dem Guerillero-Gentleman“, reichte. 1964 trat Ferreira Gullar
demonstrativ der kommunistischen Partei bei. 1968, nachdem es
zu Protesten der Studierenden gekommen war, sollte er, wie viele
Intellektuelle, darunter Gilberto Gil, verhaftet werden und dann
mehrere Jahre im Exil verbringen, zuerst in Allendes Chile, dann
in Argentinien, schließlich in Peru. Theon Spanudis flüchtete
nicht, doch begann er, wie schon erwähnt, Anfang der 1960er¬
Jahre, immer häufiger an schizophrenen Schüben zu leiden. Sein
Bruder Solon Spanoudis ließ ihn in die Psychiatrie einweisen,
wo Iheon Spanudis mit Insulinschocks behandelt wurde. Man
kann sich die Frage stellen, ob sich in der Erkrankung nur die
Traumatisierung aus der Kindheit, der Schock von Smyrna ma¬
nifestierte, oder ob sich in ihr nicht auch die reale Gefahr der
Militärdiktatur widerspiegelte? Immerhin hat Theon Spanudis
immer wieder erleben müssen, so wie 1934 und 1938 in Wien,
wie Faschisten an die Macht kamen. Der Bürgerkrieg 1946 bis
1949 und der Militärputsch 1967 in Griechenland haben sicher
auch nicht gerade seine Zuversicht, dass einmal langfristig bessere
Zeiten anbrechen könnten, gestärkt. Die Militärs in Brasilien
führten zwar kein offen faschistisches Regime ein, doch wur¬
den sie von z.B. Plinio Salgado, der 1931 die faschistische Partei
Brasiliens, die Agdo Integralista Brasileira gegründet hatte, und
dessen Anhängerlnnen unterstützt. Auch kamen zwei der drei
Junta-Offiziere von 1969, Admiral Augusto Rademaker und der
General der Luftwaffe Märcio de Souza Mello, aus Salgados Partei.
Unter diesen Leuten herrschte im Land jedenfalls 20 Jahre lang
die ditadura escancarada, „ein unverhüllt autoritäres Regime““'.
Erst ab Mitte der 1970er-Jahre ließ die Brutalität der Diktatur
etwas nach, und es verschwanden nicht mehr so viele Menschen
in den Folterkammern, einige, wie Ferreira Gullar, konnten sogar
aus ihrem Exil zurückkehren.
Theon Spanudis fühlte sich verfolgt und bedroht, von seinen
NachbarInnen beobachtet, und hatte wohl auch die Befürchtung,
dass er wegen seiner Ideen oder Schriften oder Freundschaften
verhaftet werden könnte. Theon Spanudis stiftete schließlich seine
Kunstsammlung 1979 dem 1962 gegründeten Museum Moderner
Kunst der Universität von Säo Paulo, die als eine Hochburg der
Opposition gegen die Militärs galt. Er gab seine Wohnung auf
und zog zu seiner Mutter, wo er auf dem Sofa schlief. Er über¬
lebte Clio Vulgaris Spanoudis nur um ein Jahr und starb am 12.
September 1986, dem Tag, an dem Smyrna 1922 niedergebrannt
wurde, in Säo Paulo. In einer seiner späteren Erzählungen heißt
es, die letzten Jahre seines Lebens beschreibend:
Wir sind zwar alt geworden und am Rande der Existenz angekom¬
men, auf den Klippen des Abgrundes. Wir sind zwar altersschwach
geworden und unsere dialektische Spitzfindigkeit hat sich abgenutzt.
Aber noch immer kämpfen wir für unsere Ideale, insbesondere für
die Freiheit, ich mit meiner Schelle, indem ich den Aufruhr gegen
alle Papageien und gegen böse Stadthalter anführe [...] Wir sind die
roten Kardiniile.*
1 René Ferriot: Junge Dichtung in Frankreich. In: Plan. Erstes Jahr, viertes
Heft, Februar 1946, 329.
2 Bibliographische Notiz. In: Plan. Erstes Jahr, erstes Heft, Oktober 1945. 78f.
3 ebenda.
4 Max Blaeulich: Nachwort. In: Hertha Kräftner: Kühle Sterne. Gedichte.
Prosa, Briefe. Klagenfurt 1997, 364.
5 Friedrich Herr: Nachwort. In: Franz Werfel: Eine blaßblaue Frauenschrift.
Frankfurt/M. 1977, 173.
6 Marcus G. Patka: Die Rückkehr der Farben. In: ZW 1/2013, 49.
7 Christian Teissl: Nachwort. In: Otto Basil: Schon sind wir Mund und
Urne. Ausgewählte Gedichte. Aachen, Wien 2008, 88.
8 Günter Eisenhut, Peter Weibel (Hg.): Moderne in dunkler Zeit. Widerstand,
Verfolgung und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler 1933-1945.
Graz 2001, 327.
9 vgl. ebenda 500.
10 ebenda.
11 Iheon Spanudis: Was ist Surrealismus? (Versuch einer Deutung). In:
Plan. Erstes Jahr, fünftes Heft, März-April 1946, 436.
12 Kurzbiographien. In: Plan. Erstes Jahr, sechstes Heft, Mai-Juni 1946, 529.
13 Das meisten biografischen Informationen in diesem Beitrag stammen
aus folgenden beiden Artikel: Karl Fallend: Abgerissene Fäden. Psychoana¬
lyse in Österreich nach 1938. Biographische Einsichten. In: Werkblatt 51.
Psychoanalyse und Gesellschaft. Heft 2/2003, 20. Jg., 78-119. Und: Hans
Füchtner: Theon Spanudis und Solon Spanoudis. Zwei griechische Analy¬
sanden August Aichhorns in Brasilien. In: Werkblatt 57. Psychoanalyse und
Gesellschaft. Heft 2/2006, 23. Jahrgang, 83-106.
14 Birgit Johler: Patientenkalender als Quelle: Die Praxis des Wiener Psycho¬
analytikers August Aichhorn 1937-1946. In Mitchell G. Ash (Hg.): Materi¬
alien zur Geschichte der Psychoanalyse in Wien 1938-1945. Frankfurt/M.
2012, 218.
15 Thomas Aichhorn: Beiträge zu Leben und Werk August Aichhorns. In
M.G. Ash (Hg.): Materialien zur Geschichte der Psychoanalyse in Wien
1938 — 1945. Frankfurt/M. 2012, 567.
16 Elisabeth Brainin: Überlegungen zur Beschäftigung mit Überlebenden.
In Ernst Berger (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer
der NS-Sozialverwaltung. Wien 2007, 358.
17 Birgit Johler: Patientenkalender als Quelle: Die Praxis des Wiener Psycho¬
analytikers August Aichhorn 1937-1946. In M.G. Ash (Hg.): Materialien
zur Geschichte der Psychoanalyse in Wien 1938 — 1945. Frankfurt/M.
2012, 254f.
18 ebenda.
19 vgl. Wolfgang Berner: Wilhelm Graf Solms zu Rödelheim zum Geden¬
ken. In: Bulletin. Zeitschrift der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung.
Nr. 7/1996, 77-97.
20 Birgit Johler: Patientenkalender als Quelle: Die Praxis des Wiener Psycho¬
analytikers August Aichhorn 1937-1946. In M.G. Ash (Hg.): Materialien zur
Geschichte der Psychoanalyse in Wien 1938-1945. Frankfurt IM. 2012, 260f.
21 Wilhelm Solms-Rödelheim: Psychoanalyse in Österreich. In Eicke, Die¬
ter (Hg.): Die Psychoanalyse des 20. Jahrhunderts, Bd. II, Freud und die
Folgen (D). Zürich 1976, 1180-1191. Zit in: B. Johler, wie Anm. 17, 256.
22 vgl. Ella Lingens: Eine Frau im Konzentrationslager. Wien 1966.
23 August Aichhorn: Die Wiener Psychoanalytische Vereinigung. In: Wort
und Tat. Juli 1947, 111.
24 M.G. Ash (Hg.): Materialien zur Geschichte der Psychoanalyse in Wien
1938-1945. Frankfurt/M. 2012, 403f.
25 Phone eleuthere. He eleuthere phone. Dekapenthemero organo tes Hel¬
lenikes antifasistikes organoses Biennes. (Verantwortl. Chefred.: Seraphim
Bachataridis.) Etos (Jg.) A‘. B‘. (1. [2.]) Ar. phyl. 1-33: [Mehr nicht erschie¬
nen.) Bienne Wien: Griech. antifaschist. Komitee, 1946-1948.
26 vgl. Winfried R. Garscha und Claudia Kuretsidis-Haider: Die Räumung
der Justizhaftanstalten 1945 als Gegenstand von Nachkriegsprozessen — am
Beispiel des Volksgerichtsverfahrens gegen Leo Pilz und 14 weitere Angeklagte.
In: Gerhard Jagschitz, Wolfgang Neugebauer (Hg.), Stein, 6.April 1945. Das
Urteil des Volksgerichts Wien (August 1946) gegen die Verantwortlichen
des Massakers im Zuchthaus Stein. Wien 1995, 12-13. http://www.doew.
at/cms/download/e1066/stein_einleit2.pdf (1.10.2013).
27 Günter Eisenhut, Peter Weibel (Hg.): Moderne in dunkler Zeit. Wider¬
stand, Verfolgung und Exil sterischer Künstlerinnen und Künstler 1933¬
1945. Graz 2001, 502.
28 In: Plan. Erstes Jahr, drittes Heft, Dezember-Jänner 1945/46.
29 Vgl. Barbara Wiedemann: Der Blick von Paris nach Osten. In: Peter
Goßen, Marcus G. Patka: >Displaced<. Paul Celan in Wien 1947-1948.
Frankfurt/M. 2001, 139-153.
30 H. Füchtner, wie Anm. 13, 89.
31 Alfredo, Eleonore, Fang e Mira: Aspectos da Pintura na Colegäo Iheon
Spanudis hetp://www.mac.usp.br/mac/EXPOSI%C7OES/2011/Theon_Spa¬