der in Folge keine weiteren Beiträge in der Zeitschrift publizie¬
ren sollte, ausgerechnet zum Surrealismus gekommen ist. Dass
er Psychoanalytiker war, hilft sein Interesse zu verstehen, weiß
man doch vom Nahverhältnis, welches viele SurrealistInnen zur
Psychoanalyse hatten. So waren es vor allem SurrealistInnen, wie
Pierre Naville oder Jacques Lacan, aber vor allem der ehemalige
Medizinstudent André Breton, welche viel zur Verbreitung der
Psychoanalyse in Frankreich beigetragen hatten.
Das Privatleben Theon Spanudis lässt einige Schlüsse zu. Er
und die in Graz aufgewachsene Schweizerin Susanne Wenger
waren ab 1938 für einige Jahre ein Paar. Beide wollten, Susanne
Wengers Aussage zufolge, sogar heiraten. Doch daraus wurde
nichts, auch weil die Künstlerin angeblich keine Analyse ma¬
chen wollte.” Was den Surrealismus betrifft, so war Susanne
Wenger, neben der seit 1936 in Paris lebenden Grete Freist, die
einzige namhafte österreichische Künstlerin der 1930er- und
1940er-Jahre, die als Surrealistin bezeichnet werden kann. Ihre
während der Nazi-Zeit entstandenen surrealistischen Zeichnun¬
gen publizierte der „Plan“ 1946”. Neben Maria Biljan-Bilger
gehörte auch Goldy Matthey, nach 1945 mit Paul Parin eine der
BegründerInnen der Ethnopsychoanalyse, zu Susanne Wengers
engstem Freundeskreis, und so wie Susanne Wenger war auch
Goldy Matthey eine Grazer Schweizerin. Sie hatten beide an
der Grazer Kunstgewerbeschule studiert, doch während Susanne
Wenger nach Wien an die Akademie ging, musste Goldy Matthey
aus der finanziellen Not heraus eine medizinische Ausbildung zur
Labor- und Röntgenassistentin machen. 1933 bis 1934 arbeitete
sie, bevor sie Röntgenassistentin im Grazer Universitatsspital
wurde, in Wien als Erzieherin mit August Aichhorn und Rosa
Dworschak zusammen. 1936 wird sie als medizinische Fachkraft
mit den Internationalen Brigaden in Spanien und 1944 als eben
solche mit der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee kämpfen.
Ihr Cousin war Maria Biljan-Bilgers Ehemann Ferdinand Bilger,
der ebenfalls in Spanien kämpfte. Zu ihrem und seinem Grazer
Freundeskreis gehörte auch Herbert Eichholzer.
In diesem Umfeld, in dem sich auch Iheon Spanudis bewegte,
trafen die Welten der Psychoanalyse und die der ersten „Plan“¬
Redaktion zusammen. Man kann vermuten, dass unter den
MusikerInnen, die er während seines Kompositionsstudiums
oder seiner Opernbesuche kennen lernte, auch Rosa Dworschak
war. Jedenfalls hat er für sie nach dem Krieg ein Libretto für ihre
Oper „Das Feuerlied“ verfasst. „Das Feuerlied“ beruht auf dem
Märchen, welches ihm eine indische Fürsorgerin bei einer Fahrt
über den Genfer See erzählt hatte. In dem Märchen geht es um
ein Liebeslied, das so schön ist, dass es jeder, jede, obwohl man
beim Zuhören stirbt, hören will. Über Rosa Dworschak könnte
Theon Spanudis zu August Aichhorn gekommen sein, dann zu
Goldy Matthey, und über diese in den Kreis linker und antifaschis¬
tischer KünstlerInnen um Susanne Wenger, Maria Biljan-Bilger,
Ferdinand Bilger. Hier hatte man sich wohl schon lange vor 1938
oder 1946 mit dem Surrealismus beschäftigt.
Doch bald verschwand der allzu linksgerichtete Surrealismus
aus Wien, um einem phantastischen und zugleich unpolitischen
Realismus, einem Art-Club der Professoren, einer Wiener Gruppe,
die andere Interessen hatte, Platz zu machen. Die SurrealistInnen
verließen Wien, Edgar Jené zog Ende 1948 zu seinem Freund
André Breton nach Paris, zur gleichen Zeit zog auch Paul Ce¬
lan dorthin, wo er partout nichts mehr mit dem Surrealismus
zu tun haben wollte.” Susanne Wenger sollte 1949 ebenfalls
nach Paris, dann aber bald weiter nach Nigeria ziehen, wo sie als
Youruba-Priesterin und Künstlerin weltberühmt werden sollte.
Die erste Ausgabe der „Surrealistischen Publikationen“ erschien
noch 1950 in Klagenfurt, die zweite und letzte dann in Paris.
Die 23-jährige Hertha Kräftner kam nach einem kurzen Paris¬
aufenthalt nach Wien zurück und verübte 1951 Selbstmord ...
Wien war kein guter Boden für Menschen mit Phantasie und
Hoffnung, und so hielt auch Iheon Spanudis, nachdem August
Aichhorn 1948 verstorben war und Otto Fleischmann die Stadt
bald verlassen wollte, nichts mehr in Wien. Eine Rückkehr nach
Griechenland war wegen des Bürgerkriegs, der noch bis Oktober
1949 das Land verwüsten sollte, unmöglich, wie erhofft in die
USA auszuwandern wegen der strengen Quotenregelung ebenfalls.
1949 fand in Zürich, nach elf Jahren Unterbrechung, wieder ein
Kongress der „Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung“
statt. Theon Spanudis nahm teil und trafbei der Gelegenheit wohl
die inzwischen in Zürich lebende Goldy Matthéy. Sie war kurz
davor, ihre Lehranalyse bei Rudolf Brun, einem der wichtigsten
Vertreter der „bio-psychologischen Anschauungen“, abzuschließen
und Mitglied in der „Schweizer Psychoanalytischen Vereinigung“
zu werden. Mit ihrem Lebensgefährten und zukünftigen Ehemann
Paul Parin und mit Fritz Morgenthaler, beide waren Mitkämpfer in
Jugoslawien gewesen, eröffnete sie eine psychoanalytische Gemein¬
schaftspraxis. Theon Spanudis lernte jedenfalls auf dem Kongress
brasilianische KollegInnen kennen, erfuhr, dass die Sociedade
Brasileira de Psicandlise de Säo Paulo, von der 1936 aus Deutsch¬
land vertriebenen Psychoanalytikerin Adelheid Koch gegründet
und geleitet, einen Lehranalytiker suchte, und beschloss, mit
einem Empfehlungsschreiben von Otto Fleischmann ausgestattet,
nach Brasilien, nach Säo Paulo auszuwandern. Er hatte bald viele
PatientInnen und bereicherte mit seiner und Rudolf Bruns „Sicht
der Psychoanalyse als [eine] ,biopsychologische Wissenschaft“
die Psychoanalyse in Brasilien, welche bis dahin eher von Melanie
Kleins Objektbeziehungstheorie geprägt worden war.
Theon Spanudis verdiente in Säo Paulo mit seinen PatientInnen
und seinen LehranalysantInnen recht gut, hatte aber kaum Zeit,
sich einer künstlerischen Tätigkeit zu widmen. Dafür aber begann
er bald eine Kunstsammlung aufzubauen, eine der bedeutends¬
ten Privatsammlungen Brasiliens, die binnen 20 Jahren auf über
453 Kunstwerke anwuchs: Bilder von Alfredo Volpi, Mitglied
der Künstlergruppe Santa Helena und wichtiger Vertreter der
brasilianischen Moderne, von Eleonore Koch, der Tochter von
Adelheid Koch, von Mira Schendel, welche die Verfolgungen in
Europa nur knapp überlebt und sich 1949 als Displaced Person
in Brasilien wiedergefunden hatte. 1979 wird Theon Spanudis
seine Sammlung dem Museum Moderner Kunst der Universität
von Säo Paulo schenken’".
1951 heiratete er die Klagenfurterin Linda Hödl, die an der
Angewandten in Wien bei Oswald Haeritl studiert hatte?”. Lin¬
da Hödl war, Adolph Opel zufolge, der sie als ihr Nachbar gut
gekannt hat, wie ihre Freundin Maria Biljan-Bilger und viele
Leute aus dem „Plan“-Umfeld Stammgast im Strohkoffer, dem
Refugium der Wiener Avantgarde der ersten Nachkriegsjahre.”
Dort dürften sie und Theon Spanudis einander begegnet sein.
Er holte seine eben per Fernhochzeit geheiratete Gattin nach
Brasilien, wo die Ehe jedoch bald wieder geschieden wurde. Was
vor allem im Wien der Nazizeit, aber auch vor den KollegInnen