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Call for Papers

Grundkonzept und wissenschaftliche Ge¬
samtkoordination: Gabriele Anderl; Organi¬
sationsteam: Gabriele Anderl, Edda Engelke,
Simon Usaty.

Ein Symposium der Österreichischen Gesell¬
schaft für Exilforschung

Einmalige oder mehrfache illegale Grenzüber¬
schreitungen waren im Kontext der Fluchtbe¬
wegungen der Jahre 1933-45 wesentlich häu¬
figer als vielfach angenommen. Diese Form
des Grenzübertritts und andere nicht gesetzes¬
konforme Praktiken wie das Fälschen von Visa
oder Dokumenten erwiesen sich vielfach als
lebensrettend, auch wenn bereits damals die
Beteiligten — Verfolgte wie Helferinnen und
Helfer - oft in undifferenzierter Weise krimina¬
lisiert wurden. Es ging dabei vor allem um die
(versuchte) Einreise in potentielle Transit- und
Zufluchtsländer, aber auch um die Flucht aus
dem Deutschen Reich, besonders nach dem
Ende der Vertreibungsphase und dem Verbot
der jüdischen Auswanderung 1941.

Ohne die Zuhilfenahme der erwähnten Me¬
thoden wäre die Bilanz der Shoah-Opfer bzw.
der sonstigen Opfer der nationalsozialistischen
Verfolgung noch wesentlich höher ausgefallen
als ohnedies der Fall.

Auch in der Nachkriegszeit war das Ihema
von Bedeutung. Nun ging es beispielsweise, or¬
ganisiert von der Untergrundbewegung „Brich¬
ah“, um das Schleusen von jüdischen „Displaced
Persons“ aus Europa in das damalige britische
Mandatsgebiet Palästina oder später um die
Flucht von Menschen aus verschiedenen Län¬
dern des Ostblocks.

Heute ist das Thema angesichts der immer
rigoroseren Abwehrmaßnahmen, die zur Siche¬
rung der „Festung Europa“ ergriffen werden,
brisanter denn je. Das haben zuletzt die Dis¬
kussionen um die Flüchtlinge aus der Wiener
Votivkirche und die zahllosen im Mittelmeer
ertrunkenen Bootsflüchtlinge gezeigt. Politik
und Medien beschäftigten sich vielfach höchst
undifferenziert mit dem Phänomen „Schleppe¬
rei‘, wobei sich die Energien auf die Bekämp¬
fung dieses Symptoms einer verfehlten Asyl¬
und Zuwanderungspolitik konzentrieren und
einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den
Ursachen und der Suche nach konstruktiven
Lösungen aus dem Weg gegangen wird. So wäre
etwa auch die Frage zu stellen, inwieweit der in
der Genfer Konvention definierte Flüchtlings¬
begriff den heutigen weltweiten Krisen- und
Bedrohungsszenarien noch angemessen ist.

Zur Zeit der NS-Herrschaft hatte die Abschot¬
tung der meisten potentiellen Zufluchtslander
einen enormen Anstieg der illegalen Fluchtbe¬
wegungen zur Folge gehabt. Ähnlich sind heute
die Möglichkeiten für Flüchtlinge, auf legalem
Weg nach Österreich und in andere europäische

Länder zu gelangen, äußerst begrenzt, da durch
das Dublin-II-Abkommen die Bewältigung des
Flüchtlingszustroms vor allem an die Staaten an
den Rändern der EU delegiert wird. Dies und
die Tatsache, dass die Asylgesetzgebung seit den
1990er Jahren sukzessive verschärft worden ist
und die Anerkennungsquoten rückläufig sind,
hat dazu geführt, dass von Flüchtlingen immer
häufiger die Form der illegalen (irregulären) Ein¬
reise in die EU und eben auch nach Österreich,
selbst unter größter Lebensgefahr, gewählt wird.

Die geplante interdisziplinäre Tagung soll sich
mit den Themen Fluchthilfe und „Schlepperei“
in Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen,
wobei der Fokus auf der Zeit nach 1933 liegen
wird. Der Rettung von Menschen, die wäh¬
rend der NS-Zeit aus rassistischen und/oder
politischen Gründen verfolgt wurden und ihr
Leben durch unerlaubtes Überwinden von
Grenzen retten konnten, sowie der Bedeutung
des Phänomens in der Gegenwart und dem
gesellschaftspolitischen Umgang damit soll
besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Dabei kann es sowohl um die illegale Einreise
in Zufluchts- und Transitländer als auch um die
illegale Flucht aus verschiedenen Ländern gehen.
Nach Möglichkeit sollte auch ein Bezug zu Os¬
terreich und dessen Grenzen beziehungsweise
zu aus Osterreich stammenden Flüchtlingen
oder, wenn es um die Gegenwart geht, zu den
Außengrenzen der EU bzw. den Grenzen in¬
nerhalb der EU bestehen.

Rückgriffe auf frühere Perioden sind grund¬
sätzlich möglich, sofern sie sich in den Gesamt¬
kontext der Veranstaltung sinnvoll einbinden
lassen.

Inhaltlich soll es um folgende Schwerpunkte
gehen:

— Formen und Phasen der illegalen Flucht¬
bewegungen im jeweiligen historischen und
politischen Kontext

— Fluchtrouten, Netzwerke der Fluchthilfe

— Biographien und Motive von „Schlepperin¬
nen“ und „Schleppern“ bzw. Fluchthelferinnen
und Fluchthelfern, das Spannungsfeld zwischen
Hilfeleistung / Menschenrettung aufder einen
und Ausbeutung / Kriminalität auf der anderen
Seite

— die spätere Rehabilitierung von Fluchthelfe¬
rinnen und Fluchthelfern

— Erfahrungen von „Geschleppten“

— die Involvierung politischer, konfessioneller
und sonstiger Organisationen und Gruppierun¬
gen, Hilfeleistungen seitens der Bevölkerung,
aber auch Verrat und Denunziation

— Strafverfolgung, Internierung und Abschie¬
bung nach illegaler Einreise und andere Abwehr¬
maßnahmen der potentiellen Zufluchts- und
Transitländer, einschlägige Gesetze und die
Organisation von Grenzschutz

— Politische Diskurse zum Thema ,,Schlepperei*
in Vergangenheit und Gegenwart sowie Fragen
des Sprachgebrauchs (Suche nach einer adäqua¬
ten Terminologie, mögliche Alternativen zu den
Begriffen „Schlepper“ und „illegal“).

Der Call richtet sich in erster Linie an Wis¬
senschaftlerinnen und Wissenschaftler unter¬
schiedlicher Disziplinen, doch können auch
Beiträge von Journalistinnen und Journalisten
sowie in der praktischen Flüchtlingsarbeit
tätigen Personen in einem gewissen Ausmaß
berücksichtigt werden.

Die Tagungssprache ist Deutsch, Referate auf
Englisch sind jedoch möglich.

Die eingereichten Papers sollten ein bis ma¬
ximal zwei A4-Seiten lang sein und können auf
Deutsch oder Englisch verfasst werden. Dem
Abstract ist ein knapper Lebenslauf beizufügen.

Voraussichtlicher Tagungstermin: Montag,
13., bis Mittwoch, 15. Oktober 2014.

Einreichschluss ist der 15. März 2014. Die
Vorschläge sind zu richten an: s.usaty@exilfor¬
schung.ac.at

Österreichische Gesellschaft für Exilfor¬
schung (öge) / A-1020 Wien Engerthstr.
204/40. Tel. +43 (0)699/1093 34 11. www.

exilforschung.ac.at

30 Jahre Zwischenwelt

Nur vier Druckseiten umfaßte das erste Heft von
„Mit der Ziehharmonika“ (MdZ) im Mai 1984.
Gut über die Anfangszeiten bis 1990 informiert
Volker Kaukoreits Essay „Die ersten Schritte eines
bedeutenden österreichischen Periodikums zur
Exilliteratur ...“ (www.onb.ac.at/oe-literaturzeit¬
schriften). 2000 erfolgte der Namenswechsel zu
„Zwischenwelt“ (ZW). Das Register der ersten
20 Jahrgänge istaufder Homepage der’Theodor
Kramer Gesellschaft zu finden. Das Register der
ersten 30 Jahrgänge wird ab März 2014 verfügbar
sein -wirsenden Ihnen die Datei dann auf Anfrage
auch gernezu (zwischenwelt@theodorkramer.at).
Viele der neueren Heftesind auch im PDF-Format
beziehbar; wir werden ab 2014 auch ein etwas
giinstigeres Abonnementin diesem Formatanbieten.
Vorgestellt wird ZW u.a. am Dienstag, dem 4.
Februar, ab 19 Uhr im Literarischen Quartier Alte
Schmiede, 1010 Wien, Schénlaterng. 9, mit einer
Lesungvon Tamar Radzyner, Alexander Melach und
Maya Rinderer. Moderation: Konstantin Kaiser. Der
geplante Band mit den von Siglinde Bolbecher und
Konstantin Kaiser gemeinsam verfaßten Editorials
vonMdZundZW wird im Mai 2014 erscheinen.
An die 1.300 Autorinnen und Autoren haben
bisher zu der Zeitschrift beigetragen, die der¬
zeit in einer Auflage von 1.800-2.000 (je nach
Schwerpunktthema) erscheint und ca. 1.400
AbonnentInnen hat.

Dezember 2013 89