ein größerer Erfolg, der dann noch von seiner „Maria Theresia“
übertroffen wurde, jedenfalls was die verkauften Lizenzen betrifft:
Das Werk wurde rasch in sieben Sprachen publiziert, wobei es 1934
ja gar nicht mehr in Deutschland herausgebracht werden konnte.
Denn Tschuppik war unter den Allerersten, dessen Werke nach
der Machtübernahme der Nazis in Deutschland auf die „Schwarze
Liste der Literatur“ gesetzt wurden. Das hatte er seiner Ludendorff¬
Biographie zu verdanken, in derer rechteindeutiggegen den „höchst
primitiven Fascismus von der Art AdolfHiders“ (diese Formulierung
Tschuppiks findet man in der Biographie) Stellung nimmt. Doch
braucht Tschuppik diese Warnung nicht; er verlässt noch vor der
Bekanntgabe dieser Liste wenige Wochen nach Hiders Machtergrei¬
fung Deutschland und kehrt Anfang März 1933 nach Wien zurück.
Im selben Jahr erscheint auch in Paris die französische Überset¬
zung seines Buches Frangois-Joseph et Madame Schratt. Diapres des
carnets du Comte Lonay, Chabellan de S.M. Francois-Joseph —ein sehr
ungliickliches Buch. Tschuppik ist einem Betriiger aufgesessen: Die
ihm zugespielten Aufzeichnungen, die die Grundlage des Buches
bilden, stammen nicht von einem Kammerer von Franz Joseph, sind
eine Fälschung. Erfreulicher war seine bald daraufim Amsterdamer
Verlag Allert de Lange erschienene Arbeit über Maria Theresia, die
sehr positiv rezipiert wurde, nicht zuletzt von Joseph Roth, der auch
auf die nicht zufälligen Parallelen zur aktuellen Situation hinweist,
wenn er schreibt: „Dass er [Tschuppik] für sie [Maria Theresia]
Partei nimmt gegen ihren Widersacher Friedrich von Preußen, ist
selbstverständlich — und auch von der Zeit aus geschen, in der wir
leben.“
In den kurzen vier Jahren, die ihm in Wien noch blieben, hat
Tschuppik seinen Ruf gefestigt als „echter alter Österreicher, ur¬
gemütlich, witzig, angenehm erotisch und immer ein wenig be¬
trunken“ (Gina Kaus). Er nimmt sich Zeit, seine Freundschaften
zu pflegen: mit Anton Kuh, mit dem er nach Hermann Kestens
Bericht ein geistreich-witziges Komikerpaar bildete, das im Stegreif
mit unerreichten Doppelconferencen das Publikum überwältigt;
mit Ödön von Horväth, dessen Trauzeuge er ist; mit dem Gra¬
fen Adalbert Sternberg, in dessen Gesellschaft der oft als „Baron
Tschuppik“ Angesprochene ebenbürtig wirkt; mit Klaus Mann,
der ihn bei seinen Wienbesuchen aufsucht; mit Walther Rode, dem
unerschrocken-streitbaren Rechtsanwalt; mit Soma Morgenstern,
der in seinen Roth-Erinnerungen Tschuppik spater einen eigenen
Abschnitt widmet, wo auch einige der zahlreichen Tschuppik¬
Anekdoten verzeichnet sind. Dieselben — und weitere- Anekdoten
findet man auch in Friedrich Torbergs Zante Jolesch, der Tschuppik
auch noch gekannt hat.
Tschuppiks letzte Jahre waren aber trotz der perzipierten Ge¬
miitlichkeit nicht mehr einfach. Der einstmals gut verdienende
Chefredakteur befand sich nach Wegfall des deutschen Marktes in
ständiger Geldnot - verzweifelte Zeilen in Briefen an seinen Verleger
Allert de Lange in Amsterdam geben davon ein beredtes Zeugnis.
Er schreibt noch für österreichische Wochenblätter, in denen er den
Nationalsozialismus bekämpft und sich allgemein vom Deutsch¬
tum absetzt. Anders als der österreichische Ständestaat in dessen
Selbstbekundungen sicht er Österreich nicht als „den besseren
deutschen Staat“, sondern alseinen von Deutschland unabhängigen
„seelischen Zustand“. Die größere Gefahr des aufstrebenden Natio¬
nalsozialismus bewirkt bei Tschuppik, dass er im Ständestaat nicht
nur ausschließlich negative Seiten sicht, doch lösen die trostlosen
politischen Aussichten bei ihm trübsinnige Phasen aus. In seiner
Antwort auf Gratulationen zu seinem sechzigsten Geburtstag 1936
antwortet er seinem Verleger:
. ich danke Ihnen herzlich für die Glückwünsche, die Sie mir zu
meinem Geburtstag gesendet haben! Es ist zwar kein Verdienst, alt zu
werden, aber ich ziehe meine Generation den nachfolgenden vor; wir
bewahren zumindest die Erinnerung an eine bessre Welt.
Sein letztes Buch, seine einzige belletristische Arbeit, hat starke au¬
tobiographische Züge, die Hauptperson ist in mancher Hinsichtein
alter ego des Autors. „Max d’Adorno“, der Name der Hauptperson,
sollte ursprünglich nach dem Wunsch des Autors auch der Roman
heißen. Auf der Titelsuche wurde außerdem erwogen: „Abschied
von Österreich“, „Das Ende“, „Der Kadett Sr. Majestät“, „Das löb¬
liche Leben“ und „Carriere nach unten“; Anton Kuh riet zum Titel
„Lemberg noch in unserm Besitz“, den der Autor aber als zu krie¬
gerisch ablehnte. Es wurde schließlich Ein Sohn aus gutem Hause.
Der Roman ist teilweise eine Art Nebenprodukt seiner historischen
Arbeiten: Wie Klaus Amann festgestellt hat, wurden Passagen aus
der Franz-Joseph-Biographie für den Roman verwendet.
Obwohl Tschuppik sich nicht mehr bester Gesundheit erfreute,
kam der Tod des gerade 61-Jährigen überraschend. Er starb an
Angina pectoris in seiner „Wohnung“ im Hotel Bristol. Joseph
Roth berichtet (in der Pariser Exilzeitschrift Österreichische Post),
dass Tschuppik ihm einmal über das klassische Wienerlied, das an
Tschuppiks Grab gesungen wurde, in einem Brief geschrieben habe:
Das Lied hat unrecht. Es wird kein Wein wachsen, wenn wir nimmer
sein werden. Genauso, wie überall dort der Wein zu wachsen anfing, wo
die alten Römer hinkamen, so hörter auf, wo die Preußen hinkommen.
Es wird keine schönen Madln geben, wenn wir nimmer leben. Wir
haben nichts zu bedauern, lieber Josephus! Nach uns wird es Hitler¬
Mädchen geben.
Roth fügt dem hinzu: „Er war ein heiterer Prophet. Über das Grab
hinaus trieb er Schabernack. Wenn er nicht gestorben wäre, hätten
sie ihn erschlagen.“
Tschuppik musste nicht mehr erleben, wie „sie“ seine jüdische
Frau und deren Sohn aus erster Ehe nach Theresienstadt deportiert
haben, danach nach Riga, wo beide 1942 ermordet wurden.
Georg B. Deutsch, geboren 1953 in Wien, dort Studium der Altori¬
entalistik und Indogermanistik. Seit den 1990er-Jahren Beschäftigung
mit österreichischer Exilliteratur und verwandten Bereichen. Betreibt
u.a. die von ihm im Zusammenhang mit Vorbereitungen zur Ausstel¬
lung 2012 in Frankfurt über Soma Morgenstern und Joseph Roth ins
Leben gerufenen Internetseiten www.Soma-Morgenstern.at. Arbeitet
2.Zt. über Freunde von Morgenstern: neben Karl Tschuppik u.a. über
Conrad Lester und Abraham Sonne. Lebt und arbeitet in Wien und
in Holland.
Dieser Artikel stützt sich neben eigenen Recherchen auf den zitierten
Artikel von Klaus Amann und die Diplomarbeit von Klaus Prokopp,
Klagenfurt 1994. Seit Mai 2015 liegt an der Universität Wien eine
zweite Tschuppik-Diplomarbeit von Sabine Wodni über die Maria¬
Theresia-Biographie vor. Hilfreiche Hinweise verdanke ich Konrad
Nowakowski (Wien) und Helmut Brenner (Meerbusch bei Düsseldorf),
vor allem aber Harald Stockhammer in Innsbruck.
1 Klaus Amann: Karl Tschuppik. Der streitbare Bohemien. In: Karl Tschuppik:
Von Franz Joseph zu Adolf Hitler. Polemiken, Essays und Feuiletons. Wien
u.a.: Bohlau 1982, 9-30.
2 Zuletzt 2015 sein Roman im Wiener Milena Verlag.