In der Besitzerwelt
wo man besitzen muß
um zu leben
bin ich
ein beinloser Krüppel
ohne Besitzlust.
Die Fauteuils
hängen an meinen Händen
die Wände
die mir gehören
erdrücken meine Gedanken
die Schränke
Geduldig hassend
trage ich
den Besitz
der mich besitzt.
Wie ein scheuer Gast
Im Nobelhotel
komm’ ich mir vor.
Langsam schleiche ich
Durch die blanken Parkette
Gedrungen, still.
Alle Türen sind geschlossen.
Ich muss irgendwem irgendwas sagen.
Reden. Erzählen.
Die verstehen meine Sprache nicht
und ich fürchte mich vor ihrer Sprache.
Tamar Radzyner. Foto: Nachlass/Asia Radzyner
Bei mir zu Hause
kann ich Worte wählen
und verzaubern
musizieren, spielen mit der Sprache.
So vieles möchte ich sagen
von der Angst
von der Unruhe
von der Dämmerung in fremden Zimmern.
Meine Kehle ist mit Worten schwanger
in Wehen geboren sind sie tot.
Wie ein stummer Gast
wie ein scheuer Gast
im Nobelhotel
komm’ ich mir vor
in der deutschen Sprache.
In den Texten junger AutorInnen erkenne ich meist das, was auch
für mich von Anfang an inspirierend gewesen war: den Wunsch,
die Welt schreibend zu erkunden, hinter die Kulissen des Offen¬
sichtlichen zu schauen, den Dingen auf den Grund zu gehen, zu
hinterfragen, gestalterisch einzugreifen. Das große Erstaunen ob
des Ergebnisses der eigenen künstlerischen Produktion, in der
die kreative Transformation der Welt hin zum Individuellen und
gleichsam Exemplarischen erkennbar wird, ist von Generation
zu Generation gleich, das Resultat dieser Transformation jedoch
immer ein anderes. Der Perspektivenwechsel rückt scheinbar
altbekannte Themen in ein anderes Licht, zeigt neue Wege und
Interpretationsmöglichkeiten auf. Ein guter Text ist sowohl für
die Schreibenden selbst als auch für LeserInnen eine Orientie¬
rungshilfe, doch niemals ein Wegweiser.
Gute Texte gelingen allerdings erst dann, wenn die jungen Autor¬
Innen erkennen, dass ftir Schreibende die anscheinend verfiigbare
Sprache ihren Widerstand offenbaren muss. Sofern sie sich nicht
mit bloßer Mitteilung begnügen wollen, suchen sie diesen Wi¬
derstand auf den verschiedensten Wegen herauszufordern. Einer
davon ist die Reduktion, die Auswahl dessen, was gesagt und was
ausgelassen wird. Dabei werden im Optimalfall, wie Herta Müller
in ihrem Essayband Der König verneigt sich und tötet schreibt, die
Gedanken der LeserInnen dorthin gezogen, „wo sich keine Worte
aufhalten können. [...] Jeder gute Satz mündet im Kopf dorthin,
wo das, was er auslöst, anders mit sich spricht als in Worten.“
Die vorliegenden beiden Texte von zwei jungen Autorinnen sind
Beispiele dafür, wie das gelingen kann...