Du weifst,
wie die Mandeln blühn.
Und angelehnt sind
deine Türen.
Bist Du bereit
für den Tausch
von einer Minute Einsamkeit
gegen unfassbare Stunden
im Tee¬
Rausch?
Bist Du bereit
fiir das Ol vom Bergamotte-Baum,
Wurzeln treibend im Samowar?
Daniela Strigl
„Der Hurrikan / reißt alles fort“
Ich beginne mit vier Versen:
Ins Himmelblau die Rohstoffpreise steigen,
Als holde Boten junger Konjunktur.
Der Markt belebt sich schon, und schamhaft zeigen
Sich zarte Triebe börslicher Natur.
Dieses Bild ist gar nicht weit weg von unserer aktuellen medial
verbreiteten Erwartungshaltung. Weiter heißt es im Gedicht:
Und nur ein Kurs hält mit der Hausse nicht Schritt,
Nur eine Ware geht im Preis nicht mit
Und bleibt die billigste in jedem Land:
Das ist die AusschufSware, „Mensch“ genannt.
„Von der Käuflichkeit des Menschen“ lautet der Titel dieses Lehr¬
gedichts zwischen Bert Brecht und Kurt Tucholsky; der Mensch, so
wird hier im Kontext von Soyfers Mittelstück „Astoria“ behauptet,
sei grundsätzlich allzu leicht zu haben, die zynische Handlungs¬
anweisung geht so:
Zahl statt mit Geld mit faulen Idealen,
Der Mensch verschleudert sich um jeden Preis.
Denn seinesgleichen gibt es viel zu viele,
Er weiß es selbst und handelt auch danach
Und kennt den Kurs im großen Börsenspiele;
Der Geist ist billig, und das Fleisch ist schwach.
Bist Du bereit
für die Granatapfelröte?
Für Nasenrückenschweiß?
Ohne Arbeit.
Oder bist Du auch nur ein Kleinaktionär
der Zeit?
Du sagst immerzu:
Uniibersetzbar bist Du.
Uniibersetzbar sind deine Stunden.
In meine Stunden.
Von Ecevit Ari sind in ZW bisher erschienen: „Näzim Hikmet Ran.
Mein Herz schlägt im Gleichtakt mit dem entferntesten Stern“ und
Neutibersetzungen von Gedichten Nazim Hikmets in Nr. 3/2004,
sowie „Gedichte“ in Nr. 1-2/2008.
Der da spricht, ist Bösewicht: Er ist der Handlanger des astoria¬
nischen Staatsapparats, und er bekommt eine Antwort von den
wartenden Menschen, mit der Soyfer einmal mehr einen aktivis¬
tischen Kontrapunkt zur festgestellten Misere setzt:
Hast du kein Brot für uns, hast du kein Dach,
Stehn fordernd wir vor deinem Rechenpult.
Der Schuldner löst den Wechsel niemals ein.
Die Ware Mensch will nicht mehr Ware sein.
Die Kombination von illusionslosem Zeitbefund und scharfsich¬
tiger Diagnose mit einer plötzlichen Wendung ins Hoffnungs¬
volle, Aktionistische ist bezeichnend für Jura Soyfers durch und
durch politisch grundierte Lyrik. Diese Wendung erscheint nicht
selten sprunghaft und unmotiviert. Als wäre dem Dichter noch
rasch eingefallen, daß er sein Publikum nicht mit dieser bitteren
Wahrheit entlassen kann, daß er ihm noch etwas Tröstendes, Posi¬
tives, Aufrüttelndes mit aufden Weg geben muß. Am besten eine
Losung, etwas, was haften bleibt: „Die Ware Mensch will nicht
mehr Ware sein.“ Jura Soyfers Bild vom Menschen ist einerseits
gut marxistisch abgesichert. Marx und Engels haben im „Kommu¬
nistischen Manifest“ den Warencharakter des Menschen betont:
„Diese Arbeiter, die sich stückweis verkaufen müssen, sind eine
Ware wie jeder andere Handelsartikel ...“” Andererseits scheint
der Menschenbegriff Soyfers idealistisch-humanistisch geprägt:
der Mensch tritt auf als Potential, als etwas, was nur in Ansätzen
vorhanden, was ausbaufähig ist. Am prominentesten ist dieser
Gedanke in Soyfers „Lied des einfachen Menschen“ formuliert,