im Nachwort, „hat Jankiel Wierniks Text 70
Jahre nach der Erstveröffentlichung nichts an
Aktualität verloren.“
Jankiel Wiernik wurde 1889 in Biata Podlaska
geboren und zog bereits in jungen Jahren nach
Warschau, wo erals Tischler und Hausmeister ar¬
beitete. 1904 trater dem Allgemeinen jüdischen
Arbeiterbund von Litauen, Polen und Russland
bei, der 1944 als Untergrundorganisation die
Publikation von Wierniks Aufzeichnungen über
das Vernichtungslager Treblinka mitorganisierte.
Es geschah in Warszawa am 23. August 1942,
zur Zeit der Blockade. Ich hatte meine Nachbarn
besucht und kehrte nie wieder in mein eigenes Heim
zurück. Wir hörten die Geräusche der Gewehrfeuer
aus allen Richtungen, hatten aber keine Ahnung
von der bitteren Realität. Unser Schrecken wurde
durch die Ankunft von deutschen Scharführen und
ukrainischen Wachmännern verstärkt, die laut und
bedrohlich „Alle nach draußen“ brüllten. (S. 17)
Jankiel Wiernik wurde zusammen mit acht¬
zig anderen Jüdinnen und Juden in einen der
bereitstehenden Eisenbahnwaggons gepfercht
und nach Treblinka deportiert.
Es gelang ihm, durch Glück und Geistesge¬
genwart der sofortigen Ermordung zu entge¬
hen. Er wurde einer Gruppe von Häftlingen
zugewiesen, die die Aufgabe hatte, die Leichen
der Ermordeten von den Gaskammern zu den
Massengräbern zu tragen.
Wir mussten die Leichen im Laufschritt tragen
oder ziehen, und die geringfügigste Verletzung der
Regeln hatte harte Schläge zur Folge. Die Leichen
lagen schon einige Zeit herum und die Verwesung
hatte bereits eingesetzt, wodurch die Luft durch
den Gestank des Vermoderns verpestet war. Über¬
all krochen bereits Würmer auf den Körpern. Es
geschah oft, dass eine Hand oder ein Fuß abfıel,
während wir Riemen anlegten, um die Leichen
wegzuziehen. So arbeiteten wir ohne Nahrung
oder Wasser von der Morgendämmerung bis zum
Sonnenuntergang an unseren zukünftigen eigenen
Gräbern. (S. 26)
Sein Beruf als Tischler rettete ihm das Leben.
Er war gezwungen, am Bau der Gaskammern
und anderer Lagergebäude mitzuarbeiten. Selbst
im Vernichtungslager Treblinka II („Lager 2°)
inhaftiert, wurde er im Arbeitslager Treblinka I
(„Lager 1°) wegen „Handwerkermangels“ mit
Konstruktionen weiterer Gebäude beauftragt.
Er konnte dadurch in Kontakt zu den dortigen
Inhaftierten treten und wurde die wichtigste
Verbindungsperson für die Planung und Durch¬
führung des Aufstands am 2. August 1943. Im
Zuge dessen gelang Jankiel Wiernik die Flucht.
Er schlug sich nach Warschau durch, wo er mit
falschen Papieren den Krieg überleben sollte.
Bald nach seiner Ankunft nahm er Kontakt zu
jüdischen Untergrundorganisationen auf, die
seine Geschichte als Zeugnis der Greueltaten
von Treblinka veröffentlichen wollten. Jankiel
Wiernik begann noch 1943 mit dem Verfassen
des’Iextes, und Anfang 1944 konnte das Buch in
einer Auflage von 2.000 Stück gedruckt werden.
Als Mikrofilm gelangten die Aufzeichnungen
nach London und New York, wo sie von der
amerikanischen Vertretung der Allgemeinen
jüdischen Arbeitergewerkschaft von Polen ins
Englische übersetzt und veröffentlicht wurden.
Kurze Zeit später wurden sie ins Hebräische
und Jiddische übertragen und erschienen im
Dezember 1944 in Palästina.
Trotz seines fortgeschrittenen Alters schloss
sich Jankiel Wiernik am 1. August 1944 den be¬
waffneten Einheiten des Warschauer Aufstands
an. Nach dem Krieg blieb er noch einige Jah¬
re in Polen, bis er zuerst nach Schweden und
1949 nach Israel emigrierte. Sein 1959 gebautes
Modell von Treblinka diente beim Eichmann¬
Prozess zur Veranschaulichung der Funktion von
Treblinka und der dort begangenen Verbrechen.
Jankiel Wiernik lebte bis zu seinem Tod in Israel.
Er starb 1972 in Rischon LeZion.
Leider wäre die vorliegende deutsche Überser¬
zung noch einer Durchsicht bedürftig. „Ein Jahr
in Treblinka“ zählt international zu den zentralen
ZeitzeugInnenberichten über die Shoah. Es ist
eine detaillierte Darstellung der Massenver¬
nichtung, der Funktionsweise von Treblinka,
der systematischen Ermordung von Jüdinnen
und Juden, eine Erzählung über das Grauen
der nationalsozialistischen Vernichtungslager...
Keine Vorstellungskraft, gleichgültig wie gewagt,
könnte möglicherweise verstehen, was ich gesehen
und miterlebt habe. Noch könnte es kein Stift dieser
Welt, gleichgültig wie gewandt, richtig beschreiben.
Ich habe vor, alles genau darzustellen, sodass die
ganze Welt wissen kann, wie die „westliche Kultur“
war. (S. 16)
Daniel Grohotolsky
Jankiel Wiernik: Ein Jahr in Treblinka. Wien:
bahoe books 2014. 97 5.
Bernhard Albers: Michael Guttenbrunner. Ein
Autor verschwindet. Aachen: Rimbaud 2013.
45 S. Euro 20,¬
Brüche und Kontinuitäten 1933-1938-1945.
Fallstudien zu Verwaltung und Bibliotheken.
Hg. von Gertrude Enderle-Burcel, Alexandra
Czettl, Edith Stumpf-Fischer. Innsbruck: Stu¬
dien Verlag 2013. 587 S., Euro 49,20 (Mit¬
teilungen des österreichischen Staatsarchivs.
Sonderband 12).
Dieser Sammelband, der im Bundeskanzleramt
präsentiert wurde, enthält zahlreiche kleine Details
zu Personen der Zeit- und Literaturgeschichte und
zu ihren Bibliotheken, zum Beispiel zu Fritz Brü¬
gel. Sie sind durch einen Personenindex und durch
Kurzbiographien zu ausgewählten Personen leicht
auffindbar. Murray G. Hall nennt im Vorwort die
Beiträge ein „work in progress“, das auch zeigt, „wo
noch Forschungslücken zu füllen sind“. Dazu gehört
auch der Hinweis von Markus Stumpf, dass bei den
Vermögensverzeichnissen der österreichischen Juden
und Jüdinnen, die im Staatsarchiv einsehbar sind,
unter Betriebsvermögen auch nach Bibliotheken ge¬
Fragt wurde und dass eine systematische Auswertung
dieser Angaben bislang noch nicht erfolgt ist. — B.A.
Brigitte Halbmayer: Zeitlebens konsequent.
Hermann Langbein 1912-1995. Eine politische
Biographie. Wien: Braumüller 2012. 352 S.
Euro 24,90
Ekaterina Heider: meine schéne schwester. kurz¬
geschichten. Wien: edition exil 2013. 129 S.
Euro 12,¬
Alfred Hirschenberger: Eruption und Erosion.
Ein Osterreich-Roman. Berlin: trafo 2013. 271
S.
Moshe H. Jahoda: Hier, dort und andere Wel¬
ten. Flucht und Suche nach Heimat. Aus dem
Hebräischen von Alice Baar. Wien: Edition
Steinbauer 2013. 159 S. Euro 22,50/SFr 39,¬
Luis S. Krausz: Verbannung. Erinnerungen in
Trümmern. Roman. Aus dem brasilianischen
Portugiesisch von Manfred von Conta. Mit ei¬
nem Nachwort von Märcio Seligmann-Silva.
Berlin: Hentrich & Hentrich 2011. 165 S.
(Jüdische Spuren, Bd. 3). Euro 14,90/SFr 27,90
Jan Kuhlbrodt: Geschichte. Kein Weg, nur
gehen. Berlin: Verlagshaus Frank 2013. 47 S.
(Edition Poeticon. Hg. von Asmus Trautsch).
Darin, 5. 34-38, eine ausführliche Auseinander¬
setzung mit Trude Krakauer und ihren in der Rei¬
he „Nadelstiche“ erschienenen Gedichtsammlung
„Niewiederland“.
Wilhelm Meissel: Der Weg über die Grenze.
Wien: Proverbis 2014. 142 S. Euro 18,50
Helga Pollak-Kinsky: Mein Theresienstädter
Tagebuch 1943-1944 und die Aufzeichnungen
meines Vaters Otto Pollak. Hg. von Hannelore
Brenner. Berlin: Edition Room 28. 2014, 286
S. Euro 22.70
Helga Pollak, geboren 1930 in Wien, wuchs
behiitet in einer biirgerlichen Familie in der Ma¬
riahilferstrafse auf. Ihre Eltern führten das Kon¬
zertcafe Palmhof, dessen Konzerte regelmäfiig in
der Ravag übertragen wurden. 1943 wurde sie
mit ihrem Vater nach Theresienstadt deportiert.
Ihr tschechischsprachiges Tagebuch wurde nun zu¬
sammen mit dem Tagebuch ihres Vaters, mit einer
Einleitung und einem Interview der Autorin, die
heute wieder in Wien lebt, und mit zahlreichen
Illustrationen publiziert. Das Nachwort dieses