Gedichten und Prosaminiaturen, allesamt von Objekten Jürgen
Walters inspiriert, die zum Teil fotografisch ins Buch aufgenommen
wurden. Darin ist zuerst einmal von Fernweh, Unterwegs-Sein,
Flucht und Heimkunft die Rede, aber auch von gedanklichen
Reisen, etwa in den Kopf des Nachbarn, wie im Gedicht „Mit
den Augen eines anderen“: „Zu schen wie der Nachbar/ wenn er
an seinem Fenster steht/ zu hören was er lauschen kann/sozusa¬
gen wie er zu sein [...]/ seine Angst vor mir zu haben/und keine
Angst vor ihm [...]“.
Die nächsten Kapitel umfassen eine Reise nach „Innen“, die wie
gewohnt nahe gehenden Worte „Zur Liebe“ und gesellschaftskriti¬
sche bis politisch anmutende Gedichte, geschrieben wie „Im Zorn“.
Zum Schluss wird „Kulturobst“ serviert: Unter anderem trifft sich
hierbei Kulinarisches mit Familiärem, zum Beispiel — besonders
anschaulich — in einem von zwei prosaischen Familienbildern:
„Da wären auf dem Bild zu sehen, die Mutter, deren Kinder ihr
wie aus dem Gesicht gelöffelt,“
Die Gegenüberstellung mancher dieser Texte der Dichterin
(zum Beispiel „Ihe war — Er wars“ oder „Kopfüber“) und der
dazugehörigen Objekte von Jürgen Walter sind auf dessen In¬
ternetseite (www.juergen-walter.com) zu sehen. In den Colla¬
gen steht Fotografie neben Gedicht oder, besonders reizvoll, die
Abbildung eines der Objekte wird mit einer von der Dichterin
selbst eingesprochen Tonspur unterlegt, wodurch die Worte dank
Cyraks gekonnter Vortragsweise noch an Ausdruckskraft und
Deutlichkeit hinzugewinnen.
Seit 2011 ist auch ein Erzählband namens „Der Geruch von
Glück“ von Zehra Cyrak erhältlich, der ebenfalls im Verlag Hans
Schiler erschienen ist. Er versammelt kürzere wie längere Prosastü¬
cke der Autorin, welche über einige Jahre hinweg entstanden sind.
Die meisten Protagonisten dieser Geschichten, insbesondere
in den Abschnitten „Männer“ und „Frauen“, verbindet vor al¬
lem eines: Sie stehen — ob nun aufgrund einer ungewöhnlichen
Biografie samt Folgen, sonderbarer Angewohnheiten und Cha¬
raktereigenschaften oder streng gehüteter Geheimnisse — stets
etwas abseits der Gesellschaft und haben noch dazu oder gerade
deswegen Schwierigkeiten damit, sich zu binden. In der Titelge¬
schichte ist es zum Beispiel Flavian, den die Ticks, welche er sich
als Kind absichtlich zugelegt hat, einholen, als seine Beziehung
mit Ella in die Brüche geht. „Die geizige Lea“ wiederum ist eine
junge Witwe, die aufgrund schlechter Erfahrungen derart geizig
geworden ist, dass sie sich nicht mehr als 33 Lebensjahre gönnt.
Der Geruch von Glück haftet zu Beginn vielen von ihnen an,
verwandelt sich aber oft in einen von Unglück und, manchmal,
auch wieder zurück.
Der restliche Teil des Buches ist aus leiseren, zum Teil per¬
sönlicheren Texten, aber auch aus humorvollen Überlegungen
zusammengesetzt. Er beinhaltet - neben Erzählungen - poetische
Reflexionen, Eindrücke von Reisen oder der Stadt Berlin, Phan¬
tasien, Ideen und Beobachtungen. Protagonisten sind darin unter
anderem das „Ich“ oder das angesprochene „Du“. Die Sammlung
endet mit einem Text, welcher der Nase gewidmet ist und mit
den Worten abschließt: „Danke, Nase, dass du mir bisher nur in
kleiner Dosis den Geruch des Unglücklichseins gegeben hast und
mehrfach den großen Geruch des Glücks erlaubt hast.“
Einen wichtigen oder sogar zentralen Teil von Zehra Gyraks Arbeit
stellt ihre gemeinsame mit Jürgen Walter dar. In jahrzehntelangem
Nebeneinander fanden die beiden immer wieder neue Wege,
ander darstellten, aufzuzeigen. Dies geschah in Form von Perfor¬
mances, Lesungen und Ausstellungen, mittels Dia-Projektionen
oder in Skulpturen eingebauten Lautsprechern, aus denen die
dazugehörigen Gedichte zu hören waren. Die Ergebnisse dieser
Zusammenarbeit gab es schon in New York, Tunis sowie anderen
Städten und Ländern in aller Welt und natürlich an einigen Orten
in Deutschland zu sehen.
Ein weiteres Projekt der beiden ist das Buch „Die Kunst der
Wissenschaft: Neun mal drei Stühle zu Ehren der Wissenschaften“,
welches im Jahr 2013 vom Verlag Hans Schiler als zweisprachiges
(Englisch und Deutsch) e-book veröffentlicht wurde. Es beinhaltet
fotografierte Skulpturen des Künstlers und Texte der Dichterin.
Zehra CGyrak begnügt sich übrigens nicht damit, nur selbst zu
schreiben. So leitet sie seit rund zehn Jahren immer wieder Schreib¬
werkstätten, unter anderem an Schulen in Berlin oder Dortmund.
Bisher waren es meist Realschulen oder Gymnasien, denen sie
einen Besuch abgestattet hat, besonders gerne ist sie aber immer
wieder auch in Hauptschulen gegangen, an denen die Kinder
seltener eine solche Möglichkeit geboten bekommen. Einmal
hat sie auch schon mit Grundschülern und deren Eltern sowie
Großeltern gearbeitet. Die Abwechslung, welche diese Tätigkeit
bietet, gefällt ihr daran besonders. Das Niveau, so meint sie, sei
immer ein unterschiedliches, und manchmal wären Schreibwerk¬
stätten auch eher mit einer Sozialarbeit der Literaten an Schulen
zu vergleichen. Es sei jedoch eine schöne Erfahrung als Autorin
mit jungen Leuten zu arbeiten und zu schen, was „in solchen