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In jener Zeit setzte er sich intensiv mit der christlichen Religion
auseinander und publizierte 1931 das Werk Die protestantische und
katholische Konfession in Ursprung und Entwicklung der modernen
deutschen Literatur. In Anbetracht der politischen Ereignisse in
Österreich sah Carpeaux in der katholischen Kirche die „einzige
Rettung vor den Gräueln des Kapitalismus und der Revolution“.
Dies erklärt seine Konversion zum Katholizismus im Jahre 1932, in
deren Folge er den Namen Maria annahm. Dieser Schritt brachte
ihn enger an den politischen Katholizismus und das herrschende
austrofaschistische Regime unter Führung von Engelbert Doll¬
fuß heran. Er übernahm die Leitung der Literaturredaktion der
christlich-sozialen Reichspost und wurde Mitarbeiter der Zeitschrift
Der christliche Ständestaat.

Der 1935 unter dem Pseudonym Otto Maria Fidelis veröffent¬
lichte Essay Österreichs europäische Sendung. Ein aufßenpolitischer
Überblick ist Ausdruck der damals in Österreich vertretenen aus¬
trofaschistischen Ideologie, als deren glühender Verfechter sich
Carpeaux damit erwies. Unter dem Eindruck des gescheiterten
Putsches der österreichischen Nationalsozialisten 1934 verteidigte
er die zunehmend bedrohte Unabhängigkeit des Landes, weil
Österreich dem Deutschtum gerade in diesen Zeiten den wert¬
vollen und positiven Dienst leiste, „dass es durch seine deutsche
Existenz die Welt davor bewahrt, das Deutschtum mit jedem
Übergriff, jeder Brutalität und Lächerlichkeit des Nationalsozi¬
alismus zu identifizieren“.* Voller Überzeugung und nicht ohne
Stolz verkündete Carpeaux: „Wir Österreicher glauben mit der
Bewahrung unserer Katholizität und Weltaufgeschlossenheit schr

gute, wenn nicht bessere Deutsche zu sein.“

Aufgrund des politischen Engagements und der jüdischen Her¬
kunft waren Carpeaux und seine Frau gezwungen, Österreich
unmittelbar nach dem „Anschluss“ noch im März 1938 zu ver¬
lassen. Dem Ehepaar gelang die Flucht nach Belgien. Dort setzte
sich Carpeaux auch weiterhin für die österreichische Sache ein.
Bereits im Juli 1938 veröffentlichte er in flämischer Sprache unter
dem Pseudonym Leopold Wiesinger das populärgeschichtliche
Buch Van Habsburg tot Hitler. Ferner wurde er als Mitarbeiter
der Gazet van Antwerpen erneut publizistisch tätig.

Den guten Kontakten zur Kirchenhierarchie verdankte das
Ehepaar die geglückte Flucht aus Europa. Pater Ambros Pfifhg
aus Utrecht informierte es über die im Juni 1939 von Brasilien
als katholisches Land auf Bitten von Papst Pius XII. bewilligte
Vergabe von 3.000 Visa an sogenannte „nichtarische“ Katholi¬
ken.° Dank des Hinweises von Pater Ambros Pfiffig erhielt das
Ehepaar am 25. Juli 1939 das rettende Visum - ein Privileg, das
nur wenigen zuteil wurde, denn die vollständige Durchführung
der Vergabe der 3.000 Visa scheiterte an der in den damaligen
brasilianischen Regierungs- und Diplomatenkreisen verbreiteten
antisemitischen Anschauung und vor allem an der ablehnenden
Haltung der Diplomaten in Hamburg und Berlin. Letzten Endes
wurde lediglich weniger als ein Drittel der Visa erteilt.”

Im September 1939 kamen Carpeaux und seine Frau in Rio
de Janeiro an. In Brasilien versuchte sich das Ehepaar zunächst
in Roländia, einer 1932 gegründeten Kolonie im Bundesstaat in
Parana, in der während des Zweiten Weltkrieges ca. 80 Familien
Zuflucht vor den nationalsozialistischen Verfolgungen fanden,
und in Säo Paulo vergebens eine neue Existenz aufzubauen. Der
berufliche Anfang gestaltete sich schwierig für den deutschspra¬
chigen Publizisten. Er dachte sogar daran, nach Mexiko zu ge¬
hen.° Im September 1940 beklagte er sich bei Alvaro Lins, dem

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namhaften Literaturkritiker und damaligen Chefredakteur des
Correio da Manha:

(Hier wird das Ungliick, wirtschaftlich diskriminiert und von
einer Geisteswelt abgelehnt zu werden, die sich nicht für mich inte¬
ressiert, von der Traurigkeit verdoppelt, mit anderen Einwanderern
verwechselt zu werden, die eher Handlungsreisende zu sein scheinen,
und deren ‚intellektueller‘ Vertreter, ein gewisser Zweig, es fertigbringt,
alle Ehrerbietung dieser Intellektuellen auf sich zu vereinen.

Nachdem Carpeaux Lins seine prekäre finanzielle Situation
geschildert hatte, lud dieser ihn im Frühjahr 1941 ein, einen
Literaturbeitrag für den Correio da Manhä zu schreiben, und
stellte damit die Weichen für die Wende in Carpeaux’ Leben in
Brasilien. (Ein Jahr später sollte er zudem Leiter der Bibliothek
der Philosophischen Fakultät und der Fundacao Gettlio Vargas
werden.) Dass das Erlernen der portugiesischen Sprache eine
unerlässliche Voraussetzung für eine Anerkennung seitens der
brasilianischen Intellektuellen war, hatte Carpeaux früh erkannt.
Doch „(s)ich eine völlig unbekannte Sprache im Alter von 40 Jah¬
ren soweit anzueignen, dass man sie fehlerfrei in Wort und Schrift
beherrscht, war eine der härtesten Prüfungen meines Lebens. Aber
sie hat sich gelohnt: Denn sie öffnete mir schließlich die Türen
zum brasilianischen Leben.“' In diesem Sinn kündigte Lins ihn
im April 1941 als „einen neuen Kameraden“! an.

Ich bin sicher, dass Otto Maria Carpeaux einen neuen Lebensstrom
voller Ideen, Lehren und moralischer und intellektueller Gedanken in
unserem literarischen Milieu darstellt. Aber vor allem möchte ich, dass
er von den brasilianischen Schriftstellern als Gefährte und Kamerad
angesehen wird. Er, der wie ein Meister behandelt zu werden ver¬
langen könnte, wird dieses brüderliche Zusammengehörigkeitsgefühl
annehmen. Und er wird sicherlich kein Fremder unter uns sein.”

Tatsächlich gelang es ihm schnell, die brasilianische Leserschaft
zu erobern. Er führte sich ein mit einem Artikel über einen Schrift¬
steller, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in Europa einem
breiteren Publikum bekannt war: Franz Kafka. In der Folge machte
Otto Maria Carpeaux die brasilianischen Leser auch mit anderen
bis dahin kaum bekannten Namen vertraut, wie z.B. Jakob Was¬
sermann, Robert Musil, Georg Biichner, Arthur Koestler, und trug
maßgeblich zu ihrer verstärkten Rezeption in Brasilien bei. Diese
Rolle des Vermittlers der deutschen Literatur und Kultur musste
ihm fast zwangsläufig zuteil werden, da das Brasilien jener Jahre schr
stark nach Frankreich ausgerichtet und von dessen Einflüssen ge¬
prägt war. Carpeaux trug dem hohen Stellenwert der französischen
Kultur in der brasilianischen Gesellschaft Rechnung, indem er sich
„Carpeaux“ nannte. Er glaubte, sein deutscher Name „Karpfen“
könnte sich in beruflicher Hinsicht als Hindernis erweisen. Mit
seinen feuilletonistischen Arbeiten setzte Carpeaux stilistisch neue
Maßstäbe in der brasilianischen Presse. Sein Stil war

sehr persönlich, sehr direkt, sehr dicht. Die Kenntnis so vieler tief
verinnerlichter Sprachen und Literaturen verleiht ihm darüber hinaus
ein Höchstmaß an Diversität und Konzentration. Es ist festzustellen,
dass es ein präziser, lebendiger und leidenschaftlicher Stil ist, bisweilen

Jorsch und rau. Vor allem in letzterem spiegelt sich das Temperament
eines Nonkonformisten, eines Pamphletisten und eines Debattanten
wider. Das Temperament eines Mannes, der sich im Monolog oder
Dialog immer in einer Kampfeshaltung befindet, sei es im inneren
Kampf mit sich selbst, sei es im dufseren Kampf gegen seine Gegner.'*

Bald war er in die brasilianischen Intellektuellenkreise aufge¬
nommen. Eine ganze Generation von Kiinstlern und Denkern
sollte später sagen: