Mit Roth war Tschuppik in vielerlei Hinsicht verbunden, nicht
zuletzt teilten sie die Trinkfreude. Der Prager „echte Biertrinker“
(Torberg) ist in Wien zum bekannten Wein- und Heurigenliebha¬
ber geworden, ist aber nicht wie sein Freund der Trunksucht erle¬
gen. Vergleichbar sind auch die Gesinnungen der beiden, die sich
entwickelten von sozialdemokratisch dominierten Jahren wahrend
der Monarchie zu einem wehmiitigen Nachtrauern der Zeit der
Monarchie, ohne aber deshalb die Monarchie als Regierungsform
zu favorisieren. 1937 schenkt Tschuppik Roth seinen Roman mit
der Widmung ,,Dem letzten Ritter meiner Welt“, wenige Monate
danach widmet Roth dem verstorbenen Freund mehrere emotio¬
nelle Nachrufe.
Bereits vor dem Krieg hatte Tschuppik einen guten Kontaktzu sei¬
nem Onkel Heinrich Krzyanowski, der mit Hugo Wolf und Gustav
Mahler eng befreundet war. Ob Tschuppik dadurch selber mit die¬
sem Freundeskreis in Verbindung kam, ist nicht tiberliefert. Doch
hat der Journalist Tschuppik, der sich in erster Linie politischen und
zeitgeschichtlichen Themen gewidmet hat, sich auch einmal für ein
musikalisches Thema engagiert: In einem Leitartikel widmet er sich
mit Sympathie dem ersten Auftreten einer Jazzband 1922 in Wien.
Offensichtlich hatte er für die neue Musikgattung viel übrig: 1936
schenkt er dem Sohn seines Freundes Soma Morgenstern zu dessen
siebenten Geburtstag seine erste Jazzplatte. Wahrscheinlich hat dies
Dan Morgenstern, der später ein bedeutender Jazzforscher wurde,
zum ersten Mal mit Jazz in Berührung gebracht. Dan Morgenstern
lebt in New York und ist möglicherweise heute der einzige, der noch
deutliche persönliche Erinnerungen an Tschuppik har.
1923 wurde Tschuppik Chefredakteur von Imre Bekessys Bou¬
levardzeitung Die Stunde. Vermutlich war das Hauptmotiv dafür
eine schr großzügige Besoldung. In diesem Blatt mit fragwürdigen
Methoden arbeiteten auch andere Intellektuelle, so Egon Friedell
und der mit Tschuppik befreundete Anton Kuh. Auch der junge
Billy Wilder wurde dort von seinem Chef Tschuppik gefördert.
(Wilder, der die Erfahrungen bei dieser Zeitung viel später in seinen
Film „Frontpage“ -dt. „Extrablatt“ eingebracht hat, erinnerte sich
noch 1993 in einem Interview an den Chefredakteur Tschuppik.)
Ob Tschuppik damals tatsächlich mit seinem Chef Bekessy auch
befreundet war, wie Bekessy und dessen Sohn Hans Habe behauptet
haben, lässt sich nicht mehr eruieren. Jedenfalls bleibt Tschuppik
zunächst seinem Arbeitgeber gegenüber loyal, als dieser 1926 wegen
erpresserischer Methoden von Karl Kraus in der Fackel wiederholt
heftig angegriffen wird. Tschuppiks auch nicht gerade zarte, teils
unsachliche Repliken führen dazu, dass Kraus selber ihn in be¬
merkenswert unkorrekter Weise als „die linke Hand Békessys, den
antisemitischen Ausländer, an dem man sehen könne, dass Chris¬
ten keine so guten Journalisten seien“, verdammt. Als Tschuppik
erkennen muss, dass, ungeachtet der Unsachlichkeiten von Kraus
persönlich gehaltenen Beschimpfungen, sich sein Chef tatsächlich
einiges hat zuschulden kommen lassen, tritt er als Chefredakteur
zurück. Die Stimmung ist offenbar so schr vergiftet, dass Tschuppik
dies als Anlass nimmt, Wien zu verlassen und wie so viele Wiener
Intellektuelle in dieser Zeit nach Berlin zu gehen. „Karl Tschuppik
ist mit Frau hier, er sucht Stellung“, berichtet E.E. Kisch in einem
Briefaus Berlin. Dort gehört Tschuppik dem österreichischen Kreis
in der Mampestube am Kurfürstendamm an, wo er u.a. mit Joseph
Roth, Anton Kuh, Alfred Polgar, Alexander Roda Roda verkehrt.
Seine Periode als Chefredakteur hat er mit seinem Abgang aus
Wien wohl bewusst für immer beendet, sucht aber offenbar keine
feste Stellung, sondern ist zunächst nur journalistisch tätig, ohne
Karl Tschuppik beim Heurigen. Tuschezeichnung nach einem Foto
festes Mitglied einer Redaktion zu werden. Er schreibt regelmäßig
Beiträge für wichtige kulturpolitische Zeitschriften, u.a. für Stefan
Großmanns Berliner Wochenschrift Das Tage-Buch, wo von ihm
1927 eine der bedeutendsten frühen Warnungen vor der Gefahr
Hider erscheint.
In Berlin beginnt Ischuppik seine untergegangene Heimat offen¬
bar stets mehr zu vermissen. Er schreibt in einem Briefan Hermann
Bahr, dass er als „wirklicher Österreicher [...] die große Humanität
des alten Kaiserstaates nicht vergessen kann“, und weiter:
Ich lebe in Berlin als Heimatloser, nicht mit der blöden Sentimenta¬
lität vieler Wiener von heute, die an Äußerlichem hängen, aber ich war
im ganzen Österreich zu sehr daheim, als dass ich zu Deutschland oder
zu dem Wien von heute noch eine wirkliche Beziehung finden könnte.
Seinem Bedürfnis, der untergegangenen Heimat zu gedenken,
kommt der Vorschlag eines Verlages, er möge eine Biographie über
Franz Joseph schreiben, entgegen. Es wird das erste einer Reihe von
mit dem alten Reich verbundenen biographischen Werken aus
seiner Hand, obwohl gerade das erste eigentlich mehr (in seinen
eigenen Worten) eine Beschreibung der „achtundsechzig Jahre der
Regierungszeit Franz Josephs mit ihm als Mittelpunkt“ darstellt als
eine Biographie im engeren Sinne. Dieses sein erstes Buch blieb lan¬
ge sein bekanntestes und vielleicht auch bestes, das allerdings 1928
unter ungünstigen Umständen erschien. Tschuppik war historisch
interessiert und auch sehr belesen, ein professioneller Historiker, wie
er öfters genannt wurde, war er jedoch nicht. Sein Buch erschien
aber gleichzeitig (was er nicht wissen konnte) mit der Franz-Joseph¬
Biographie des damals bekannten und von Tschuppik geschätzten
Historikers Joseph Redlich. In den in Fachzeitschriften publizierten
Buchbesprechungen wurden die beiden Werke dann auch verglei¬
chend rezensiert, wobei verständlicherweise Redlichs Arbeit als die
historisch besser fundierte günstiger beurteilt wurde. Dennoch ist
das auch heute noch durchaus mit Gewinn zu lesende Buch, in dem
Tschuppik „die Intimität Österreichs zu erraten und minuziös zu
erarbeiten gewusst“ habe (Valeriu Marcu) ein Erfolg geworden. Es
folgten bald eine englische und französische Übersetzung. Der wohl
auch finanzielle Erfolg — das Buch wurde eine wichtige Einkom¬
mensquelle — hat weitere „literarische Biographien“ veranlasst, die
fast im Jahresthythmus folgten: 1929 Elisabeth. Kaiserin von Öster¬
reich, 1931 Ludendorff. Die Tragödie eines Fachmanns, 1933 Frangois¬
Joseph et Madame Schratt, 1934 Maria Theresia. Eine wahrscheinlich
für 1938 geplante Biographie über Kronprinz Rudolf, die den Kreis
der Habsburgbiographien ergänzen sollte, ist nicht mehr zustande
gekommen, hätte wohl auch nicht mehr verwirklicht werden kön¬
nen, hätte Tschuppik noch länger gelebt. Seine „Elisabeth“ wurde