nationalistische Weltanschauung muss, wie gesagt, die Welt in das
eigene Gute und das fremde Böse schneiden. Damit muss die eigene
Truppe bei aller Bösartigkeit immer gut bleiben, das Schönreden
und Vertuschen liegt also im Wesen der Sache. Menschen, die ihre
Aggression, also ihr Böses, nicht gut integrieren können — und es
liegt in der Natur des Menschen, dass Liebe und Aggression in
uns vereint sind —, neigen besonders dazu, auf in Gut und Böse
spaltende Politiker abzufahren. Da die Aggressivität in Kärnten,
wie gezeigt, eine lange Tradition im nationalistischen Kampf hat,
ist davon auszugehen, dass diese sich in den Nachfahren nicht
leicht in einen gesunden Umgang mit menschlicher Aggression
wandelt. Und: Die nationalistische Politik produziert ein erstaun¬
liches Nichtwissen über die Anderen. Dieses Nichtwissen und das
Fortwirken von Aggressivität verhindern, dass Kärntner sich der
vielfältigen Traditionen und Möglichkeiten von Kärnten als Begeg¬
nungsraum von wichtigen europäischen Kulturen bewusst werden.
Diesen realistischen Pessimismus möchte ich miteiner unglaub¬
lichen Geschichte über die Kontinuität von politischen Symbolen
in Kärnten beschließen. Als Gauleiter Rainer 1945 die Macht
an die Kärntner Parteien übergab, soll er gesagt haben: „Passt
mir auf mein Kärnten auf!“ Dieser monomane und schrecklich
sentimentale Satz wurde nicht zufällig von Jörg Haider 1991 und
Uwe Scheuch 2012 wieder verwendet. Kärnten war das einzige
Land, in dem ein Gauleiter ganz offiziell die Macht an die neu
gebildeten Parteien übergab. Am 7.5.1945 verlautbarte Rainer
folgende Abschiedsadtresse:
Ich mache daher als Reichsstatthalter Platz, um jenen Kräften, die
der Auffassung unserer Feinde besser entsprechen, die Gelegenheit zur
Bildung einer politischen Plattform zu geben. Nationalsozialisten und
Nationalsozialistinnen! Ich danke euch für eure Treue zum Führer!
Seine Idee lebt in uns! Tretet jetzt alle geschlossen mit allen euren Kräften
ein für das freie und ungeteilte Kärnten?”
Obwohl die Briten die von Rainer eingesetzte Übergangsregie¬
rung nicht anerkannten, hat Rainers Beauftragung die Nachkriegs¬
geschichte Kärntens stärker geprägt als viele annehmen.
Als Haider wegen seines berühmten NS-Sagers (den ich mich ob
seiner historischen Dummheit weigere zu wiederholen), der seinen
Zweck im Angeln von Wahlerstimmen am rechten Rand hatte,
1991 zurücktreten musste, verabschiedete er sich mit Rainers „Passt
auf mein Kärnten auf!“ Für die rechtsextreme und deutschnationale
Klientel ein klares Signal, dass hier ein extremer Nationalist zum
Opfer gemacht worden war, und für den Rest der Welt der Hohn,
der beweist, dass Österreich noch keine stabile Demokratie ist.
Als Uwe Scheuch 2012 der Korruption gerichtlich überführt war,
übergab er nach ziemlichen Widerständen seine Macht an seinen
Bruder Kurt, und verabschiedete sich gleichfalls mit dem berüch¬
tigten Satz Haiders. Die Auffassung, dass sich nun das Kabarett
endgültig der Politik bemächtigt hätte, unterschätzt die Kraft der
politischen Symbolik und die Macht der Kärntner Kontinuitäten.
Bernhard Kuschey, geb. 1955 in Klagenfurt/Celovec, Studium Geschichte
und Sportwissenschaft in Wien. Vielseitig in politischen und kulturellen
Initiativen engagiert. Unterrichtet seit 1982 Geschichte an einem Wiener
Gymnasium. Studien u.a. zu Ernst und Hilde Federn, veröffentlichte zuletzt
die Doppelbiographie „Die Wodaks. Exil und Rückkehr“ (Wien 2008).
1 Vgl. Reinherd Schneider: Tatort Hypo Alpe Adria. Mit einem Vorwort
von Veit Heinichen. St. Pölten — Salzburg: Residenz Verlag 2010.
2 Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines fol¬
genreichen Konzepts. Frankfurt/Main — New York: Campus Verlag 1988.
3 Julius Deutsch: Aus Österreichs Revolution. Militärpolitische Erinnerun¬
gen. Wien 1921, S.71-77.
4 Janez Stergar, Danijel Grafenauer: Die Auswanderung von Österreichern
nach Jugoslawien nach der Kärntner Volksabstimmung 1920. In: Themen¬
schwerpunkt „Exil in Jugoslawien“. Hg. von Gabriele Anderl und Erwin
Köstler, in: Zwischenwelt, 27. Jg., Nr.1-2, August 2010, 5.29 — 33.
5 Wolfgang Graf: Österreichische SS — Generäle. Himmlers verlässliche
Vasallen. Klagenfurt/Celovec-Ljubljana/Laibach -Wien/Dunaj: Hermagoras
Verlag/Mohorjeva zalozba 2012, S.111.
6 Ebenda, S.119 ff.
7 Ebenda S.113.
8 Burz hat über die Analyse von Wahlergebnissen und Sozialdaten der Nazis
eine Studie zur NS-Bewegung in Kärnten versucht, die erstaunlich neutral
zu den Zielen dieser Bewegung bleibt. Ulfried Burz: Die nationalsozialisti¬
sche Bewegung in Kärnten (1918-1933). Vom Deutschnationalismus zum
Führerprinzip, Klagenfurt 1998.
9 Siehe: Zveza slovenskih iszseljencev/Verband ausgesiedelter Slowenen
(Hg.), Brigitte Entner, Augustin Malle (ur./red.): Pregon Koroskih Slovenec/
Die Vertreibung der Karntner Slowenen 1942. Zweite erweiterte Auflage,
Klagenfurt/Celovec: Drava 2012.
10 Siehe Bernhard Kuschey: Annäherung an die Vertreibung der Deutschen
aus Slowenien 1945. In: Zwischenwelt, 28.Jg.,Nr 1-2, Juni 2011, $.52-55.
11 Für die Veränderung in der slowenischen Bevölkerung Kärntens bieten
zwei Artikel aus dem Ihemenschwerpunkt „Exil aus Jugoslawien“ erste
Einblicke: Andrej Leben, Slowenische Exilliteratur der Jahre 1945-1949 in
Kärnten. In: Zwischenwelt, 28.Jg., Nr. 1-2, Juni 2011, S.43-47. Augustin
Malle: Die Karntner Slowenen und die politischen Emigranten aus Slowenien
1945-49. In: Ebenda, S. 47-52.
12 Josef Feldner, Marijan Sturm: Karnten neu denken. Zwei Kontrahenten
im Dialog. Hg. von Wilfried Graf und Gudrun Kramer. Klagenfurt/Celovec:
Drava und Verlag Johannes Heyn 2007.
13 Peter Pirker, Lisa Rettl: Ich war mit Freuden dabei. Der KZ-Arzt Sigbert
Ramsauer — Eine österreichische Geschichte. Wien 2012.
14 Nadja Danglmaier, Helga Stromberger: Tat - Orte. Schau - Plätze. Er¬
innerungsarbeit an den Stätten nationalsozialistischer Gewalt in Klagenfurt.
Klagenfurt/Celovec: Drava Verlag/Zalozba Drava 2009, S.138ff. und S.170.
15 Wilhelm Baum, Peter Gstettner, Hans Haider, Vinzenz Jobst, Peter
Pirker (Hg.): Das Buch der Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus in
Kärnten. Klagenfurt-Wien: Kitab -Verlag 2010.
16 Peter Handke: Immer noch Sturm. Berlin: Suhrkamp 2010.
17 Maja Haderlap: Engel des Vergessens, Roman. Göttingen: Wallstein
Verlag 2011.
18 Wilhelm Baum (Hg.): Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel. Das Ta¬
gebuch des Thomas Olip. Klagenfurt - Wien: Kitab Verlag 2010, S.139.
19 Ebenda, S.93 ff.
20 Ebenda, S.39.
21 Ebenda, S. 57 und S.125f.
22 Der Uberfall geschah am 27.4. 1943. Die Sage hatte Baracken und
Jungfer-Batterien fiir die Wehrmacht erzeugt. Die Partisanen hatten auch
sowjetische Zwangsarbeiter befreit. Ziele des Partisanenkampfes in Karnten
waren die Zerstörung der Rüstungsindustrie und die Bindung von militä¬
rischen Einheiten, zeitweise sollen hier 15.000 Mann gebunden gewesen
sein. Historikerkommission unter Valentin Inzko: Geschichte der Kärntner
Slowenen. Schulbuch. Klagenfurt/Celovec: Hermagoras Verlag 1988, S.111.
23 Jakob Rohr: Dienst- und Kriegserinnerungen eines Kärntner Oberförsters.
Manuskript, o. J., S. 103f. — Ich danke meinem Freund Reinhard Troper,
dass er mir das Manuskript seines Grofvaters überließ.
24 Ebenda, 105-114.
25 Ebenda, 26.
26 Ebenda, 122.
27 Ebenda, 99.
28 Siegfried Sorz: Kaufer Vollarier, Verkaufer Jiidin. In: Profil Nr. 24,
9.6.1986, S.22f, Erika Wantoch: Franz Löw, der Jude des Jörg Haider. In:
Profil, Nr. 43, 23.10.1989, S. 32-35.
29 Historikerkommission, Geschichte der Karntner Slowenen, S.112.