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man sich hier gegenüber wie seit gestern. Körper an Körper, und
Sehnsucht und Gegenwart waren einander so nahe gekommen,
daß zwischen uns auch die Toten jener bitteren Jahre saßen, und
ihre Gläser klangen an die unseren...“

Adolf Opel ist Autor und Regisseur eines Fernsehfilms über Franz
Theodor Csokor, mit dem er befreundet war. Den Film — mit dem

Carry Hauser
Zwischen gestern und morgen

Epilog

Gustl Hornbacher stieg langsam die hölzerne Treppe hinauf. Diese
Treppe, die ihm vertraut geworden war in all den vielen Jahren,
die er indem Landhaus seiner Freunde verbracht hatte. Vertraut
wie die Freunde selbst, diese lieben stillen Menschen und ihre
beiden kleinen Mädchen, deren Heranwachsen er miterlebt hatte,
während er in einem andern Lande, das unter dem bösen Schrecken
hemmungslosen Krieges und der Barbarei der Eindringlinge leiden
musste, seine Frau und seinen Sohn, den kleinen Theodor, in
Gefahr gewusst hatte... Unten im Wohnzimmer saßen die beiden
nun zusammen mit seinen Freunden. Die letzten Monate waren
schnell vorüber gegangen, diese Monate des Sich-Wiederfindens
nach fast siebenjähriger Trennung.

Und nun kam das Abschiednehmen von dem reichen und schö¬
nen Lande, in dem er die letzten sieben Jahre verbracht hatte, und
von den Menschen, denen er sich sehr verbunden fühlte; trotzdem
aber war er doch immer ein Fremder geblieben im Gastland, dessen
Obrigkeit ihn auch nur als Fremden sehen wollte, als einen, der
bloß das Recht - nein, nur die Wohltat der Toleranz genoss. Ein
solches, im Grunde doch sehr fragwürdiges Dasein war für Gustl

20 ZWISCHENWELT

Titel „Auferstehung der Worte“ — hatte der ORF 1979 anläßlich des
10. Todestages des Schriftstellers in Auftrag gegeben. Der Film erhielt
im selben Jahr den 1. Preis bei der „Rassegna Internazionale del Film
didattico“ in Rom. Nach der Erstsendung ließ der zuständige Redak¬
teur des ORF Karl Löbl den Film total umschneiden, um unliebsame
Passagen (begeisterte Wahlempfehlungen von Karl Böhm und Paula
Wessely — beide damals noch am Leben — zur Volksabstimmung
1938) zu eliminieren...

nicht leicht zu ertragen gewesen und nur die menschliche reine
und von der Enge kleinbürgerlicher Vorurteile freie Freundschaft,
die er in diesem Lande gefunden hatte, konnte es verhindern,
dass sich jene Bitterkeit in ihm ansammelte, die das Leben der
Vogelfreien und Wohltatenempfänger allzu leicht durchtränkt.

Über das Meer hatte er nicht fahren können, und es war wohl
gut so. Denn der Entschluss zur Rückkehr in die Heimat gewann
durch die örtliche Nähe an dringlicher Selbstverständlichkeit
und vermochte so Gründe der Vernunft, welche der Heimkehr
entgegenstanden, leichter zu überwinden. Gustl wusste, dass ihn
und Ruth Enttäuschungen aller Art erwarten würden: Er wusste,
dass der schwächliche Wankelmut mancher seiner Landsleute
daheim durch die jahrelange Knechtschaft sich nicht immer zu
neuer Würde und aufrechter Haltung gewandelt hatte. Er wusste,
dass nicht nur die Mauern seiner Stadt zerbrechen und zertrüm¬
mert waren, sondern auch die Seelen der Bewohner... Er wusste
auch, dass er, der Fremdling im Lande seiner Gastfreunde, wohl
auch fremd sein werde in der Heimat. Und dennoch: Er wusste
auch, dass er und Ruth und das Kind heimkehren müssen, trotz
der Enttäuschungen, die sie erwarteten, trotz der bösen Erinne¬
rungen, die wieder neu aufleben würden, beim Anblick jener,
die untreu geworden und dem Bösen gedient hatten, trotz der
großen Fragwürdigkeit einer Zukunft, die einem Lande zuteil ist,
dessen Volk in der Stunde der Entscheidung selbst nicht wusste,
was es wollte, und nun schuldig-unschuldig ausgeliefert ist auf
Gnad und Ungnad... Was aber rief ihn? War es die Kindheit,
die ihn zurückrief? Die Kindheit, welche Gestalt angenommen
hatte in der noch immer treu wartenden, zu einer ungebrochenen
Greisin gewordenen Mali? Oder bloß Heimweh? Aber das will
sich erhalten und sucht zur vollen Entfaltung eher das Fernsein
und das Fremde. Oder ein Gefühl der Pflicht? Gustl wusste selbst
keine Antwort und suchte auch keine.

Er trat in das kleine Zimmer, das er so lange bewohnt hatte
und nun verlassen musste. Auf dem Tisch stand der Koffer, bereit
die wenigen Dinge anzunehmen, die noch nicht ihren Platz in
den größeren Gepäckstücken gefunden hatten. Der nun schon
fast völlig entleerten Lade entnahm er eine Mappe aus gelblich
gefärbtem Karton, darauf stand mit Großbuchstaben geschrie¬
ben: „DIE SIEBEN JAHRE DES GUSTL HORNBACHER“.
Seine Jahre, die sieben Jahre des Fxils — waren es fette, waren es
magere gewesen? Die Zukunft wird es vielleicht dereinst sagen
können oder auch nicht. Aber waren es denn auch seine Jahre?
Seine persönlichen, die hier aufgezeichnet standen? Nein, es waren