog“ vis-a-vis der katholischen Kirche, die heute völlig devas¬
tiert ist, steht allerdings nicht mehr, wohl aber die zu diesem Haus
gehörige sogenannte „Sommerküche“, in welcher in der warmen
Jahreszeit gekocht, vor allem eingekocht, wurde.

Die Vojvodina hatte sich damals noch durchaus einen altöster¬
reichischen Charakter bewahrt. Viele Nationen lebten dort fried¬
lich zusammen, Serben, Kroaten, Ungarn, Slowaken, Rumänen,
Zigeuner und sogenannte „Volksdeutsche“. Die nazideutsche Pro¬
paganda hatte aber bereits erfolgreich begonnen, die „Schwaben“,
wie sich die deutschsprachige Bevölkerung selbst nannte und wie
sie auch von den Serben in leicht despektierlicher Weise bezeichnet
wurde, zu verhetzen und die Beziehungen zwischen ihnen und vor
allem den Serben, dem eigentlichen Staatsvolk, zu vergiften. Den
Volksdeutschen wurde eingeredet, dass sie als Angehörige eines
besseren und überlegenen Volkes Führungsansprüche hätten. Sie
träumten vom „Reich“ und dass ihr Führer sie bald befreien würde.
Viele junge Burschen erlagen dieser Propaganda und meldeten sich
freiwillig zur SS nach Deutschland. Immer lauter ertönte der Ruf
„Heim ins Reich“.

Unsere Familie gab diesen ziemlich primitiv denkenden volks¬
deutschen Bauern in Futog intellektuell völlig unlösbare Proble¬
me auf. Aus naheliegenden Gründen der Sicherheit verschwiegen

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wir natürlich, dass wir
vor Hitler geflohen
waren. In ihren Augen
waren wir aber aus
dem „Reich“ zu einem
Zeitpunkt nach Futog
gekommen, wo sie
alle heim ins „Reich“
wollten. Dies erschien
ihnen höchst suspekt.
Offensichtlich waren
wir zwar „Deutsche“,
aber doch keine rich¬
tigen, wahrscheinlich
waren wir Volksfeinde,
vielleicht sogar Juden.
Andererseits waren wir
aber praktizierende
Katholiken, die sich
noch dazu sehr um das

pfarrliche Leben der

dortigen Katholiken verdient machten. Während die volksdeut¬
schen Kinder in der Schule sich nun mehr oder weniger weigerten,
die serbische Landessprache zu lernen, studierte Vater Missong
serbisch und ermahnte auch uns Kinder, diese Sprache zu erlernen.
Jedenfalls wurden wir von fast allen als Fremdkörper empfunden
und stießen fast überall in der Bevölkerung auf Ablehnung.

In Futog gab es damals sowohl eine serbische als auch die deut¬
sche Volksschule, in welche ich und meine ältere Schwester Agnes
eingeschrieben wurden. Diese Schule in Alt Futog befand sich an
der Abzweigung der nach Novi Sad führenden Hauptstrasse. Sie
bestand aus zwei Klassenräumen, in welchen jeweils die Schüler
von drei Klassen untergebracht waren. Den Namen des Direktors
werde ich sicher bis zu meinem Tod nicht vergessen. Er hieß Ge¬
org Ottmann und verlangte von uns, dass wir seinen Namen auf
unzähligen Heftseiten niederschrieben. Auch während des Unter¬
richts, den er selbst im Falle von Zahnschmerzen, die ihn anschei¬
nend sehr häufig überfielen, seiner ungefähr zehnjährigen Tochter
überließ, schrieben wir meistens nur seinen Namen. Dutzende von
Heften, in welchen nichts als Georg Ottmann stand, waren das
Ergebnis dieses „Unterrichts“ zu den Jahresenden!

Von den Buben verlangte der Lehrer Georg Ottmann, dass sie
sich auf den kommenden Krieg rechtzeitig vorbereiteten. Zu die¬
sem Zweck musste jeder Bub eine Art Gewehr in die Schule mit¬
bringen. Ich besaß als einziger ein kleines Spielzeuggewehr, mit
dem man tatsächlich Bolzen schiessen konnte, während alle ande¬
ren Buben von ihren Vätern nur Gewehrattrappen aus Holz vor¬
weisen konnten. Mein Gewehr imponierte Lehrer Ottmann sehr
und trug erheblich zu einem guten Zeugnis bei. Lehrer Ottmann
spielte gerne Feldwebel und ließ alle Buben im Hof exerzieren. Er
meinte nämlich, dass die männliche Jugend nicht früh genug das
Kriegsgewerbe lernen könne. Da meinen Eltern diese Art Unter¬
richt nicht geheuer war, mussten wir Kinder zu unserem großen
Leidwesen auch nachmittags, wenn alle anderen Kinder spielten,
beim Vater Privatunterricht nehmen. Nach dem Anschluss der
Batschka an Ungarn im Frühjahr 1941 wurde die deutschspra¬
chige Volksschule plötzlich zu einer ungarischen „Magyar Nepis¬
kola“ und die Zeugnisse wurden dementsprechend auf ungarisch
ausgestellt. Freilich konnte kein einziger Schüler dieser Schule sein