nicht zuletzt darin, dass er die Hälfte des Gelds,
das er 1960 bei der Verleihung des Dr.-Karl¬
Renner- Preises erhielt, österreichischen Mu¬
sikern spendete.
Die ausgezeichnete Übersetzung, die sachlich
wie historisch kundigen Nachworte, sowie der
Abdruck von Kommentaren aus Printmedien
zwischen 1914 und 1917 erleichtern das Ver¬
ständnis für Kreislers Haltung.
Susanne Alge
Fritz Kreisler: Trotz des Tosens der Kanone. Front¬
bericht eines Virtuosen. Hg. von Clemens Hellsberg
und Oliver Rathkolb. Aus dem Englischen von
Brigitte Hilzensauer. Wien: Braumiiller 2015.
140 5. € 18,90
Brigitte Mayr und Michael Omasta haben aus
dem Archiv des Fotografen und Kameramanns
Wolf Suschitzky einen neuen Fotoband zusam¬
mengestellt, nachdem der 2006 bei SYNEMA
erschienene Bildband „wolf suschitzky, photos“
rasch vergriffen war. Der neue Band, „Seven
Decades of Photography“, enthält 170 ganz¬
seitige, zwischen 1930 und 2001 entstandene
Schwarzweiß-Fotografien in Duotone-Druck.
Suschitzky, im selben Jahr geboren, da die
Titanic vom Stapel gelassen wurde, und zwar in
Wien-Favoriten als Sohn eines Buchhändlers,
emigrierte vor dem Austrofaschismus Mitte der
30er Jahre zuerst nach Holland, danach nach
London, wo er seit 1935 lebt. Zwischen 1937
und 1993 wirkte er an rund 200 Filmen als
Kameramann mit. Begonnen hat er im Gen¬
re des britischen Dokumentarfilms. Den Weg
zu dieser Profession, die ihn ein Leben lang
ausfüllte, ebnete ihm, Abgänger der Höheren
Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt
in Wien, seine Fotografie. Dieses Medium er¬
laubte es ihm, dem Verhalten von Tieren, ihrer
Schönheit, ihrem jeweils spezifischen Ausdruck,
nachzuspüren. Seine Liebe zu den Menschen,
sein Humor, aber auch sein unbestechlicher Sinn
für das Bildhaft-Wahrhaftige, spricht aus seinen
Dokumentationen und Gelegenheitsaufnah¬
men, die er als Kameramann, in aller Welt unter¬
wegs, mit nach Hause brachte. Unaufdringlich,
aber bestimmt geht auch aus diesem Band sein
Interesse für die sozialen und ökonomischen
Bedingungen, unter denen Menschen zu leben
und zu arbeiten haben, hervor.
Am 19. Mai 2015 wurde, nach einer Prä¬
sentation des Buches im Austrian Cultural Fo¬
rum London und einer Signierstunde in The
Photographer's Gallery, der Fotoband im Wie¬
ner Literaturhaus vorgestellt. Zu diesem Ereignis
kam der bald 103-jährige „Su“, wie er von seinen
Freunden in der Filmbranche genannt wurde,
mit seiner Lebensgefährtin Heather Anthony aus
London angereist, um sein Buch zu signieren.
Omasta und Mayr gestalteten den Abend ihres
Freundes mit einer Projektion ausgewählter
Fotos aus dem Band und der Vorführung des
Kurzfilmes „Ihe Bespoke Overcoat“ aus dem
Jahre 1956, der eindrucksvoll die Kamerafüh¬
rung von Suschitzky bei extremen Hell-Dunkel¬
Verhältnissen nachvollziehbar machte (der Film
basiert übrigens auf Nikolai Gogols Novelle
Erzählt wird aus der Perspektive eines Kindes,
das im Ghetto Theresienstadt die Kälte und die
Not spürt, doch auch die Liebe der Eltern und
der Tanten, mit denen es als kleines Mädchen
zusammen in das Konzentrationslager deportiert
wurde. Das Kind ist klein, bekommt vieles mit,
auch, dass die Eltern fast verhungern. Ihr, der
Kleinen, wird das irgendwo ergatterte Stückchen
Brot, eigentlich der Bissen, zugesteckt. Ein we¬
nig schämt sich das Kind wegen des knurrenden
Magens, „ein wilder, knurrender Hund“ ist er
geworden. Sie ist zu klein, um zu wissen, doch
groß genug, um zu spüren. Was bedeutet Krieg,
wovon die Erwachsenen sprechen? Was ist ein
Ghetto? Was ist im Osten?
Bereits König Pharao hat die Juden verfolgt,
erfährt das Kind; Hitler, der Nazi, ist nicht der
Erste. Heimlich und flüsternd wird Pessach
gefeiert, die Nazis mögen das nicht. Am Seder¬
abend wird das Kind schön gemacht, der Afıkom
gesucht und überglücklich gefunden. Ganz nach
Artund Weise der jüdischen Kultur und ganz so
wie zu Hause. Auch ein Geschenk, wie es Sitte ist
und dazugehört, liegt auf dem Tisch, eingepackt
und mit der roten Masche zugebunden. Der
Maximus, das kleine Maxerl, das kleine hölzerne
Männlein, passt in die Manteltasche und wird
der Liebling des Kindes, beschützt es und wird
zum treuen Begleiter und Freund. Die Mutter
bindet zum Ende des Seders liebevoll die rote
Masche ins Haar.
Das Kind erfährt von Theresienstadt und
schließlich auch vom Krieg. Die Eltern und der
große Bruder, den das kleine Mädchen über alles
liebt, müssen Schwerstarbeit leisten. Ihre kind¬
liche Seele ist einsam, doch Maximus begleitet
sie. Der abendliche Besuch des Bruders erfreut
das Kind besonders. Der große Hunger, das rare
Essen ist ihrer aller „täglich Brot“. Der Zauberer
Maximus und die Fantasie des Kindes lassen
das heiße Wasser zur feinsten Kartoffelsuppe
werden. Das Jucken der wollenen Strümpfe
ist furchtbar, der Hunger jedoch ärger. Vom
Jucken und Beißen der Fliegen, der Läuse und
„Der Mantel“, die Handlung wurde jedoch in
ein jüdisches Milieu übertragen).
Nach unserer Wiederbegegnung an diesem
Abend, bei der ich auch den in Hastings leben¬
den Bruder von Heather sowie den jüdischen, in
Wien geborenen US-amerikanischen Literatur¬
wissenschaftler Egon Schwarz kennenlernte (er
las am 21. Mai in der Österreichischen Gesell¬
schaft für Literatur aus seinem Buch „Wien und
die Juden. Essays zum Fin de siecle“), schrieb
ich ihm einen Brief, in dem ich einerseits meine
Freude über unser Wiedersehen zum Ausdruck
brachte, andererseits auf die Qualität einiger
mir noch unbekannte Fotografien des Bandes
einging. Seine Antwort ließ nicht lange auf
sich warten. Sie stimmte mich jedoch traurig,
da ich einigen seiner Worte entnahm, dass er
seinen Abschied von dieser Welt, der er mit
seiner Kamera so vorurteilslos und mit Empathie
gegenübertrat, näherrücken spürt.
Richard Wall
Wolf Suschitzky: Seven Decades of Photography.
Hg. von Michael Omasta und Brigitte Mayr.
Hardcover. Wien: Synema 2014. 200 S. € 35,¬
vom Schmutz erzählt sie. Kieselsteine lutscht
das Kind, das verdrängt den Hunger nur kurz,
er plagt doch ungemein. Die verschüttete Suppe
und der Kampf mit dem vermeintlichen Dra¬
chen, einem großen schwarzen Leichenwagen,
werden dem Kind zum nächtlichen Alb.
Der Ausflug mit Maximus in den Garten hin¬
ter der Mauer des Konzentrationslagers ist ein
paradiesischer.
Das Kind beobachtet, dass Menschen ins
Ghetto kommen, andere abgeholt, weiter in den
Osten deportiert werden, viele gar verschwin¬
den. Wann sind sie an der Reihe? Typhus, die
tödliche Krankheit, bricht aus, Menschen ster¬
ben wie Fliegen. Der Tag der Deportation in
den Osten ist gekommen. Tränen laufen dem
Kind über das Gesicht im vollgestopften Zug in
die kaum zu beschreibende grausame Zukunft.
Ein stilles Buch, ein trauriges Buch, doch auch
voller Liebe, hat Annika Tetzner in Erinnerung
an ihre Kindertage im KZ Theresienstadt für