begleiten. Es war der letzte Transport aus Theresienstadt nach
Auschwitz. Beide wurden sofort nach ihrer Ankunft ermordet.
Neben dem Schwager Camill und der Schwester Irma verlor Emil
Oplatka auch all seine anderen Geschwister: Hugo wird mit sei¬
ner Frau Malvine, Adolf mit seiner Frau Gertrude ermordet. Ich
konnte nicht herausfinden, wann und wo sie umkamen, Adolf
und Gertruds 1931 geborener Sohn Frantisck wurde 1942 nach
Lublin deportiert und ermordet.
Hans Oplatka hatte 1938 seinen beiden Freunden Bil Spira und
Jura Soyfer einen Rat gegeben, nämlich den, als Österreicher nicht
über die Tschechoslowakei oder die Schweiz zu flüchten, sondern
über Jugoslawien, Italien oder gar Deutschland.'” Doch bevor
die drei Freunde über Fluchtpläne sprachen und Emil Oplatka,
seine Frau Antonie und Sohn Hans von Prag aus, wohin sie 1938
zurückgekehrt waren, ihre Flucht über Jugoslawien und Italien
nach Paris antraten, hatten Vater und Sohn noch österreichische
Mediengeschichte geschrieben. Konkret ging es um die Druckerei
Vernay AG, mit ihrem Sitz in der Canisiusgasse 8-10 im 9. Wiener
Gemeindebezirk. Das Haus ist heute ein einfaches Wohnhaus,
doch befanden sich darin in den 1920er- und 1930er-Jahren die
Redaktionen von: Der Wiener Tag (Auflage 50.000 im Jahre 1937),
Der Sonntag, Rätselzeitung, Die Sphinx, Mein Film und Illustrierte
Film- und Kinorundschau, Österreichische Abendzeitung, Die Bühne,
Die Stunde. Auch waren der Morgen Verlag, der Kronos Verlag
und der Compass-Verlag in der Canisiusgasse untergebracht. In
den Untergeschossen befand sich, mit alleine 600 Mitarbeiter¬
Innen, eine der größten Druckereien der Stadt.
Seit 1925 hatte sich der schon erwähnte tschechoslowakische
Regierungsverlag Orbis um eine Mehrheit der Aktien der Vernay
AG bemüht und deren Hauptaktionär Sigmund Bosel langsam
verdrängt. Direktor des Orbis war seit 1925 Emil Oplatka, der
eben noch den Prager Sender Radio Central geleitet hatte. Emil
Oplatka wird 1927 in den Verwaltungsrat der Vernay AG kooptiert
werden, dem er bald vorsitzen wird, und das bis 1938. Damit
die Übernahme eines österreichischen Verlagshauses durch den
tschechoslowakischen Staat nicht zu offenkundig wurde, gründete
der Orbis-Verlag 1930 in Genf die Holdinggesellschaft Particite.
Repräsentant der Particit€ SA in Wien war Emil Oplatka. Sukzes¬
sive übernahm die Particit die Vernay AG, bis sie 1936 schließlich
mit 91,7% an ihr beteiligt war.'” Die Publikationen der Vernay AG
standen somit unter direktem Einfluss der Tschechoslowakei, die
seit 1934 die letzte demokratische Republik Mitteleuropas war,
und wurden dadurch während der Diktatur des Ständestaates zur
vielleicht letzten Insel der Pressefreiheit in Österreich.
Dass die österreichischen Zensurbehörden die Publikationen der
Vernay AG mehr oder minder nicht behelligten, ist erstaunlich
und führt zur Frage: Wieso war dem so? Ich habe zumindest zwei
Erklärungen dafür:
Erstens konnten linksliberale ausländische Medien in Wien
durchaus, sobald sie erfolgreich die Zensur passiert hatten, legal
bezogen werden, und wahrscheinlich setzten die Behörden die
Publikationen aus der Canisiusgasse diesen gleich. Der Unterschied
war, dass ein ausländisches Unternehmen, gar eine Regierung,
hunderten ÖsterreicherInnen einen sicheren Arbeitsplatz bot, was
in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit sicherlich von Bedeutung
war. Man muss hier hinzufügen, dass die Particité SA zu einem
Zeitpunkt die Mehrheit der Vernay AG übernahm, als jene fast
in den Konkurs geschlittert war.
Zweitens wurde in den Publikationen der Vernay AG die ös¬
terreichische Regierung nur schr vorsichtig kritisiert, dafür umso
heftiger jene Nazi-Deutschlands, man hatte somit auch einen
gemeinsamen politischen Feind. Die Insel der Pressefreiheit wurde
somit aus ökonomischem und politischem Kalkül belassen.
Die Sonntagsbeilage des Wiener Tag, im Kupfertiefdruckverfahren
hergestellt, bestand zum größten Teil aus Photos mit dazugehörigem
Text, und einigen Zeichnungen. Sie war, im Gegensatz zu den meisten
anderen journalistischen Erzeugnissen fortschrittlich [...]*
Der Chefredakteur des Sonntag Hans Oplatka, der sich später
Jan nennen wird, wurde 1911 in Wien geboren, gehörte also der
gleichen Generation wie Bill Spira oder Jura Soyfer an. Er hatte
an der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt bei Rudolf
Koppitz Fotografie studiert und von 1930 bis 1931 in Frankreich
gelebt; als Fotograf gestaltete er mit dem jungen Reporter Geor¬
ge Simenon für das 1928 gegründete illustrierte Magazin VU
eine Fotoreportage über die Kanäle Frankreichs, auf denen sie
gemeinsam wochenlang herumgefahren waren.'” Das Konzept
von VU hat die Medienlandschaft revolutioniert, das Magazin gilt
z.B. als Vorbild für die US-amerikanische Zeitschrift LIFE. Der
Sonntag sollte etwas Ähnliches werden, wobei erwähnt werden
muss, dass es bis 1934 eine andere Illustrierte in Wien gegeben
hatte, die ähnlich konzipiert war, nämlich den sozialdemokra¬
tischen Kuckuck, zu dessen MitarbeiterInnen ebenfalls Bil Spira
und Jura Soyfer gezählt hatten.
„Der Sonntag“ war mehr als eine Illustrierte. Er war, mitten in
der Diktatur, auch ein kultureller Treffpunkt für liberale und linke
Intellektuelle, für Andersdenkende und Oppositionelle, die in anderen
Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr veröffentlichen konnten bzw.
wollten. Autoren und Schriftsteller, die um Abstand zum Regime
bemüht waren, etwa Jura Soyfer oder Theodor Kramer, fanden im
„Sonntag“ eine, wenn auch prekäre, öffentliche Existenz. Zahlreiche
weitere bekannte Journalisten und Autoren veröffentlichten im „Sonn¬
tag“, etwa Arnold Höllriegel, Eugenie Schwarzwald, Veza Canetti,
Vicki Baum, Johannes Urzidil, Franz Werfel oder Hilde Spiel.‘
Dass Hans Oplatka Sohn des Direktors war, war sicher hilfreich
für den Job, dass er bei VU gearbeitet hatte, sicher noch hilfreicher.
... machen S’ keine Umständ
1939 haben es die Oplatkas nach Paris geschafft und auch Bil
Spira sollte die Flucht dorthin gelingen. Jura Soyfer sollte es nicht
schaffen. Fiir den mittellosen Bil Spira gestaltet sich anfangs das
Leben im Exil schwer. Uberleben konnte man oft nur dank der
Solidarität. Von solch einem solidarischen Akt seitens der Oplatkas
berichtet Bil Spira in seinen Erinnerungen:
Einmal war er [Hans] mit seinem Vater zum Rendez-vous gekom¬
men, der über mich bestens informiert war.
„Ich habe Ihnen Ihren letzten Monatsgehalt mitgebracht‘, sagte er
und reichte mir einen Briefumschlag.
„Das muß ein Irrtum sein!“ erwiderte ich errötend, „ich bin in
Wien ausbezahlt worden.“
„Davon weiß ich nichts“, sagte er, „und will auch nichts davon