‘Theatre wurde von seinem Ensemble, in dem auch Oskar Maria
Grafs Frau spielte, scherzhaft als „Kleinliches Wiener Theater“
bezeichnet, da sämtliche Erlöse aus den Auftritten an die Women’s
International Zionist Organization gespendet wurden.
Nach einem erlittenen Herzinfarkt wurde Ernst Morton geraten,
nach Wien zurückzukehren und sich dort in ärztliche Behandlung
zu begeben.
So kehrte Eva Morton-Wolf mit ihrem Ehemann und ihren
beiden Töchtern am 30. April 1978 zurück nach Wien.
Zeit ihres Lebens hat sich Eva Morton-Wolf in einer, wie sie
es nennt, „epikureischen Lebenseinstellung“ geübt: Ihr Humor,
den sie von ihrem Vater übernommen habe und der den Habitus
einer Tante Jolesch mit jüdischem Witz, Selbstironie und Galgen¬
humor vereint sowie ihr komödiantisch-schauspielerisches Talent
und ihre Musikalität, die von ihrer Mutter stammten, hätten ihr
immer wieder dabei geholfen, die Absurditäten und Gräuel des
20. Jahrhunderts zu verkraften: „Wenn man das Pech hat, ins 20.
Jahrhundert hineingeboren zu werden, dann muss man es halt
mit Humor nehmen.“
In einer Sache ist es ihr aber vollkommen ernst: Ihre Ansichten
über das Zusammenleben von so genannten „Volksdeutschen“
bzw. Sudetendeutschen und TschechInnen („Protektoratsange¬
hörigen“) einem größeren LeserInnenkreis mitteilen zu können
und die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach
1945 aus ihrer Perspektive als Zeitzeugin und nicht dem offizi¬
ellen Opfer-Narrativ der Sudetendeutschen Landsmannschaften
entsprechend zu schildern.
Dafür ist es nötig, so Eva Morton-Wolf, das Zusammenleben
zwischen TschechInnen und Sudeten- bzw. „Volksdeutschen“ in
einem größeren Zusammenhang zu betrachten.
„Mein sudetendeutscher Cousin, der 1923 in Neu-Titschein
auf die Welt kam, ging natürlich wie jedes andere Kind mit sechs
Jahren in die Schule. Damals erhielten die deutschsprachigen
Schüler Tschechischunterricht und die tschechischsprachigen
konnten Deutsch lernen. Wenn Sie ihm heute oder auch damals,
gesagt hätten, auf Ischechisch, „Pfines mne sklinku vody — Bring
mir ein Glas Wasser“, hätte er nicht gewusst, wovon Sie sprechen.
Warum? Weil die Ansicht „diese Hausmeistersprache brauchst du
nicht zu lernen“ war ja gang und gäbe. Ich will damit erklären,
warum ich so bös bin. Ich bin doppelt so bös, weil für mich Spra¬
che nie ein Problem war und ich einfach nicht verstehen konnte,
dass man sich so geweigert hat, Tschechisch zu lernen, das war
für mich immer eine schreckliche Ungerechtigkeit.“
Später übertitelte Eva Morton-Wolf dieses herablassende Gehabe
mit dem Ausdruck „Teutonischer Scheiß“. Ständig sei immer die
Rede vom „Ischechen, der dies und jenes macht oder nicht macht“
gewesen und „wir Deutschen“ die sich als „die Übermenschen“
positioniert hätten.
Immer wieder sei ihr von Bekannten gesagt worden: „Diese
Tschechen sind ein Hausmeistervolk mit einer Hausmeisterspra¬
che, ein Volk der Schwejks, Proleten und Kéchinnen“.
Diese „deutsche Überheblichkeit“ hat sich, so Eva Morton-Wolf,
bis heute gehalten.
So bezeichnete noch 1993 der damalige Rektor der TU bei der
Habilitation von Martin Kubelik, dem Sohn von Jan Kubelik,
einem tschechischen Dirigenten und Violonisten, das Tschechische
verächtlich als „Domestikensprache“.
Die so genannten „Vertriebenen“ hätten nie die Wahrheit gesagt
über die Kriegszeit, sondern hauptsächlich den Opfermythos
bedient. In Brünn habe es bestimmt weniger Nazi-Deutsche als
in Reichenberg gegeben, wo die so genannte „volksdeutsche“
oder sudetendeutsche Bevölkerung beim Einmarsch der Hitler¬
Truppen begeistert jubelte. Die Behauptung vieler Vertriebe¬
ner, sie hätten ja „den Tschechen“ nichts getan, betrachtet Eva
Morton-Wolf als „glatte Lüge“. Bei der Volkszählung 1930 sei
nicht das Religionsbekenntnis diskutiert worden, sondern die
StaatsbürgerInnenschaft bzw. Nationalitätenzugehörigkeit. Die
jüdischen MitbürgerInnen, die später ermordet wurden, seien
alle tschechoslowakische StaatsbürgerInnen gewesen, eine Tatsa¬
che, die im Diskurs der Vertriebenenverbände einfach ignoriert
werde. Aufgrund ihrer familiären Situation - ihr Vater jüdischen
Glaubens, deutschsprachig, ihre Mutter nicht-praktizierende
Katholikin, deutschsprachig und als „arisch“ rassialisiert - und
ihres bilingualen Umfelds bekam Eva Wolf bereits als Kind und
Jugendliche Einblick in die Lebenswelten von Angehörigen un¬
terschiedlicher Sprach- und Religionsgruppen. Sie ist daher auch
um eine differenziertere Perspektivierung bemüht.
Eva Morton-Wolfs sudetendeutscher Onkel, ein Luchesi-Bruder
Frida Wolfs, wurde als (formales) NSDAP-Mitglied und Inhaber
der Neu-Titscheiner Zuckerbäckerei nach Kriegsende von tsche¬
chischer Polizei in ein Auffanglager gesperrt, wo Eva Wolf und ihre
Mutter ihn besuchten, „um ihm sein Los etwas zu erleichtern“,
bevor er nach Bayern abgeschoben wurde.
„Zur Ehre der Sudetendeutschen will ich sagen, dass ich ja
dadurch, dass ich beide so gut kannte, ich kannte ja die Juden,
ich kannte die Tschechen und ich kannte die Deutschen, in- und
auswendig, dass ich bezweifle, dass, wenn man einem Durch¬
schnittsdeutschen, Sudetendeutschen, im Jahr 1934 gesagt hätte,
dass der Hitler kommt und dass dann sechs Millionen Juden ver¬
gast werden und ich weiß nicht wie viele „Zigeuner“, dass der das
geglaubt hätte. Oder, dass, wenn er diese Tatsachen weitererzählt
hätte, dass man ihm dann geglaubt hätte. Ich meine, man hätte
ihn eher in die Psychiatrie geschickt, weil es war für jemanden
vor dem Krieg unvorstellbar, dass dann solche Gräuel geschehen.“
Eva Morton-Wolf kritisiert, dass die Vertreibung der sude¬
ten- bzw. „volksdeutschen“ Bevölkerung „grob undifferenziert“
durchgeführt worden und es in den Wirren des „Nachkriegsto¬
huwabohus“ auch zu zahlreichen Übergriffen und Gewalttaten
gekommen sei. So wurden beispielsweise Frida Wolf und Anna