den Spielplänen. Erst 1980 fand am Düsseldorfer Schauspielhaus
eine Wiederaufführung statt und in Wien „wurde die Komödie
erstmals“! 1987 gespielt! Weniger die Verweigerung der Auf¬
führungslizenz durch amerikanische Behörden’, sondern wohl
eher der Kleinmut der Theaterintendanten, die nicht riskierten,
ihrem Publikum das Spiegelbild ihres eigenen Opportunismus und
Mitläufertums vorzuhalten, dürfte dafür verantwortlich gewesen
sein, dass Kortners Volksstück in den folgenden Jahrzehnten „so
gut wie nicht zur Kenntnis genommen“!” wurde.
Dass die Ablehnung wie beim Film Der Ruf eindeutig der
Thematik galt, wird auch deutlich durch den überwältigenden
Triumph des Schauspielers Kortnez, als er endlich am 8. Oktober
1949 als Rittmeister in Strindbergs Trauerspiel Vater selbst wieder
eine deutsche Bühne betrat:
Als der Vorhang der Münchner Kammerspiele hochging und der
breite Rücken Kortners im Hintergrunde sichtbar wurde, brach der
Beifall los. Minutenlang konnte das Stück [...] nicht beginnen; fast
wirkte dieser Empfang wie die Heimkehr eines verlorenen Sohnes.
Und am Schluss der Aufführung, nach einer langen Stille der Er¬
schütterung, nahmen die Rufe nach dem Schauspieler kein Ende.‘
Mit der Strindberg-Rolle gastierte Kortner danach in Hamburg
und endlich auch in Berlin, wo er womöglich noch enthusias¬
tischer gefeiert wurde!!! — von demselben Publikum, das mit
seinem Film Der Rufnichts zu tun haben wollte. Nicht in einem
zeitkritischen Film, sondern in dem „alten Strindberg“ wollte das
deutsche Publikum den großen Schauspieler Kortner schen, was
der Kritiker Friedrich Luft mit Recht als „das einzige Bedenken“
bei diesem stürmischen Jubel empfand. ''”
Den Mahner und Kritiker Fritz Kortner lehnte das Publikum
weiterhin ab, und zwar vehement, wie Kortner schon im Dezem¬
ber 1950 bei der Premiere seiner Inszenierung von Schillers Don
Carlos erleben musste, bei der eszu Tumulten und antisemitischen
Beschimpfungen kam!'3, sodass Kortner Berlin erschrocken verließ
und sogar eine Rückkehr in die USA erwog.
Aber er ist doch in seiner „Sprachheimat“ geblieben, obwohl er
schon vor dem Don Carlos-Skandal erkannt hatte, dass der Weg im
Nachkriegsdeutschland sehr schwer für ihn werden würde: „Es fehlt
auch nicht an Erfolgen“, schrieb er im Juni 1949 dem Regisseur
Joseph Glücksmann nach New York, „aber an frischer Luft, und
das leichte Atmen ist nun einmal eine Lebensvoraussetzung. Es
fehlt vorläufig an der Konzentration, an der Fähigkeit, neu und
aufrichtig und unerschrocken zu sehen.“!'*
Helmut G. Asper, Dr. phil., ist Theater- und Filmhistoriker und
lehrte bis Ende 2010 über Theater, Film, Fernsehen an der Fakultät
für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Zu
seinem Forschungsschwerpunkt Theater- und Filmexil sind zahlreiche
Bücher, Rundfunksendungen und Aufsätze erschienen. Weitere Infor¬
mationen sowie ausgewählte Beiträge unter www.helmut-g-asper.de
Für ihre Unterstützung bei meinen Recherchen danke ich den
Archivaren und Archivarinnen im Archiv und Lesesaal der Aka¬
demie der Künste Berlin Ina Prescher, Renate Rätz, Stephan Dör¬
schel, den Damen Raasch, Zenke und Vollring und Herrn Lux
sowie Hildegard Dieke, Heidrun Fink und Thomas Kemme in
der Handschriftensammlung des Deutschen Literaturarchivs in
Marbach. Für seine Hilfe bei der Suche nach Kopien des Films
Der Rufdanke ich Armin Loacker (Filmarchiv Austria) und Ru¬
dolf Ulrich dafür, dass er mir sein Material über Kortner zur
Verfügung gestellt hat. Besonderen Dank schulde ich Marianne
Brün-Kortner (1929 — 2014) für ihre nimmermüde Bereitschaft,
Fragen zu beantworten und für die Genehmigung, Auszüge aus
den Briefen und dem Drehbuch Der Ruf abzudrucken, leider
kann mein Dank sie nun nicht mehr erreichen.
1 Zitiert nach: Klaus Völker: Fritz Kortner. Schauspieler und Regisseur.
Berlin 1987, 138.
2 Zum Zürcher Schauspielhaus vgl. Werner Mittenzwei: Exiltheater in der
Schweiz. In: Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933 — 1945.
Hg. v. Frithjof’Irapp, Werner Mittenzwei, Henning Rischbieter, Hansjörg
Schneider. Bd.1: Verfolgung und Exil deutschsprachiger Theaterkiinstler.
Miinchen 1999, 259 — 288.
3 Aufbau Jg. 11, Nr. 2, 21. Juni 1945, 9.
4 Die von Fritz Kortner mitunterzeichnete Deklaration ist abgedruckt in:
Ursula Langkau-Alex, Thomas M. Ruprecht (Hg.): Was soll aus Deutschland
werden? Der Council for a Democratic Germany in New York 1944 — 1945.
Aufsätze und Dokumente. Frankfurt, New York 1995, 155-163.
5 Vgl. dazu meinen Beitrag „Ich habe keine Ahnung, was aus uns werden
wird.“: Fritz Kortner im amerikanischen Exil 1937 — 1947. In: Das Gedächtnis
des Films. Fritz Kortner und das Kino. Hg. v. Armin Loacker/Georg Tscholl.
Filmarchiv Austria. Wien 2014, 191-222.
6 Kortner an Valerie Goetz, 9. Februar 1947. Curt Goetz- und Valerie von
Martens-Archiv (Archiv Akademie der Künste Berlin = AdK). Goetz und
seine Frau waren Schweizer Staatsbürger und konnten sofort nach Kriegs¬
ende zurückkehren.
7 Beide Stücke wurden erst postum publiziert: Fritz Kortner: Theaterstücke.
Donauwellen & Nacht und Nebel. Hg. v. Mathias Brand. Köln 1981.
8 Alice Herdan-Zuckmayer an Johanna Hofer und Fritz Kortner, 24. Juni
1947 (Deutsches Literaturarchiv Marbach = DLA).
9 Kurt Hirschfeld war seit 1938 Chefdramaturg am Zürcher Schauspielhaus.
10 Kortner an Johanna Hofer, 7. Dezember1947 aus Zürich (AdK).
11 Erich Engel war von 1945 - Juli 1947 Intendant der Münchner Kam¬
merspiele und seit Herbst 1947 in Berlin als Regisseur tätig.
12 Kortner an Johanna Hofer-Kortner, 27. Dezember 1947 (AdK). In
seinem 1949 publizierten Aufsatz „Ein neuer Dramatiker — Fritz Kortner“
schreibt Herbert Jhering, dass er beide Stücke Kortners, Nacht und Nebel
und Donauwellen, gelesen habe. Abgedruckt in: Völker: Kortner a.a.O., 211f.
13 Korrespondenz Kortners mit Paul Gordon im Nachlass Kortner (AdK).
Der 1940 aus Europa in die USA geflohene Produzent Paul Gordon vertrat
Kortner nur als Bühnenschauspieler für Deutschland und Österreich. Er
verhandelte auch in Wien und in der Schweiz über Gastspiele Kortners. Im
Falle eines Abschlusses sollte er 10% der Gage erhalten. Die Verhandlungen
wurden diskret geführt, denn „alle emigrierten Schauspieler bemühen sich
nach Berlin zukommen“, schrieb Gordon an Kortner am 9. Mai 1947 (AdK).
14 Bertolt Brecht an Kortner, Juni 1947. In: Völker: Kortner a.a.O., 196.
Noch 1951 plante Brecht eine Inszenierung des Leben des Galilei am Berliner
Ensemble mit Kortner in der Hauptrolleaber Kortner hat den Galilei nie
gespielt und auch das Schauspiel nie inszeniert.
15 Kortner an Peter V. Herald, 8. Juli 1947 (AdK). Peter V. Herald (1920
- 2007) war der Sohn des früheren Reinhardt-Dramaturgen Heinz Herald
und 1937 in die USA emigriert. Nach seinem Dienst in der amerikani¬
schen Luftwaffe war er bis 1954 in der amerikanischen Militärregierung
in Deutschland tätig.
16 Weitere Vorschläge von Kortner für sein Gastspiel waren die Rollen
John Gabriel Borkman, Herodes, Zar Paul, Prof. Bernhardi und Dr. Schön.
17 Kortner an Paul Gordon, 18. Juli 1947 (AdK).
18 Vgl. James K. Lyon: Bertolt Brecht in Amerika. Frankfurt/M. 1984, 422.
19 Benno Frank (eigentlich Fraenkel, 1905 — 1980) war vor 1933 am deut¬
schen Theater tätig gewesen. Er emigrierte 1933 nach Palästina, 1939 in
die USA. 1945-48 war er Leiter der Bereiche Theater und Musik der ame¬
rikanischen Militärregierung.
20 Langhoff an Kortner, 19. August 1947 (AdK). Am 22. August 1947
sagte Langhoff auch die Erstattung der Reisekosten zu, obwohl wir „kei¬
ne Valuta besitzen“ und schrieb Kortnerdas Deutsche Theater sei mit den
„Bezügen an die Höchstgrenze der bei uns möglichen Gastspiel-Honorare“
gegangen (AdK).