einmontiert, gewissermaßen als Belegstücke für die Gesinnungen
und die Vertrauenswiirdigkeit des Portratierten; zwischen Wichtigem
und Unwichtigem wird nur wenig unterschieden (man weiß ja
nie, wann man irgendetwas nicht doch auch verwenden könnte).
Die Berichte über die frühen Jahre in Wien, Berlin und Wiesbaden
sind dabei allerdings lückenhaft: Es fehlt etwa eine Darstellung der
Verhaftung Helene Weigels nach der Machtübernahme Hitlers
während eines Auftritts, bei dem Knepler sie am Klavier beglei¬
tete — und zwar in dem Moment, als sie die Strophe von Brechts
Wiegenliedern sang: „Daß du einmal im Stacheldraht hängst und
nach Wasser schreist ...“; und auch die Aktivitäten, die Knepler
unternahm, um bei der Flucht von Weigel und Brecht zu helfen,
ehe er selbst nach Wien ‚zurück‘ flüchtete, werden nicht näher
beschrieben. Beides kann in Kneplers Erinnerungen an Hanns
Eisler’ sowie in der Brecht-Biographie von Werner Mittenzwei?
nachgelesen werden. Der Abschnitt über Kneplers Arbeit für das
Austrian Centre und dessen Theaterbühne, das Laterndl, ist ebenfalls
viel zu kurz geraten, wenn man bedenkt, welche Bedeutung diese
Institutionen im englischen Exil hatte. Auch wenn ihre Geschichte
inzwischen gut dokumentiert ist (siehe etwa die Dissertation von
Erna Wipplinger: Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
1938 bis 1945. Wien 1984), zeugt die verkürzte Darstellung in der
Biographie doch von einem fehlenden Sinn für Proportionen. Die
Kapitel über die anschließende Tätigkeit in der KPÖ nach 1945
und die Jahre in der DDR erweisen sich als umso weitschweifiger.
Man konnte zwar kaum etwas über die Zusammenarbeit Kneplers
mit dem Komponisten Hanns Eisler und dem Dirigenten Karl
Rankl vor 1933 erfahren, dafür wird man nun darüber informiert,
dass am Parteitag der KPÖ vom April 1946 Franz Salmhofers
Ballett Österreichische Bauernhochzeit in der Choreographie von
Margarete Wallmann dargeboten wurde. Auch die vollständige
Wiedergabe der Grußadresse des Generalsekretärs der SED und
Vorsitzenden des Staatsrats der DDR Erich Honecker zu Kneplers
70. Geburtstag darf nicht fehlen.
Immerhin verschweigen die Autoren in diesen Kapiteln nichts von
der Repression und dem Grauen, wie es die Existenz in der Partei
mit sich brachte. So wird ebenso Kneplers ziemlich hartnäckiges
Engagement für die Shdanow-Ästhetik dokumentiert wie auch
seine Maßnahme, vor der SED-Führung sich zu rechtfertigen,
die, wie er erfahren haben musste, bereits begonnen hatte, gegen
ihn geheime Untersuchungen einzuleiten. Dies geschah nicht
nur, weil „GK“ aus dem westlichen Exil kam, sondern auch, weil
er mit Peter Smolka befreundet war. Smolka, ein österreichischen
Anwalt und KPÖ-Unterstützer, war im Krieg als Mitarbeiter im
britischen Informationsministerium als Leiter der sowjetischen
Abteilung beschäftigt und wurde nunmehr im Sul stalinistischer
Verfolgungspraktiken zum britischen Agenten gestempelt, wobei
Smolkas Name auch im Prozess gegen Slansky fiel. Ebenso wie
Mitja Rapaport und Walter Hollitscher, die ebenfalls als verdächtig
galten, schrieb Georg Knepler einen Bericht, in dem er eben nicht
nur seine eigenen Beziehungen zu Smolka offenlegte, sondern
auch andere Kontakte Smolkas zu KPO-Genossen preisgab. Dem
„beklemmenden Eindruck“, den das hinterlässt, können sich auch
die Biographen nicht entziehen.
Die späteren Abschnitte handeln von dem wachsenden Gegensatz
Kneplers zu den dominierenden Parteigruppierungen. Knepler
wurde, wie Gerd Rienäcker, einer seiner Schüler, in einem Aufsatz
zu den Avantgarde-Debatten in der DDR berichtet, „seit 1968
selbst beargwöhnt, diffamiert, denunziert“?, so vor allem von dem
Fachkollegen Heinz Alfred Brockhaus, der zugleich Informant des
Staatssicherheitsdienstes war. Konkurrenzkämpfe zwischen Wis¬
senschaftlern sind in der DDR wie in der Sowjetunion eben immer
auch auf dieser Ebene ausgetragen worden. Dabei verdächtigte man
Knepler, zusammen mit Harry Goldschmidt und Günter Mayer
eine Gruppe zu bilden, die „immer deutlicher eine Rehabilitierung
der westlichen spätbürgerlichen Moderne“ fordere und „einen
direkten Kampf gegen den sozialistischen Realismus und gegen
die Rolle der sowjetischen Musikwissenschaft in der DDR“ führe.
Ohne es zu bemerken, verharren die Autoren der Biographie
selber in dieser Konstellation, die sie hier aufdecken und von der
sie sich mit einem erhellenden Begriff von Werner Mittenzwei doch
distanzieren wollen: der „Dekadenzkonstellation“. Was vom Milieu
der als fortschrittlich apostrophierten Klasse abweicht, erscheint
auch ihnen letztlich als dekadent, sei es die „dekadente Bürger¬
welt“ der einstigen Wiener „Koterie“, die „nihilistisch-dekadente
Ästhetik“ Adornos oder die „Amerikanisierung der Kultur“ nach
1945. Noch die Denunziationspraktiken in der DDR können sie
nur kritisieren, indem sie diese als „kleinbürgerliche Herrschafts¬
formen“ bezeichnen, was sie gewiss auch waren, wodurch aber
wenig erklärt wird.‘
Indem sie etwa allein das ablehnende Urteil Kneplers über Adorno
zitieren, unterschlagen Mugrauer und Oberkofler, was ihn etwa
am Mahler-Buch dieses Musikphilosophen stets besonders anzog.
Ähnlich wird mit den Schwierigkeiten verfahren, in die Georg
Knepler zur Zeit seiner Emeritierung geraten war. Eine Aussage
von Rienäcker, den sie sonst zustimmend zitieren, wird nun einfach
als nicht glaubhaft abgetan: Knepler wollte mit seiner frühzeitigen
Beurlaubung 1970 wahrscheinlich der Entlassungzuvorkommen,
weil damals eine Äußerung von ihm über Israel denunziert wurde
und dies all denen zupass kam, die seit längerem Schwierigkeiten
mit ihm hatten. Knepler, so Rienäcker, habe sich „während des
Krieges gegen Israel verzweifelt geäußert, er sei doch Jude und
wisse nicht, wie er sich verhalten solle“.° Mugrauer und Oberkofler
suggerieren in diesem Zusammenhang, dass es sich hier nur um
den Sechs-Tage-Krieg handeln könne, der 1970 bereits mehr als
drei Jahre zurücklag, „weshalb damit zusammenhängende Fragen
kaum als unmittelbarer Anlass für die vorzeitige Emeritierung
von GK eingeschätzt werden können“ (S. 226). Im europäischen
historischen Bewusstsein wird eben gerne verdrängt, dass es von
1968 bis 1970 einen 4. Israelisch-arabischen Krieg gab, den Ägypten
begonnen hatte, um den Sinai zurückzuerobern. Die israelische
Seite hatte in dieser Auseinandersetzung fast doppelt so viele Tote
als im Sechs-Tage-Krieg zu beklagen. In der antizionistischen Pro¬
paganda des Ostblocks spielte dieser permanente Kriegszustand
um 1970 eine große Rolle.’
Mit welchen Worten jedoch Oberkofler und Mugrauer jene
Information Rienäckers schließlich quittieren, gibt unverhohlen
den ideologischen Hintergrund dafür zu erkennen, warum sie ihr
keinesfalls trauen wollen: „Überdies“ sei in den „Schriften von
GK nirgends erkennbar, dass er sich auf die Seite der israelischen
Gewaltpolitik gestellt hätte“. Ich weiß aus eigener Erinnerung an
Gespräche mit Georg Knepler, wie wichtig ihm Mitte der 1990er
Jahre die Perspektive war, dass nun im Verhältnis zu Israel endlich
Vernunft einkehren könne (was freilich nicht geschah, wie sich bald
zeigen sollte). Es lag dies allerdings in einer Periode, unmittelbar
vor und einige Jahre nach der ‚Wende‘, in welcher er mehr denn
je bereit war, die Realität des Antisemitismus in ihren ganzen
Konsequenzen zur Kenntnis zu nehmen. Wie rücksichtslos hin¬
gegen die Autoren der Biographie die verschiedenen Phasen und
Widersprüche in seinem Denken nach Maßgabe ihrer eigenen