neuen Regime zu arrangieren oder den Weg der inneren Emi¬
gration zu gehen. Die Linzer Künstlerin und Sozialdemokra¬
tin Hedda Wagner zählte zu jenen, die nicht mehr publiziert
werden durften. Hedda Wagner konnte und wollte sich nicht
mit einem Regime arrangieren, dessen Maxime sie zutiefst ver¬
abscheute, daher wählte sie den Weg der inneren Emigration.
Einen Weg, der mit drastischen materiellen Einschränkungen
verbunden war und letztendlich in Krankheit und Tod mündete.
Daniela Schmohl, M.A., Magisterstudium Geschichte, Psy¬
chologie und Journalistik an den Universitäten Leipzig und
Wroctaw, Referentin der Jugend- und Erwachsenenbildung,
Schwerpunkt Arbeit gegen Neonazismus und Rassismus, Mit¬
arbeiterin der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, Disserta¬
tion „Sozialistisches Milieu in Breslau. Kontinuität und Verände¬
rungen in der Weimarer Republik und der NS-Zeit“ (gefördert
durch die Hans-Böckler-Stiftung).
Das Breslauer Gewerkschaftshaus
Breslau (heute Wroctaw/Polen) war Anfang des 20. Jahrhun¬
derts das Zentrum der niederschlesischen Arbeiterbewegung.
Das sozialistische Milieu der Stadt während der Weimarer Re¬
publik war geprägt von einer starken linken Sozialdemokratie.
Dank der „außergewöhnlich günstigeln] intellektuelleln] Inf¬
rastruktur“ galt Breslau bereits vor dem Ersten Weltkrieg als
Musterstadt des Arbeiterbildungswesens. Ein Zentrum dieses
Wirkens war das Gewerkschaftshaus in der Breslauer Margare¬
tenstraße. Am 2. März 1933 stürmten SA und Polizei das Haus,
verwüsteten die Inneneinrichtung und erschossen zwei Men¬
schen. Vorangegangen waren Monate, in denen das Gewerk¬
schaftshaus nicht mehr nur der Versammlungsort der Breslau¬
er Arbeiter_innen war, sondern ständig Angriffen von SA und
NSDAP ausgesetzt war.
Nach der Verwüstung wurde das Gewerkschaftshaus das
„Haus der Arbeit“ der Deutschen Arbeitsfront Gau Schlesien.
Zahlreiche Gewerkschafter_innen und Angehörige der Arbei¬
terbewegung wurden in das frühe KZ in Breslau-Dürrgoy ver¬
schleppt.
Im Beitrag wird das Gewerkschaftshaus als Zentrum verschie¬
denster politischer wie kultureller Aktivitäten dargestellt und ge¬
zeigt welchen Angriffen dieses Haus durch die Nationalsozialis¬
ten ausgesetzt war. Neben dem kulturellen und intellektuellen
Verlust für die schlesische Arbeiterbewegung werden auch die
aktiven Angehörigen der Arbeiterbewegung im Kampf gegen
die Nationalsozialisten in Breslau gewürdigt.
Mag.a Lisa Sinowatz, Grundlagenreferentin der Abteilung für
Lehrlings- und Jugendschutz in der AK Wien. Studierte Politikwis¬
senschaft und Europäische Ethnologie an der Universität Wien.
Dr.in Irene Suchy, Ö1-Musikredakteurin, Musikwissenschafterin,
Literatin, Ausstellungsmacherin, Dramaturgin. Selbständige wis¬
senschaftliche Publikationen zu Paul Wittgenstein, Friedrich Gulda,
Otto M. Zykan, Jugendmusikfest Deutschlandsberg und Strasshof
an der Nordbahn. Literarische Publikation „Litanei gottloser Ge¬
bete“. Bank Austria Kunstpreis 2011, Karl Renner Preis 2013.
Soweit politisch tragbar - Hoch-Zeit und Aus-Gang der
ArbeiterInnen-Gesangskultur bis 1933/ 1934
Entstehung, Produktionsbedingungen und Zielsetzungen der
AbeiterInnenchöre. Eine Untersuchung im Bezug auf Gender¬
Verhältnisse, Repertoire, politische Haltung, ProtagonistInnen
und eine Betrachtung der spärlichen Ausläufer wie das Burg
Waldeck Festival.
Dr. Harald Troch, Abgeordneter zum Nationalrat, SPÖ Wien¬
Simmering - Bezirksparteivorsitzender, Historiker, wissen¬
schaftlicher Mitarbeiter im Verein für Geschichte der Arbeiter¬
bewegung, Förderverein der Volkshochschule Simmering uvm.
Dr. Fritz/Derek Weber, Historiker und Dramaturg. Veröffent¬
lichungen zur Sozial- und Wirtschafts-, Zeit- und Kulturge¬
schichte und zur Geschichte der Arbeiterbewegung, u. a. zU¬
sammen mit Ulrike Felber, Peter Melichar, Markus Priller u.
Berthold Unfried, Ökonomie der Arisierung, Wien-München
2004, Walter Baier, Lisbeth N. Tralori, Derek Weber (Hg.), Otto
Bauer und der Austromarxismus, Berlin 2008; Der Kalte Krieg
in der SPÖ, Wien-Berlin 2011.
Symphonie Prolétaire. Die Arbeitersymphonie zwischen Tra¬
dition und Aufbruch.
Arbeiterbewegung bedeutete immer auch Kulturbewegung. In
Österreich wird diese Verbindung nicht nur in der persönlichen
Freundschaft Viktor Adlers mit Gustav Mahler deutlich. Auch
die 1905 von David Josef Bach ins Leben gerufenen Arbeiter¬
Symphonie-Konzerte (ASK) legen davon Zeugnis ab. Schon vor
1914 wurden diese von rund 10.000 Menschen pro Jahr be¬
sucht.
Nach der Republik-Gründung wurde die Verbindung noch en¬
ger - und auch „politischer“. Nach Viktor Adlers Tod fand am
11. Jänner 1919 ein seinem Andenken gewidmetes Konzert im
Rahmen der ASK statt. Auf eine neue Grundlage gestellt wur¬
den die Konzerte im Jahr 1919 durch die Gründung der Sozi¬
aldemokratischen Kunststelle. Die Gründung war ein Symptom
gesellschaftliche Änderungen: Im Zeichen des „Roten Wien“
herrschte eine allgemeine kulturelle und politische Aufbruch¬
stimmung, die unbeeinflußt von den wirtschaftlichen Schwie¬
rigkeiten ein reiches Kulturleben entfaltete. Wie sehr sich die
Situation gesellschafts- und kulturpolitisch geändert hatte, zeigt
auch die Programmatik der Konzerte: Vor 1914 wurde dem Pu¬
blikum — über dessen tatsächliche Zusammensetzung wenig
bekannt ist - das „klassische“ Repertoire vermittelt; nach 1918
eine enge Verbindung mit der zeitgenössischen Musik heraus.
(Arnold Schönberg zeigte schon 1919/1920 Interesse für eine
solche Option.)
Eine wichtige Rolle bei der Herstellung der Verbindungen spiel¬
te der AZ-Kulturredakteur und Komponist Paul A. Pisk, der
auch Sekretär des von Arnold Schönberg gegründeten „Vereins
für musikalische Privataufführungen“ war. Neben Erich Wolf¬
gang Korngold und Alexander Zemlinsky trat ab 1922 auch An¬
ton Webern als Dirigent, später (ab 1926) auch als allgemeiner
Richtungsgeber der Konzerte auf. 1926 wurde die 200. Auf¬
führung eines ASK mit Gustav Mahlers 8. Symphonie gefeiert.
Gleichzeitig wurde die Konzerttätigkeit sozusagen „politisiert“:
1928 fand im Rahmen der „Repubikfeiern“ ein Konzert statt, in
dessen Rahmen neben einer Aufführung von Gustav Mahlers
2. Symphonie auch die Uraufführung von Arnold Schönbergs
Chorwerk „Friede auf Erden“ auf dem Programm stand. Das
letzte ASK fand am 11. Februar 1934, einen Tag vor Ausbruch
der Februarkämpfe statt. Mit dem 12. Februar 1934 ging nicht
nur eine Konzert-Serie zu Ende; sondern eine ganze Epoche
des Wiener Musiklebens.
Es gibt noch viel zu erforschen, vor allem, was die finanzielle
Seite der ASK betrifft. (Schwierige wirtschaftliche Situation: Hy¬
perinflation, Währungsstabilisierung, Weltwirtschaftskrise.) Of¬
fene Frage: Erfolgte ein Teil der Finanzierung über Splitter aus
den Steuereinnahmen der Gemeinde Wien? Andere ungeklärte
Fragen: 1931 oder 1932 fand im Konzerthaus ein Konzert mit
Alexander Mossolows „Zavod“ („Eisengießerei“) statt, auf das
der Komponist in einem Brief an Stalin vom März 1932 Be¬