an. 1936 zog Alfred Kalmus nach London, um dort eine De¬
pendance der UE zu gründen, es galt, neue KomponistInnen zu
finden, neue Absatzmöglichkeiten zu erschließen, denn inzwischen
waren die meisten der KomponistInnen der UE in Deutschland
verboten, was fast zum Ruin des Verlags geführt hätte.
Die Wiener UE sollte jedoch bald „arisiert“ und erst wieder
1947 an ihre rechtmäßigen Besitzerlnnen rückerstattet werden.
Inzwischen übernahm das 1760 gegründete Verlagshaus Boosey
& Hawkes, der damals weltgrößte Musikverlag, die englische
Filiale der UE.
Erst 1939 kamen Susanne und ihre Schwester, die in Wien in
einem Heim untergebracht waren, mit einem Kindertransport
nach England nach. Von 1939 an lebte die Familie im Londoner
Stadtteil Wembley, die Kinder besuchten eine Internatsschule.
Die Mutter Marianne konnte schon vorher flüchten.
Während Alfred Kalmus Kammermusikkonzerte mit ausschlie߬
lich zeitgenössischem Repertoire und einem Schwerpunkt auf
britischen KomponistInnen, die berühmten „Boosey & Hawkes
Concerts“, organisierte, während er für die neuen Eigentümer der
UE die Anglo-Soviet Music Press gründete, wo zum ersten Mal
im Westen Sergej Prokofjew und Dmitrij Schostakowitsch verlegt
wurden, schloss sich Susanne der „Free Austrian Youth“ an, wo sie
in dem von Erwin Weiss geleiteten Chor und bei den „Austrian
Youth Players“ mitwirkte, u.a. als Amine in Ferdinand Raimunds
„Der Diamant des Geisterkönigs“ im November 1945. 1940
wurde Alfred Kalmus für kurze Zeit als „enemy alien“ in Huy¬
ton interniert. Er lernte dort den Wiener Anwalt Otto Harpner
kennen, dessen Vater, der bekannte Anwalt Gustav Harpner, eng
mit Emil Hertzka befreundet war und vor dem Ersten Weltkrieg
fast alle KünstlerInnen der UE rechtlich vertreten hatte. Otto
Harpners Sohn Stefan G. wird 1959 nach Wien zurückkehren,
die Leitung der UE übernehmen und 1961 Susanne heiraten.
Verheiratet war Susanne Kalmus jedoch schon zuvor einmal, und
zwar ab 1947 mit dem Berliner Hans Jacobus (1923 — 2001), der
im Dezember 1938 ebenfalls mit einem Kindertransport nach
London flüchten hatte können. Hans Jacobus war 1941, nach
seiner Rückkehr aus der Deportation als „enemy alien“ nach
Australien, in London der „Freien Deutschen Jugend“ beigetre¬
ten, hatte als Schlosser und von 1945 bis 1947 als Lehrer für aus
Konzentrationslagern befreite Kinder gearbeitet.
1947 ging das junge Paar nach Ost-Berlin. Hans Jacobus arbei¬
tete als Redakteur bei der „Jungen Welt“, dann beim „Deutschen
Sportecho“. 1950 wurde der Sohn Ernst-Peter geboren. 1953
kam Hans Jacobus als „feindlicher zionistischer Westemigrant“
für sieben Monate in Untersuchungshaft, er durfte in der Folge
einige Jahre lang nicht als Journalist tätig sein. Auch Susanne
wurde als seine mutmaßliche „Mitwisserin“ vorübergehend in¬
haftiert, Mitte der 1950er-Jahre wurde die Ehe geschieden und
Susanne zog mit ihrem Sohn nach Berlin-Pankow und begann
ein Studium der Ethnologie an der Humboldt-Universität, che
sie mit Ernst-Peter 1960 nach Wien zurückkehrte und dort im
Folgejahr Stefan G. Harpner heiratete.
Susanne Harpner arbeitete in Wien ebenfalls für die UE, und
zwar in dem 1959 von den Architekten der „arbeitsgruppe 4“, das
waren Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent und Johannes Spalt,
gestalteten „Musikhaus 34“ in der Wiener Seilergasse. Auch sollte
sie Jahrzehnte später für die UE Lotte Ingrischs „Prinz Choco¬
lat“, ein von Gottfried von Einem vertontes Musikmärchen in 5
Episoden, ins Englische übersetzen. Mit beiden wird sie eine lange
Freundschaft verbinden. 1963 kam die Tochter Maria zur Welt.
1987 begann ihre Mitarbeit bei der Theodor Kramer Gesellschaft
(TKG), ihre Tätigkeit als Exilforscherin. Sie machte Interviews
mit „Shanghaiern“, wollte Beiträge für „Erzählte Geschichte“
und „Österreicher im Exil“ schreiben, traf in New York für die
TKG den Lyriker Frederick Brainin und nahm auch mit Herbert
Berghof Kontakt auf. Sie veröffentlichte 1990 die Erzählungen
„Ein dunkles Märchen“ im ersten Zwischenwelt-Jahrbuch und
1995 „Ein Nachmittag des Mädchens Mona“ in der ZW. Sie
arbeitete über Jahre hinweg an ihrem Stück über Helene Kafka,
schrieb Hörspiele und Gedichte.
1.
Deine Hände
werden älter —
und das ist gut.
Nun bin ich nicht
mehr alleine —
2.
Ich trage sie
eingebunden
in meinen. Könnt’
blind sie finden
3.
Deine Schultern
sind gebeugter.
Wie meine. Sind
deine, meine
Bürden — unsre?
4.
Schönes Gesicht —
ich streichle dich,
deine Falten —
und zeichne dich