-htm (11.10.2013).
32 Marino Valdez: Linda Hödl: Schmuck, Design und Goldschmiedekunst.
on Vernissage. Oktober 1983, 9.
33 Mehr zum Strohkoffer in der letzten ZW: Marcus G. Patka: Die Rückkher
der Farben. In ZW 1/2013, 49.
34 H. Füchtner, wie Anm.13, 100.
35 Die Informationen über Linda Hödl stammen aus einem Gespräch mit
Adolf Opel im September 2013.
36 H. Füchtner, wie Anm.13, 96.
37 Iheon Spanudis: Skizzen und Klänge. München 1975, 367.
38 Das Verlangen nach Form — O Desejo da Forma. Neoconcretismo und
zeitgenössische Kunst aus Brasilien. Ausstellung in der Akademie der Künste,
Berlin, 2010. http://www.adk.de/de/projekte/2010/brasilien/ausstellung.
htm (1.10.2013).
39 Auszug Manifesto Neoconcreto, 23. März 1959, Jornal do Brasil, Supple¬
mento, Gestaltung: Amilcar de Castro. http://www.adk.de/de/projekte/2010/
brasilien/ausstellung.htm (1.10.2013).
40 Carlos Fraenkel: Gentleman & Guerillero. Zur Geschichte der brasili¬
anischen Militärdiktatur von 1964 bis 1985. In: Lettre International. 102.
Herbst 2013. 30-32.
41 ebenda.
42 Theon Spanudis: Skizzen und Klänge. München 1975, 365.
Ich weiß nicht, in welcher Form ich das Licht der Welt erblickte.
Aber eines weiß ich: Als meine Mutter aus dem Krankenhaus der
Barmherzigen Brüder, in der Wiener Leopoldstadt, mit mir nach
Hause kam, fragte mein damals vier Jahre alter Bruder: „Wozu
brauchen wir das Baby?“ Wußte er damals schon, wie angebracht
seine Frage war? Freilich könnte man sagen, dass er sie aus reiner
Eifersucht stellte. Aber wie Recht hatte er mit ihr! Wozu brauchte
eine jüdische Familie im Mai 1938 in Wien ein Kind auf die Welt
zu bringen? Als ich gezeugt wurde, war Österreich noch ein freies
Land, das allerdings unter einer faschistischen Diktatur stand. Im
Mai 1938 war der „Anschluss“ schon vollzogen. Wien wurde zu
einer Stadt voller Hakenkreuze. Hitler war in Wien triumphalisch
eingezogen. Seine Anbeter waren über die Maßen erfreut, endlich
ein Teil des Deutschen Reiches geworden zu sein.
Die Juden in Wien bekamen sofort zu spüren, was das für sie
bedeutete. Mein Bruder erinnert sich an wenige Dinge aus jener
Zeit. Zum Beispiel an folgende Episode. Eine Meldepflicht für
Juden dürfte kurz nach dem Anschluss eingeführt worden sein.
Eines Tages versäumte mein Vater einen bestimmten Tag, um
sich zu melden, und ging erst am nächsten Tag zur Meldestel¬
le. Diesmal führte er meinen Bruder an der Hand. Der dort
amtierende Beamte sagte ihm, dass er eigentlich festgenommen
werden sollte, aber dass er, wegen des netten Bubens, den er an
der Hand führe, die verspätete Meldung annehme. Also rettete
mein Bruder unseren Vater vor dem Gefängnis, und dadurch vor
viel schlimmeren Dingen.
Die „Reichskristallnacht“ kam einige Wochen nach meiner
Geburt. Wir wohnten in der Großen Mohrengasse 44. Mein Vater
hatte eine kleine Parfümerie in der Praterstraße 36. Sicherlich
wurden auch bei ihm die Scheiben des Schaufensters zerschla¬
gen. Warum sollte es ihm erspart bleiben? Das Haus, in dem
wir wohnten, steht heute noch und sieht ungefähr so aus, wie es
damals aussah, erzählt mein Bruder. Im Laden des Erdgeschosses
gibt es heute ein schwules Nachtlokal. Das gab es 1938 sicherlich
nicht. Aber das Haus steht noch. Dort, wo die Parfümerie meines
Vaters war, steht heute ein Laden leer und sieht dem damaligen
meines Vaters sicherlich nicht ähnlich.
Als ich 1973 erstmals nach unserer „Emigration“ wieder in Wien
war, bot die Leopoldstadt ein sehr trauriges Bild. Dieses Bild hat
sich in den letzen Jahren schr günstig verändert.
Ich benutze das Wort „Emigration“ schr bewusst. Denn das war
das Wort, das meine Eltern und ihre Freunde im Exil benutzten.
Sie vermieden das Wort „Exil“ oder „Verbannung“. Sie verstanden
sich als „Emigranten“, sie wollten vergessen, dass sie nicht freiwillig
dorthin gekommen waren, wo man sie aufgenommen hatte. Die
meisten dachten nicht daran, ins damalige Wien zurückzukehren,
vielleicht würden sie es ins heutige Wien tun.
Hier soll es aber nicht um das heutige Wien gehen, um die
heutige Leopoldstadt, sondern um die aus dem Ende der drei¬
Biger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Da ich zu jener Zeit noch
keine eigenen Erinnerungen behalten konnte, kann ich nur das
erzählen, was ich aus dem Munde meiner Eltern, meines Bruders
und anderer Verwandter gehört habe.
Wir waren eine fromme jüdische Familie. Bei uns wurde koscher
gekocht und gegessen. Am Samstag, den wir Schabbes nannten,
wurde nicht gearbeitet, es wurden keinerlei Lichter angemacht.
Freitag abends wurden von der Mutter Kerzen angezündet, die
bis zur Rückkehr aus der Synagoge brennen sollten, damit man
beim Abendmahl noch etwas schen konnte. Das Mittagessen des
Schabbes wurde schon am Vortag vorbereitet, in Töpfen aufbe¬
wahrt, die in Wolldecken und Zeitungspapier eingepackt wurden,
damit die Speisen zum Mittagsessen des Schabbes noch warm
wären. Sie waren es auch. Nicht heiß, nicht lau, sondern richtig
warm. Diese Gewohnheiten meiner Familie habe ich während
meiner Kindheit in Buenos Aires, der Stadt, in der wir unsere
„Emigration“ verbringen sollten, erlebt. Deswegen meine ich,
dass sie auch in Wien, der Stadt, in der ich geboren wurde, ein¬
gehalten wurden.
Mein Vater, Moses Sperber, war 1882 in Horodenka, einem
Dorf in der Nahe von Czernowitz, geboren. Zur Zeit der Geburt
meines Vaters und selbst bis zum Ende des 1. Weltkriegs wur¬
de Czernowitz von den intelligenten Osterreichern das ,,Athen
des Ostens“ genannt. Aus dieser Stadt stammten renommierte
Schriftsteller und Dichter und heute eher unbekannte Kompo¬
nisten wie Ludwig Rottenberg oder berühmte Opernsänger wie
Joseph Schmidt. Ich bezweifle, dass mein Vater Kontakt zu diesen
Persönlichkeiten hatte, wie er auch sicherlich keinen Kontakt
mit dem Schriftsteller Man&s Sperber gehabt haben dürfte, der
übrigens aus dem benachbarten Galizien stammte. Der jüdische
Familienname Sperber war in dieser Region häufig.
Irgendwann Anfang des 20. Jahrhunderts zog mein Vater nach
Wien. Er tat einen Schritt in Richtung Assimilierung, indem er
seinen Vornamen in Max umwandelte. Aber er blieb zeit seines
Lebens ein frommer Jude. In Wien ging er jeden Morgen und
jeden Abend, freilich vor allem am Schabbes, in die Schiffschul,
die Vereinssynagoge in der Großen Schiffgasse 8. In die Synagoge
in der Tempelgasse, deren Haupttrakt in der Pogromnacht vom 9.
auf den 10. November 1938 völlig zerstört wurde, ging er nicht.