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Ebene findet eine Art Anästhesie statt, die vom Genitalbereich
ausgeht und sich auf den gesamten Körper ausbreitet.“*

„Wer prostituiert sich?“, fragt die französische Rechtsanwältin
Iris Naud. „Die, denen es am dreckigsten geht. Wem geht es
in Frankreich am dreckigsten? Ausländerinnen. Prostitution ist
die Ausbeutung männlicher, ökonomischer und geographischer
Machtverhältnisse. Wo ist da die Freiheit der Frau?“ Die inter¬
nationale Forschung zeigt, dass 65-80% vor dem Eintritt in die
Prostitution Opfer von Gewalt wurden.’ Wer Opfer eines Über¬
griffes wurde und keine Möglichkeit hat, das Trauma zu bearbeiten,
laufe sehr große Gefahr, erneuten Übergriffen ausgesetzt zu werden.
„Wir wissen, dass es zuerst zum Übergriff kommt, dann kommt das
"Trauma, dann kommen die Schmerzen, damit das Bedürfnis nach
Drogen.“ Der Kreis schließt sich. „Der Zusammenhang zwischen
Prostitution und Gewalt ist ganz klar zu sehen.“*!

Aber was machen wir nun mit den Männern, die Sex brauchen?

Vielleicht, so die deutsche Rechtsanwältin Seyran Ates, würden
Männer mit der Abschaffung der Prostitution in ihren Beziehungen
verantwortungsbewusster? So könne man auch denken. Vielleicht
käme eine gesellschaftliche Diskussion in Gang, wie sich Männer in
Beziehungen begeben, wie sie Frauen sehen. Über das Argument,
die Zahl der Vergewaltigungen würde dann steigen, sei sie „entsetzt.
Es kommt aus allen Ecken, auch von den Linken. Ich kann diesem
Argument nicht folgen.“ Es sei das Gleiche wie zur Verteidigung
der Zwangsverschleierung.°

Im Rollenbild der Geschlechter hat sich in den letzten 100 Jahren
viel zum Besseren gewendet, der Kampf um Gleichberechtigung
wird als die „erfolgreichste friedlichste Revolution des 20. Jahrhun¬
derts bezeichnet.“ „Einst durften Frauen nicht mal Hosen tragen,
weil es für Männer unerträglich war, das zu schen. Wenn die Macht
der Männer in der Sexualität angekratzt wird, ist derselbe Wandel
möglich“, sagt Ates.

Sonja Pleßl, geb. 1976 in Österreich, studierte Übersetzen (Franzésisch/Russisch),
Politikwissenschaften und Skandinavistik, lebte in Belgien, Frankreich, Kanada,
Norwegen, Hilfsprojekt für das Kindertuberkulosekrankenhaus in Charkow,

Ukraine; Lehrerin und Frauenrechtsaktivistin.

Organisationen:

Aboriginal Women’s Action Network (AWAN), Kanada; Apne Aap, Selbsthil¬
feorganisation der Überlebenden von Prostitution, Indien; Femen, Ukraine;
Mayina, Frankreich/Afrika; Osez le Féminisme, Frankreich; PRIS, Prostituerades
Revansch i Samhiillet, Schweden; Zeromacho. Des hommes contre la prostitution,
Frankreich.

Literatur
Christian Delacampagne Die Geschichte der Sklaverei. 2004

Marianne Eriksson, Eva-Britt Svensson: Sex Slavery in our Time. About an
industry that wants to be clean, www.guengl.eu/upload/EU-trafficking pdf
Sibylle Berg: Zu viele Weiber hocken da, das kann nichts werden. Die Presse,
12.2.2012

Amely-James: Koh Bela, Mon combat contre la prostitution. 2005

Janice Raymond: 10 Reasons for Not Legalizing Prostitution www.rapereliefshelter.
bc.callearn/resources/10-reasons-not-legalizing-prostitution (2003).

Petra Stuiber: Selbstbestimmte Sexarbeiterin als trügerisches Idealbild. Während
europäische Frauenlobbys gegen Prostitution als Gewerbe kampagnisieren, hält
man in Österreich unbeirrt am Fernziel der „selbstbestimmten Sexarbeiterin“ fest,
Der Standard, 10.11.2011.

Survivors of Prostitution and Trafficking Manifesto (2005), European Parliament.
» Who represents Women in Prostitution?“ www.nomas.org/node/137.

38 _ ZWISCHENWELT

Anmerkungen

Ich danke herzlich meinen InterviewpartnerInnen Seyran Ates, Bjorn Lecomte,
Olav Lagdene, Tove Smaadahl, Katrine Lofstad, Marielle Leraand, Rachel Paul,
Trine Lise, Trine Margrethe Rogg Korsvik, Aga Kwiecinski, Iris Naud, Rotraud
A. Perner sowie für Auskünfte Caroline List, Martina Klein, Gerald Tatzgern.

1 10.11.2011, http://diestandard.at/1319182533968/Zuerich-Ukrainische¬
Feministinnen-demonstrierten-gegen-Prostitution

2 Interview mit Femen, 8.3.2012, www profil.at/articles/1210/560/321472/
frauentag-femen-wir-politik

3 FEMEN: Vernetzt euch! Frauen bewegen sich — neu? Eine Veranstaltung
der Grünen BundesFrauen Konferenz 2012, Diskussion mit Inna und Sasha
Shevchenko aus der Ukraine, 2.3.2012. hitp://ichmachpolitik.atlquestions/1517
4 The Pink Revolution, Interview mit Anna Gutsol, www.youtube.com/
watchv=Q6n_3]fCiz4

5 Standard, 13.3.2012.

6 Prostituerades Revansch i Samhället, www.nätverketpris.se

7 Aboriginal Women's Action Network (AWAN): www.awanbc.ca/aboutus. html
8 Neues Prostitutionsgesetz entlastet AnrainerInnen, Rathauskorrespondenz vom
28.10.2011, www. wien.gv.at/rk/msg/2011/10/28006. html

9 Die Standard, 8.11.2011.

10 Wiener Prostitutionsgesetz 2011: www.wien.gu.at/recht/landesrecht-wien/
landesgesetzblattljahrgang/201 1/htmi/lg2011024.html; Informationen zum
Gesetz: www.wien.gu.at/verwaltung/prostitutionlindex.html

11 Am 5. November 2011 gingen in Paris auf Initiative des Collectif national
pour les droits des femmes 6.000 Menschen auf die Strafe, um gegen Gewalt
an Frauen und fiir die Kriminalisierung von Sexkauf zu protestieren. Mit 44
feministischen Organisationen fordern alle bis auf eine die Übernahme des
schwedischen Modells. Einige Tage später wurde auf Initiative der Lesbenbewegung
gegen Leihmutterschaft demonstriert. Die sozialistische Partei schrieb in ihrem
Papier für „reale Gleichstellung“ (convention egalite reelle, www.parti-socialiste.
Jrlegalite) Prostitution als Gewalt gegen Frauen fest — ein zentraler Etappensieg
für die feministische Bewegung war erreicht.

12 www.assemblee-nationale.fr/13/cri/2011-2012/20120078.asp#INTER_16
Bericht der Parlamentssitzung vom 6.12.2011 (angenomme Resolution für die
Abschaffung der Prostitution)

13 www.emma.delhome/news-archiv/news-detail/datum/201 1/12/08/frankreich¬
will-freier-bestrafen/

14 www.zeromacho.eufraisons.html

15 www.zeromacho.eu/allemand.html

16 Marianne Brentzel: Anna O. Bertha von Pappenheim. Biographie. 2002.
17 Der Standard, 27.10.2011.

18 Sonja Pleßl: Die erste Heimat. Das schwedische Modell „Frauenfrieden“. In:
ZW Nr. 1-2/2011, 23-30. Online in leicht geänderter Fassung abrufbar: S.
Pleftl: Das schwedische Modell Frauenfrieden. Frauenforscherin WISE 2011/12,
93-110, www.oeh.univie.ac.at/uploads/medialfrauenforscherin-ws1112.pdf
19 2011 wurden in Österreich 114 Opfer von Menschenhandel erfasst, 2010
100 (Auskunft Gerald Tatzgern, Februar 2012); ermittelt wurde 2011 in 72
Fällen (20 Fälle nach $ 104a StGB (Menschenhandel), 52 nach $ 217 StGB
(Grenzüberschreitender Prostitutionshandel), 2010 in insgesamt 65 Fällen (Aus¬
kunft Carolien List, Richterin); die Verurteilungszahlen nach $ 10da sind für
2006: 0, 2007: 1, 2008: 0, 2009: 2, 2010: 2; nach $ 217 für 2006: 18, 2007:
29, 2008: 18, 2009: 30, 2010: 12 (Auskunft Martina Klein, BMI, Februar
2012). Das Justizministerium zählt einen Fall (auch wenn er eine ganze Gruppe
betrifft) als ein Verfahren, das BMI zählt personenbezogen. Laut den Recherchen
von Mary Kreutzer und Corinna Milborn für „Ware Frau“ (2008) hatte kein
einziges Opfer von Menschenhandel Asyl erhalten; seit der neuen Regelung vom
1.4.2009 wurde (bis zum Stichtag 30.9.2011) in 54 von 97 Fällen humanitärer
Aufenthalt gewährt.

20 Die Standard, 15.2.2012, http://diestandard.at/1328507814433/Sexarbeit¬
Einheitliches-Gesetz-fuer-Sexarbeiterinnen-gefordert

21 www.assemblee-nationale.fr/13/rap-infoli3334.asp

Enquete der parlamentarischen Kommission über Prostitution, veröffentlicht
am 13.4.2011

22 www.emma.delhefielausgaben-201 I/sommer-201 1/verstoss-gegen-die-men¬
schenwuerdel

23 www.assemblee-nationale.fr/13/cri/2011-2012/20120078.asp#INTER_16
24 Interview 25.2.2012.

25 Der deutsche Sonderweg. Die Reform schlägt zurück, Emma Jänner/Februar
2007, www.emma.delressortslartikellprostitutionl/die-reform-schlaegt-zurueck/
26 Interview, 25.2.2012.

27 Interview Winter 2010.

28 Am Schauplatz— Endstation Bordell, 17.2.2011, www. spotting.atlendstation¬
bordell-menschenhandel

29 Das das wichtigste internationale Abkommen, das „Palermo-Protokoll“ aus
dem Jahre 2000 (Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestra¬
fung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum