Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung
e.V. und der Arbeitsgemeinschaft „Frauen im Exil“
in Kooperation mit dem Erich Maria Remarque¬
Friedenszentrum, 27.-29. März 2015, Osnabrück
Der Blick auf Anfang und Ende des Zweiten
Weltkriegs geben der Exilforschung im memo¬
rialen Boom der Kriegsjubiläen eigenen und
doppelten Anlass, sich auf ihrer Jahrestagung
2015 mit den Themen Krieg und Frieden im
Kontext von Exil auseinanderzusetzen.
Mit der Vertreibung aus einem totalitar regier¬
ten Herkunftsland erscheinen Krieg-Frieden¬
bzw. Pazifismusdiskurse in einem neuen Licht.
Und noch einmal verschieben sich die Fronten,
wenn dieses Herkunftsland einen Eroberungs¬
krieg gegen die Länder führt, die bislang Schutz
gewährt haben.
Für viele im Exil Lebende begann eine neue
Phase der Unsicherheit, der Zerrissenheit und
der immer weiteren Entfernung von Freunden,
Familie und Bekannten. In den Ländern, die
ihnen bislang Schutz gewährt hatten, wurden sie
nun zu „enemy aliens“ erklärt. Dadurch waren
sie nicht nur offener Feindseligkeit, sondern
auch der Freiheitsberaubung und bürokratischer
Schikane ausgesetzt, und ihr Aufenthaltsstatus
war mitunter ernsthaft gefährdet.
Die Dissonanzen, die bei Exilantinnen und
Exilanten, vor allem wenn sie pazifistisch ori¬
entiert waren, angesichts des Kriegsausbruchs
auftraten, stellen einen Schwerpunkt der Jah¬
restagung dar. Konnte man Pazifist/in bleiben,
wenn Hitler Land um Land angreifen ließ? Sollte
man sich in den Exilländern, die mit Deutsch¬
land im Krieg standen, auf die Seite der Gegner
Hitlers schlagen? Mit dem Wunsch nach der
Zerstörung der NS-Herrschaft ging die Sorge
um die Zerstörung der alten Heimat einher.
Auch das Kriegsende stellte für die Verfolg¬
ten des Hitlerregimes eine Zäsur dar, doch
bedeutete es auch das Ende des Exils? Diese
Frage bildet einen zweiten Schwerpunkt der
Jahrestagung. In welche materiellen und Ge¬
wissensnöte kamen Fxilantinnen und Fxilanten
angesichts des Zusammenbruchs des ‚Dritten
Reichs‘, und von welchen Erwägungen waren
ihre Entscheidungen über Verbleib im Exilland
oder Remigration nach Deutschland geprägt?
Gefragt wird nach politischen Neuordnungsvor¬
stellungen von Exilierten, nach ihrer schwierigen
Neupositionierung in den Gesellschaften ihrer
einstigen ‚Vertreiber“ und schließlich nach der
Rezeption der Krieg/Frieden-Ihematik in der
Exilforschung.
Mögliche Themenkomplexe:
Pazifismusdiskurse — Militarismuskritik
Gewaltverzicht versus Gewalt: Grundsatzdis¬
kussionen der Pazifistinnen und Pazifisten in
den 1930er Jahren
Militarismuskritik in sozialistischen Exil-Kreisen
Was bedeuten der Kriegsbeginn 1939 und das
Kriegsgeschehen für die Flüchtlinge?
Die Erfahrung von Internierung und Besat¬
zung (auch in literarischer und bildnerischer
Umsetzung)
Der Umgang mit nationalen Feindbildern
Physische und psychische Gewalterfahrungen
Im aktiven Kriegsgeschehen, in der britischen
und in der US-Armee - als Soldat/in — Kriegs¬
reporter/in — in den Frauenabteilungen der al¬
liierten Heere — in den Geheimdiensten — im
Widerstand
Frauen als Kriegsbeute
Gabriele Anderl: Die Zentralstelle für jüdische
Auswanderung in Wien als Beraubungsinsti¬
tution
Patrick Rössler: „mich persönlich würmt deren
erfolg am meisten“. Die Rolle ökonomischer
Motive fiir die Emigration aus NS-Deutschland:
der Fall Herbert Bayer
Barbara Sauer: Lebens- und Arbeitsbedingungen
österreichischer Rechtsanwälte im Exil
Peter Pirker: Die exilpolitische Seite der Julius
Meinl AG: Julius Meinl III und Gregor Sebba
als Aktivisten des Austria Office und der Aus¬
trian Action
Round Table unter der Leitung von Christian
Hubert Ehalt mit Claus-Dieter Krohn, Helga
und Frederic Morton
Georg Pichler: Im Lager (über)leben. Formen
der Wirtschaft in den französischen Internie¬
rungslagern deutsch-jüdische Einwanderer als
wirtschaftlicher Pionier und erfolgreicher En¬
trepreneur in Palastina/Israel
Margit Franz: Technologietransfer und Regio¬
nalentwicklung: Exil in Britisch-Indien
Philipp Mettauer: „Für ein paar Pesos.“ Strate¬
gien des ökonomischen Überlebens im argen¬
tinischen Exil
Ruth Pappenheim: Jüdische Einwanderer in Ko¬
lumbien als Pioniere in der wirtschaftlichen und
kulturellen Entwicklung des Landes
Kriegspropaganda
NS-Propaganda bei Kriegsbeginn gegen die
Emigrierten
‚Propaganda-Arbeit‘ gegen den Krieg und das
Dritte Reich von Exilierten (z.B. beim BBC)
Bild/Fotopropaganda aus dem Exil und die
Problematik der ‚Wahrheit der Bilder‘
Der Krieg in US-amerikanischen Filmen unter
Beteiligung von Emigrierten
Der Krieg in Jugendbüchern des Exils
Krieg und Friedensaktivitäten von Exilregie¬
rungen und -parteien
Mit welchen Erwartungen / Hoffnungen / Be¬
fürchtungen haben die Exilierten dem Kriegsende,
dem Frieden entgegengesehen?
Debatten um Friedensaktivitäten, um das
Kriegsende, um eine Nachkriegsordnung in
Emigrantenkreisen, in der Exilpresse
Tagebücher aus dem Exil mit Einträgen zum
Zweiten Weltkrieg und Kriegsende
Das Kriegsende in Autobiografien
Wann begann der ‚Frieden‘ für die Emigrierten?
Europadiskurse und kosmopolitische Ideen
im Exil
Friedenssicherung durch Erziehungskonzepte
aus dem Exil
Impulsgeber der Nachkriegs-Friedensbewe¬
gungen in Ost und West
Krieg und Frieden in der Nachbetrachtung der
Exilforschungen
Konzeption: Hiltrud Häntzschel, Inge Hansen¬
Schaberg und Thomas Schneider. Vortragsangebote
mit einem kurzen Expose bitte bis zum 31. März
2014 an: Prof. Dr. Inge Hansen-Schaberg, Bir¬
kenweg 15, D-27356 Rotenburg. e-mail: hansen.
schaberg@t-online.de
Brigitte Mayr/Michael Omasta: „You Can't Get
Something for Nothing“. Arbeitslose Emigran¬
ten in Filmen von Fritz Lang, G.W. Pabst und
Gustav Machaty
Irene Messinger: Investition Schutzehe. Ehe mit
Ausländern als Fluchtoption
Helga Schreckenberger: „Man muss gute Nerven
haben, um Metro auszuhalten.“ Die Arbeits¬
bedingungen exilierter Drehbuchautorinnen
in Hollywood am Beispiel von Salka Viertel
Hadwig Kraeutler: Alma S. Wittlin (1899-1992).
In bester Gesellschaft und „Self-made“
Anmeldungen: exilbibliothek@literaturhaus.at
(Tagungsgebühr 30,- Euro)