Am 21. April 2015 enthüllten der israelische
Botschafter S.E. Zvi Heifetz und sein chinesi¬
scher Amtskollege S.E Bin Zhao eine Gedenk¬
tafel für den ehemaligen chinesischen General¬
konsul Dr. Feng-Shan Ho. Diese befindet sich
an der Außenfassade des Hotels Ritz-Carlton
Vienna am Beethovenplatz 3. Hier befand sich
in den 1930er Jahren das chinesische General¬
konsulat. Die Tochter von Dr. Feng-Shan Ho,
Manli Ho, war ebenfalls mit einer Delegation
aus ihrer Heimatprovinz Hunan bei der Zere¬
monie anwesend.
Feng-Shan Ho (1901-1997) kam im Frühjahr
1937 als Diplomat an die chinesische Botschaft
in Wien und bekleidete die Position des Ersten
Sekretärs. Da er im Gegensatz zu Botschafter
Tung Degang fließend Deutsch sprach, hatte
er bei allen Gesprächen eine zentrale Funktion
inne. Seinen Doktor in politischer Ökono¬
mie hatte er 1932 in München erlangt. Nach
dem „Anschluss“ 1938 wurden sukzessive alle
Botschaften in Wien geschlossen. Daher wurde
auch Botschafter Tung abberufen, Ho erhielt
den Auftrag, stattdessen ein Konsulat einzurich¬
ten. Bald standen täglich Menschenschlangen
auf dem Beethovenplatz, um ein Visum für
Schanghai zu erlangen. Dies war weltweit der
einzige Hafen, für den man kein Einreisevisum
benötigte. Doch für die Ausreise aus dem „Deut¬
schen Reich“ mussten Papiere vorgelegt werden,
wonach ein anderer Staat zur Aufnahme bereit
sei. Ho handelte aus reinem Altruismus und pro¬
duzierte diese Papiere. Er halfauch jenen, die gar
nicht nach Schanghai wollten. So kamen auch
Internierte aus Dachau oder Buchenwald frei.
Die genaue Anzahl der Geretteten lässt sich nicht
mehr eruieren, doch sie dürfte in die Tausende
gehen. So entkamen Kalman und Anna Singer
nach Kuba, die Eltern des späteren Vorsitzen¬
den des World Jewish Congress Israel Singer.
Dr. Feng-Shan Ho verließ Wien im Mai 1940.
Nach seinem Tod wurde er von Yad Vashem als
„Gerechter unter den Völkern“ geehrt.
Marcus G. Patka
Vgl. dazu auch Marcus G. Patka: Feng-Shan Ho
— der chinesische Konsul in Wien von 1937 bis
1940. In: ZW Nr. 1/2001, S. 38f
Am Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft
wurde im November 2014 ein Buch vorgestellt, das
erstmals 1918 im Verlag Heller unter dem Titel
„Mandlbogen. Typen und Bilder aus Wien. 1912¬
1918“ erschienen war. Der Autor Alexander Salkind
zeichnet indem Buch Szenen aus seiner Stadt Wien,
unterteilt in die zwei Hälften „Wien im Frieden“
und „Wien im Kriege“. Die Neu-Herausgabe des
Buches ging aus einem Rechercheprojekt zur Insti¬
tutsgeschichte hervor und wurde von Barbara Agnese,
Sabine Bergler und Tanja Friedwagner verwirklicht.
Was das Buch für die Studierenden der Wiener
Komparatistik und Frau Professor Agnese bedeutet,
ging Marianne Windsperger in einem Gespräch
mit den Herausgeberinnen nach.
Das Buch ist im Rahmen der Lehrveranstaltung
„Shoah und Literatur — Lyrik, Prosa und Essay¬
istik im Vergleich“ am Institut für Vergleichende
Literaturwissenschaft entstanden. Kannst Du bitte
kurzerzählen, warum Du diese Lehrveranstaltung
über viele Jahre hinweg angeboten hast und wie
Ihr dann schließlich dazu gekommen seid, dieses
Buch zu machen?
Barbara Agnese: Das Thema war immer sehr
zentral für mich und in meiner Forschung, und
ich hatte bemerkt, dass eine gewisse „Anfrage“
von Seiten der Studierenden da war. Daich am
Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft
Assistentin war, war es mir möglich, Texte und
Motive komparativ zu betrachten, das hat immer
wieder für mich (und ich hoffe für die Studie¬
renden auch) zu interessanten Ergebnissen und
kleinen Entdeckungen geführt. Gelesen haben
wir AutorInnen wie Primo Levi, Elie Wiesel, Imre
Kertesz, Jean Am£ry, Ruth Klüger, Nelly Sachs,
Jorge Semprün usw.
Im Jahr 2009/2010 hatte ich auch vorgesehen,
eine gute Basis an Zeitgeschichte anzubieten,
Filmdokumente aus der Zeit zu zeigen, ich hatte
auch einen Gast eingeladen, der über zwei wenig
bekannte Billy Wilder-Filme, die direkt mit den
Lagern oder mit derunmittelbaren Nachkriegszeit
zu tun haben, gesprochen hat.
Und da es um Zeitgeschichte, Literatur, Rassis¬
mus, Deportation und Arisierung ging, habe ich
mir gewünscht, etwas „Praktisches“ einzubauen.
Damals war die Universität Wien gerade dabei,
sich mit ihrer Vergangenheit in den Jahren 1938¬
1945 auseinanderzusetzen. Ein Fragebogen zum
Thema ,,Erinnerungs- und Gedenkkultur der
Universitat Wien“ wurde an die verschiedenen
Institute verteilt. Die Fragen waren z.B. „Wurde
die Geschichte des Instituts / der Disziplin zwi¬
schen 1938 und 1945 aufgearbeitet?“ Das Institut
für Vergleichende Literaturwissenschaft wurde
erst 1980 gegründet, war daher in der benannten
Zeit noch nicht „da“, wohl aber das Gebäude in
der Berggasse 11, in dem das Institut von Beginn
an angesiedelt war. In der Lehrveranstaltung
wollten wir uns folgende Fragen stellen: Wer
waren die BewohnerInnen des Hauses Berggasse
11 zwischen 1938 und 1945? Wurde jemand
aus dem Haus während der Zeit des National¬
sozialismus vertrieben und/oder ermordet? Für
die Recherche über das Eckhaus Berggasse 11 /
Liechtensteinstraße 19 meldeten sich freiwillig
drei Studentinnen: Alice Bogner, Stefanie Krasser
und Tanja Friedwagner, zwei davon studierten
auch Geschichte. Es war eine Recherche, bei
der wir nicht wussten, wie sie ausgehen würde.
Die Idee zu Erforschung der Geschichte des Hauses
Berggasse 11 ist ja aus unterschiedlichen Impulsen
hervorgegangen: einerseits aus der Aufforderung
des Forums Zeitgeschichte, sich mit der Geschichte
des Instituts zu befassen, andererseits die Lehrver¬
anstaltung von Frau Prof. Agnese zu Literatur und
Shoah. Kannst Du mir erzählen, wie das Buch
Mandlbogen zu Dir gekommen ist? Wie hast Du
von dem Buch erfahren und warum wurde daraus
die Idee, das Buch neu herauszugeben?
Tanja Friedwagner: Wie Barbara Agnese schon
erwähnte, stand also zunächst dieses Projekt im
Raum und man wusste überhaupt nicht, was
rauskommen würde, und das war das, was mich
besonders interessiert hat, das hat mich irgendwie
gepackt. Es haben sich dann drei Leute gemeldet,
Stefanie Krasser, Alice Bogner und ich. Zwei
von uns haben Geschichte studiert, dennoch
wussten wir überhaupt nicht, wie wir vorgehen
sollten, denn die eigentliche Forschungsarbeit
sowie Kenntnisse über die jeweils zuständigen
Stellen und Ansprechpartner vertieft man erst in
der Praxis und weniger in einem Uni-Seminar.
Prof. Agnese stellte den Kontakt zu Dr. Herbert
Posch vom Institut für Zeitgeschichte her, der
mit uns das weitere Vorgehen besprochen hat,
weitere wichtige Informationen zu den ehemaligen
BewohnerInnen des Hauses kamen von Hannah
Lessing und dem Nationalfonds der Republik
Österreich für Opfer des Nationalsozialismus,
der Datenbank des Projekts „Letter to the Stars“