OCR
BUN EE GEE OEY e ‘ay es RE MN 5 a i a 2 E38 ur ig Be ARE Say Br 7 ae ome aes ad hi in et Des" BER . u, EN i 5 a Wassilij Kononenko Ein Zeugnis fiir Lew Manewitsch Ansprache des ehemaligen Häftling Nr. 40210 bei der Gedenkveranstaltung in Ebensee, 2011 Liebe Freunde! Ich wurde am 8. Februar 1926 in Markowzy in der Ukraine geboren. Im März 1943 wurde ich aufgrund des Verdachts, ein kommunistischer Funktionär zu sein, verhaftet. Im Dezember wurde ich nach Mauthausen und anschließend nach Gusen deportiert. Später wurde ich nach Melk verlegt und von Melk kam ich nach Ebensee. Ich war 17 Jahre alt, als die Polizei zu mir nach Hause kam und mich in das Gefängnis in Nezhin in der Ukraine brachte. Sie dachten, dass ich ein Mitglied der jungen Kommunisten, der „Konsomol“, sei. Alle jungen Kommunisten wurden erschossen. Da ich erst 17 Jahre alt war, verschonte man mich. Aber ich wurde ins Gefängnis in Graz überstellt, wo ich drei Mal verhört wurde. Diese Verhöre waren schrecklich für mich, weil ich heftig geschlagen wurde. Durch die Hilfe meiner Zellenkameraden konnte ich überleben. Ein älterer österreichischer Sozialdemokrat half mir, aber auch inhaftierte Griechen, Polen, Tschechen und Ukrainer. Anschließend wurde ich für kurze Zeit, vielleicht zehn Tage oder zwei Wochen, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, in einem Gefängnis in Wien inhaftiert. Am 3. Dezember 1943, es war ein Freitag, daran kann ich mich noch gut erinnern, wurde ich nach Mauthausen gebracht. Als wir in Mauthausen ankamen, sah ich den Stacheldraht und dachte an den Film „Die Moorsoldaten“, den ich vor Kriegsbeginn geschen hatte. Ich hätte nie geglaubt einmal selbst in so einem Lager zu sein. Meine Häftlingsnummer war 40210. Vom Hauptlager wurde ich nach Gusen gebracht und anschließend nach Melk. Am 15. April 1945 wurden wir von Melk mit dem Zug nach Ebensee transportiert. Wir arbeiteten außerhalb der Stollen und schoben die Kipploren zur Schutthalde, wo andere Häftlinge die Steine abkippten. Wir transportierten die Steine auch über die Schmalspurbahn zum Steinbrecher, wo man die Steine zu Schotter oder ähnlichem verarbeitete. Am 4. Mai war ich so hungrig, dass ich wie ein Tier Gras zu essen begann, welches mir ein Mithäftling gab. Es schien mir schr süß und schmackhaft zu sein. Doch ich bekam Magenschmerzen, brach zusammen und verlor das Bewusstsein. Ein SS-Mann sprach zu mir, aber ich konnte seine Worte nicht hören. Er schlug mich einige Male, aber tötete mich nicht, da er sah, dass ich nicht mehr konnte. Am Abend wurde ich ins Lager zurückgebracht. Am 5. Mai gingen wir nicht mehr zur Arbeit, einen Tag später wurden wir dann von den Amerikanern befreit. Ich erinnere mich, dass nach der Befreiung von den Amerikanern Feldküchen aufgebaut wurden, um uns mit Essen zu versorgen, und wir stürmten diese Küchen, weil wir so hungrig waren. Die Amerikaner waren entsetzt über die Masse an Menschen, die hungrig im Lager auf Essen warteten. In diesen Tagen starben noch viele Häftlinge. Ein beeindruckender Mann war Lew Manewitsch, ein sowjetischer Offizier und für mich ein Beispiel für Entschlossenheit und Selbstaufopferung im Lager, denn er unterstützte und half anderen Häftlingen, wo er nur konnte. Ich glaube, er hat vielevon uns gerettet. Manewitsch starb einige Tage nach der Befreiung, am 9. Mai, an Tuberkulose. Ich konnte nur durch die Hilfe von vielen internationalen Mithäftlingen und Freunden überleben. Ich kenne ihre Namen nicht, aber ich werde sie immer in Erinnerung behalten. Es ist unsere Pflicht, in die Vergangenheit zurückzublicken! Ich gehe oft in Moskauer Schulen und erzähle den Schülern von den Schrecken der Konzentrationslager, aber auch von den internationalen Freundschaften mit Häftlingen. Wir danken Wolfgang Quatember (KZ-Gedenkstätte und Zeitgeschichte Museum Ebensee) für den Text von Wassilij Kononenkos Ansprache und für die Aufnahme von der Beerdigung Lew Manewitschs. Dessen Leichnam wurde später exhumiert und in Linz wieder bestattet. Mai2012 13