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Zerstörung der politischen Organisation, der
kulturellen Einrichtungen und gewerkschaft¬
lichen und sozialen Rechte — konfrontiert war.

Dabei hört man weniger von hohen Funkti¬
onären und innerparteilichen Diskussionen als
von den Auseinandersetzungen der „einfachen“
Arbeiter. Von ihnen wurden einige zu Helden,
wie der oft genannte Koloman Wallisch, Arbei¬
terführer in Bruck an der Mur, der im Februar
gefangen genommen und standrechtlich hin¬
gerichtet wurde.

Hackl bekennt in seinem Vorwort: „Das war
uns durchaus ein Auswahlprinzip — möglichst
viele Beiträge zu sammeln, die von denen han¬
deln, die an den Kämpfen beteiligt und von
diesen unmittelbar betroffen waren.“ Was hier
gesammelt wurde ist „sozialdemokratisch inspi¬
rierte Februarliteratur“ — das ist legitim, verweist
jedoch auch auf einen fragwürdigen Aspekt. Ge¬
schichte wird hier mit Geschichten vermittelt,

Herbert Kuhner
Ausgewogenheit

Sicher hätte Kain

mit dem Stein

nicht auf Abels Kopf
zielen sollen,

aber musste Abels Kopf
gerade dem Stein

im Wege sein?

Aus „Rauch und Feuer“, dem 4. Band der Lyrik¬
reihe „Nadelstiche“.

was herauskommt, ist eine einseitige Geschich¬
te. Hackl beschwert sich im Vorwort über eine
Auffassung von Literatur, die jede Parteilichkeit
ablehnt oder relativiert. Nur ist solche Parteilich¬
keit zu Recht eine heikle Sache, allzu leicht wird
sie fahl und eintönig — ein Eindruck, der auch
bei diesem Sammelband entstehen kann. Was
ist mit den Geschichten der Heimwehrkämpfer
und deren Familien, der Polizisten, die plötzlich
auf ehemalige Kameraden schossen?

Die Stärke des Buches liegt aber in den gut
ausgewählten und arrangierten kurzen Texten
und Auszügen, die den vielfältigen, kaleido¬
skopischen Charakter dieses Sammelbandes
ausmachen. Es sind die Details, die kleinen
Kontroversen und unscheinbaren Vorfälle, die
hier mehr aussagen als eine Beschreibung der
großen Ereignisse. Vielsagend ist die Konzen¬
tration auf kleine Szenerien wie ein in Gewalt
ausartender Streit zwischen zwei plötzlich

verfeindeten Nachbarskindern, der Kampf eines
märtyrerischen Gemeindebaubewohners oder
die Geschichte einer alten Hausbesorgerin, die
sich in ihrem Stiegenhaus der Polizei in den Weg
stellt. Im Hintergrund ertönen immer wieder
die Stimmen der Regierung aus dem Radio, so
wie sie Peter in Kurt Neumanns Roman hört.

Leser und Leserinnen können sich über eine
Vielzahl unterschiedlicher Texte zu den Feb¬
ruarkämpfen 1934 freuen, wenn auch nicht
jeder Beitrag die Komplexität des Geschehens
einfangen kann. Diese erschließt sich aber in
ihrem Zusammenspiel, in den Ergänzungen, den
Spiegelungen und den Widersprüchen.
Thassilo Hazod

Erich Hackl, Evelyne Polt-Heinzl (Hg.): Im Käl¬
tefieber. Februargeschichten 1934. Wien: Picus
Verlag 2014. 327 S. Euro 22,90

Ich lernte Ernst Papanek 1967 kennen, als ich
ihn für meine Dissertation über die Geschichte
der sozialdemokratischen Jugendbewegung in
Österreich schriftlich interviewte. Hätte ich das
nun erschienene Buch mit aufschlussreichen bio¬
grafischen Beiträgen und ausgewählten Schriften
damals zur Hand gehabt, hätte ich mir einiges
an Fragenaufwand erspart. Denn ich schickte
Papanek, dem letzten Obmann der SAJ vor
1934, einen Fragenkatalog von 16 Seiten und
hätte ihm wohl nicht böse sein können, wenn er,
ein renommierter Universitätsprofessor in New
York, dies als Zumutung seitens eines Studenten
empfunden hätte. Wie sein Sohn Gustav bei
der Präsentation des Buches im Literaturhaus
in Wien im Mai 2015 berichtete, war Geduld
eine Stärke seines Vaters - eine Eigenschaft, die
für einen antiautoritären Erzieher wohl uner¬
lässlich war. Papanek beantwortete alle meine
Fragen in mehreren Briefen ausführlich und
erwies sich als eine meiner wichtigsten Infor¬
mationsquellen. (Vgl. Wolfgang Neugebauer:
Bauvolk der kommenden Welt. Geschichte

84 ZWISCHENWELT

der sozialdemokratischen Jugendbewegung in
Österreich, Wien 1975).

Papanek hatte die SAJ schon vor den Feb¬
ruarkampfen 1934 und dem Verbot der So¬
zialdemokratie auf die kommende Illegalitat
vorbereitet und musste, um seiner Verhaftung
zu entgehen, wie viele andere Sozialdemokra¬
ten in die CSR flüchten. Im Auslandsbüro der
österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS) in
Brünn war er für die Unterstützung der (illega¬
len) Revolutionären Sozialistischen Jugend (RSJ)
zuständig und vertrat diese in der Sozialistischen
Jugend-Internationale (SJD. In ihrem Auftrag
unternahm er einige heikle Missionen, u.a. im
1936 ausgebrochenen Spanischen Bürgerkrieg
und in der (nationalsozialistisch regierten) Freien
Stadt Danzig, wo er 1935 inhaftiert wurde, aber
entkommen konnte.

Nach dem „Anschluss“ Österreich 1938
flüchtete Ernst Papanek mit seiner Familie
nach Frankreich, verzichtete aber auf die be¬
reits ausgestellten USA-Visa, weil er das für ihn
verlockende Angebot der OSE, einer jüdischen

Wohlfahrtseinrichtung für Kinder, annahm,
Kinderheime in Frankreich zu leiten. Von 1938
bis 1940 wirkte er als Generaldirektor von insge¬
samt 11 Kinderheimen, in denen 1.600 jüdische
Flüchtlingskinder - linke, orthodoxe, zionis¬
tische, bürgerlich-liberale — aus Deutschland,
Österreich, CSR, Polen und anderen Ländern
untergebracht waren; unterstützt wurde er da¬
bei von seiner Frau Helene, einer Ärztin und
Psychoanalytikerin, die zuvor die ihrer Familie
(Goldstern) gehörende Heilanstalt Fango in
Wien geleitet hatte. Seine Kinder Gustav und
Georg sowie seine spätere Schwiegertochter
Hanna Kaiser, Tochter des SPD-Reichstags¬
abgeordneten Alexander Stein, waren in den
Heimen Montmorency und Chateau Montintin
untergebracht und in einer von Marianne Pollak
und Erna Sailer betreuten Roten Falken-Gruppe
aktiv.

In den OSE-Heimen hatte der studierte Päd¬
agoge und Lehrer Ernst Papanek Gelegenheit,
seine von Alfred Adlers Individualpsychologie,
der sozialdemokratischen Erziehungsbewegung