irgendwann werden alle wörter schon
nebeneinander gestanden sein
dann habe ich mir wieder tausend seelen
ausgeweint und mir ein lied gewünscht
das mich aus dem licht getrieben hat
irgendwann werde ich sommers
wie winters dieselben mäntel tragen
und vor dem aufhängen den ärmel
mit einem schal stopfen wie es sich gehört
im licht mich an dem schal aufhängen
irgendwann wird der sonnenwind
auch uns hier unten beflügeln
ich wollte immer schon in einem wagen
abstürzen und einen einzigartigen satz
erfinden den es noch nie davor gegeben hat
irgendwann wird sich alles in die andere
richtung drehen und tausend seelen
werden täglich in mich finden wie die welt
niemand hat die zeit so genau abgezählt
und das wort steht neben sich
wie man zu quarzsand wird
hinzuleben ist zwei bis dreimal
im wochenmaß zu zerbrechen
und die stücke vom boden danach
aufzusammeln und zusammenzukleben
dann zerbrichst du wieder
und klebst dich wieder zusammen
zerbrichst du und klebst dich zusammen
zerbrichst du und klebst du und
zerbrichst du
und klebst dich wieder zusammen
und zerbrichst
ich habe mein zimmer in schachteln verpackt
und sie an den wänden angelehnt
übereinander gestapelt
ihre inhalte variieren von jahrealten
postkarten
zu glasscherben die ich aufheben muss
weil ich sie als kind aufgehoben
eingesammelt habe
nachdem etwas zerbrochen ist
es gibt auch eine schachtel
aber ich sage euch nicht welche es ist
die beinhaltet jenen teil meiner vergangenheit
über den ich chrlich gesagt ungern spreche
und wenn dann nur mit leuten
die riesige packungsbeilagen wieder richtig
zusammenfalten können
in dieser schachtel sind auch
drei zigaretten sie zerbröseln schon
fragt mich nicht woher und warum
ich habe die geburtstagskarten ungeordnet
unter die alten nach jahren geordneten
schulfotos gelegt und dazu die zettel
auf die jeder aus der klasse etwas nettes
für mich und über mich geschrieben hat
ich habe mein leben in schachteln gepackt
und die umzugsfirma angerufen
es gibt verschiedene tarife für verschiedene
schmerzhafte kategorien wie zum beispiel
kindheit oder verstorbenes
oder beziehungsende
ich habe alles angekreuzt
und dem lastwagenfahrer hundert euro
in einem anderen bett aufgewacht
als das in dem ich eingeschlafen
bin durch zeiten und zonen geträumert
und habe apfelbaumsprossen geliebt
ich finde da mein kleid sehr verrutscht
noch bevor ich den kopf hebe und schaue
bedecke ich meine brust flüchterlich
streiche über die unbekannte helle haut
oh glücklichkeit ich will immer mit dir
schlafen mit dir in alle keiten und tionen
aus den apfelbaumsprossen wachsen
endlich neue bedecklichungen für nacht
wer hat mich wohl umgewandelt als ich
abrutschte und alles an mir mit mir
verklebten augen trockenen lippen
mich fragen wo bin ich bei fensterlicht
wo das meer ins wasser geht
ich die alten pergamentrollen bröselig darlege
meine haarspitzen die buchseiten salzig
und zu durchsichtigen lecken tröpfeln
mir ist sogar schon einmal ein buch
ins meer hineingefallen dann in sand
in wasser
ich konnte es trotzdem noch lesen
wo das meer aus dem wasser geht
ich in wellen und buchseiten steige
mich damit
abbröseln muss und meine haut sandbekörnt
mein mund salzig schmeckt wenn ich
ihn küsse und die buchseiten sich wellen
ich schneide deine locken ab und
spare eine silbe
damit du in mein versmaß passt
nur über alte dinge schreiben
posthum den liebesbrief verschicken
und jeden ton an bäume hängen
ich brauch dich jetzt nicht mehr
mein lebensmetrum wird nur schneller
das pendel schwingt gewicht verschieben
und du bleibst eine von den andren
am steinfruchtherz noch süße fäden
es klopft aus dir so klein und rau
dunkel wird fallen
was zwischen zähnen hängen bleibt
ich klaubte die wörter an ihren fäden
aus dem heu
felder anlegen der pflug fuhr rückwärts
alles kann weh tun auch nirgendwo
tut es
da sah ich eine frau der schwarze hut
im sonnenlicht
war ein falscher fleck im auge
mit ihrem naherkommen ein netz
vor dem gesicht
weiße tücher um den hals gebunden
ich musste das bild so weit herunterdunkeln
dass die lippen schwarz
und ein hut und schleifen und
schuhe die im kies
zerbrachen am pfad und dort am gatter
ich band die wörter zusammen schulterte sie
und warf sie auf den heuwagen
hohl klangen sie
behandschuht war ihr winken
so weh
Maya Rinderer, geb. 1996 in Dornbirn,
Österreich, wuchs zweisprachig auf (Hebräisch
und Deutsch) und begann schon früh mit
dem Geschichtenerzählen. Erste Gedichte mit
sechs Jahren, ein erstes Kinderbuch mit acht.
Ihr Roman „Esther“ wurde 2011 im Bucher
Verlag, Hohenems, veröffentlicht. Jurypreis des
Irseer Pegasus, Preisträgerin des Hildesheimer
Lyrik-Wettbewerbs. Ihr Lyrikband „An alle
Variablen“ erschien im Juni 2013.