Alexander Emanuely, Brigitte Lehmann
Die „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ wurde am 22.
Jänner 1933 in Wien gegründet. Gründungsmitglieder waren u.a.
Josef Luitpold Stern, Fritz Brügel und Theodor Kramer. Weiters
schlossen sich Oskar Maria Graf, Käthe Leichter, Max Winter,
Marie Jahoda, David Josef Bach, Ernst Fischer, Rudof Brunn¬
graber, Hermynia Zur Mühlen, Else Feldmann, Thekla Merwin,
Adele Jellinek, um nur einige zu nennen, der Vereinigung an.
Die Vereinigung organisierte neben Lesungen ihrer Mitglieder
etliche Veranstaltungen zur Kulturbarbarei im Dritten Reich und
Solidaritätsaktionen mit den verfolgten deutschen LiteratInnen.
In der kurzen Zeit ihres Bestehens - bereits vor der behördlichen
Auflösung der Vereinigung am 2. März 1934 war eine Fortsetzung
der Tätigkeit spätestens seit dem 15. Februar 1934 nicht mehr
möglich — fand aber auch eine ganze Reihe von Lesungen und
Diskussionsabenden zu literarischen 'Ihemen statt.
Herbert Exenberger befasste sich Jahrzehnte seines Lebens
lang auch mit der Sammlung und Aufarbeitung des Materials
zur „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. Im Jahr 2000
publizierte er das Buch „Als stünd‘ die Welt in Flammen. Eine
Anthologie ermordeter sozialistischer SchriftstellerInnen“, welches
vom Verein zur Förderung und Erforschung antifaschistischer
Literatur herausgegeben wurde. In diesem wichtigen, leider schon
vergriffenen Buch konnte er jedoch nur einen relativ kleinen Teil
der Ergebnisse seiner umfassenden Recherchen veröffentlichen.
Von den insgesamt 53 Mitgliedern der Vereinigung finden sich
im Buch acht wieder.
In ihrer geoßen Mehrheit wurden die Mitglieder Opfer der
NS-Verfolgung, mussten ins Ausland flüchten, wo etliche im
Widerstand aktiv wurden, oder wurden in den Konzentrations¬
und Vernichtungslagern der Nazis ermordet. Manche blieben
in Nazideutschland, meist in Innerer Emigration und nur in
einzelnen Fällen den Machthabern sich anbiedernd.
Zu den Illusionen, die der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts
auf der Walstatt seiner Irrtümer begraben hat, gehört der Glaube
der Vorkriegszeit an die Macht der Kultur. Niemals hätte der in
der Zivilisation dieses Jahrhunderts großgewordene Europäer
es für möglich gehalten, daß ein Volk wie die Deutschen, nicht
einmal mehr die leere Form programmatischer Forderungen
wahrend, zu dem Niveau eines Wildenstammes herabsinken
könnte, der die besiegten Gegner mit asiatischer Grausamkeit
vertilgt: Niemals es für möglich gehalten, daß mitten im Herzen
Europas entmenschte Horden ihre sadistischen Triebe ungehin¬
dert austoben dürfen, daß der Blutrausch im Lande eines Kant
und eines Goethe seine Orgien feiert, und daß die Phantasien
krankhaft veranlagter Führer, die reif für die Zwangsjacke sind,
als „nationale Erhebung“ zu einer Wirklichkeit werden konnten,
die alle Bilder der danteschen Hölle verblassen läßt: Daß ein
Exenbergers äußerst umfangreiche Sammlung stellt einen ein¬
zigartigen Bestand dar. Nach dem viel zu frühen Tod Herbert
Exenbergers am 8. Oktober 2009 schenkte Sigrid Exenberger¬
Bernthaler dem Wunsch des Verstorbenen entsprechend die
Sammlung der Theodor Kramer Gesellschaft. Sie umfasst Erst¬
ausgaben der Buchpublikationen, Zeitungsausschnitte, Origi¬
nalmanuskripte, Fotos, Dokumente, Plakate, sowie ausführliche
Dokumentationen anderer Materialien zu den SchriftstellerInnen
der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. Um den Umfang
der Sammlung zu veranschaulichen: Sie umfasste, in verpacktem
Zustand, etwa drei Kubikmeter und wiegt etwa 400 Kilogramm.
Jetzt ist sie auf etwa acht Laufmetern aufgestellt. Nun gilt es, sie
interessierten Menschen und der Forschung zugänglich zu machen.
Dazu ist es erforderlich, den Bestand EDV-mäßig und archi¬
valisch aufzuarbeiten. Ebenso ist es zur Sicherung des Bestandes
erforderlich, Tausende von Schutzkopien bzw. Scans von Brief¬
und Manuskriptoriginalen anzufertigen (in Kooperation mit
Treventus—Mechatronics). 2014 wird man auf die Sammlung
über die Homepage der Theodor Kramer Gesellschaft (www.
theodorkramer.at) und des BSA (www.bsa.at) zugreifen können.
Parallel werden auch einige der AutorInnen der Vereinigung
neu publiziert, entweder in der ZW, so in der vorliegenden
Ausgabe Gedichte und ein Essay von Thekla Merwin, oder, in
Zusammenarbeit mit Adolf Opel, Romane und Kurzgeschichten
von Else Feldmann.
Das Projekt ist eine Kooperation zwischen dem Verein zur
Férderung und Erforschung antifaschistischer Literatur, dem
Bund Sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller
und KiinstlerInnen und der Theodor Kramer Gesellschaft; in
dem Projekt arbeiten Konstantin Kaiser, Brigitte Lehmann und
Alexander Emanuely zusammen. Bislang wird das Projekt vom
Zukunftsfonds der Republik Osterreich und dem Wissenschafts¬
referat der Stadt Wien gefördert.
Land mit 66 Millionen schreibenden und lesenden Menschen
sich widerstandslos in einen Blocksberg verwandeln läßt, wo
Satan seinen Sabbath feiert: Daß der Einzelmensch nur noch zu
einem Mannequin der Uniform herabgedrückt wurde und der
gemarterte Individualgeist sein Hakenkreuz stöhnend auf das
Golgatha der Menschheit schleppt: Daß der Schrecken des roten
Gespenstes, vor dem die Völker Europas in Angst gejagt wurden,
abgelöst wurde von einem Gegner, dem braunen, der in seiner
Furchtbarkeit alles übertrifft, was abzuwenden er sich vermaß:
Daß die Vergewaltigung der Freiheit auf 6ffentlichem Markte zu
einer täglichen Volksbelustigung geworden ist, die der Mob mit
seinem Siegesgeheul begleitet: Daß Deutschland das geworden
ist, was es heute ist: Ein Volk von Henkern und Delinquenten.
Wo ist sie, die „Stimme der Welt“, dieser Welt, die aufgebaut
wurde in tausenden Jahren gegenseitiger Arbeit, die einen Sokrates,