Pfeifenbergers Artikel einzuschreiten. Dr. Peter Kostelka, Vor¬
sitzender der SPÖ-Parlamentsfraktion teilte mir schriftlich mit,
dass „nach Ansicht der Anklagebehörde kein Verstoß gegen das
Verbotsgesetz vorliegt“. Diese Haltung änderte die weisungsge¬
bundene Staatsanwaltschaft fünf Jahre später unter einem aus der
FPÖ kommenden Justizminister.
Beispielhaft war die mir bewiesene Solidarität des Allgemeinen
Studentenausschusses (AStA) der Fachhochschule Münster, die
mich eingeladen hat. Seit damals bin ich mit dessen damaligem
Vorsitzenden Torsten Schulz-Lambeck befreundet.
Am 31. Januar 2000 war für 15 Uhr eine Pressekonferenz im
Parlament angesetzt, bei der Wolfgang Schüssel und Jörg Haider
ihr Koalitionsabkommen vorstellen sollten. Ich war zu dieser Zeit
freier Korrespondent von Kol Israel, des israelischen Rundfunks,
und ging ins Parlament, darauf hoffend, dass einer meiner frü¬
heren Kollegen bei der Arbeiter-Zeitung Jörg Haider bezüglich
der Kontakte seiner Partei zu Neonazi eine kritische Frage stellen
würde. Doch dies war nicht der Fall. Der eine Kollege berief sich
aufseine Familie, der andere auf eine Karriere, die ihm bevorstehe,
was sie hindere, eine solche Frage zu stellen. Wieder einmal wurde
ich mit Prinzipienlosigkeit und Opportunismus konfrontiert, was
meine Laune nicht besser werden ließ, zumal die Pressekonferenz
von Stunde zu Stunde verschoben wurde.
Doch endlich um 22 Uhr gerade rechtzeitig für ZiB 2 und
3sat sowie ntv kamen Wolfgang Schüssel und Jörg Haider in
den Saal und ich erhielt als dritter die Möglichkeit, Jörg Haider
zu fragen: „Herr Dr. Haider, Herr Landeshauptmann, in Ihrer
nächsten Umgebung befinden sich Leute, die den Holocaust
leugnen. Sie haben darauf, als ein gerichtliches Verfahren gegen
Ihren Mitarbeiter Mölzer eingeleitet wurde, gesagt, das sei ein
‚Randthema‘. Das war im August. Das war in den ‚Salzburger
Nachrichten‘. Als ein Holocaustüberlebender bin ich interessiert
von Ihnen zu erfahren, wie Sie dazu kommen, und nachdem Sie
sich entschuldigten für Aussagen, die Ihnen zugeordnet werden,
nicht die Aussagen, die Sie gemacht haben: Zehn Tage später wird
im Freiheitlichen Akademikerverband hier in Wien ein Vortrag
gehalten von Horst Mahler, da wird der Hitler angehimmelt, da
wird gesagt, die Juden sind die Feinde der Deutschen und Ihr
Generalsekretär Westenthaler distanziert sich nicht davon.
Und jetzt will ich von Ihnen konkret wissen, welche Glaub¬
würdigkeit haben Sie, wenn Sie sich von diesen Leuten nicht
abnabeln können? Können Sie sich überhaupt von diesen Leuten
abnabeln? Ich bin Korrespondent des Israelischen Radios, mein
Name ist Karl Pfeifer.“!°
Haider predigte in seiner Antwort „Toleranz“, worauf ich ihn
unterbrach und darauf hinwies, dass ich laut Wiener Oberlandes¬
gericht sagen könne, im Freiheitlichen Jahrbuch 1995 befänden
sich „Nazi-Töne“.
Ich fühlte mich nach meiner Frage erschöpft und ging durch
diesen Saal des Parlaments, in dem viele österreichische Jour¬
nalisten saßen, die mich persönlich kannten. Als Einziger hatte
Raimund Löw den Anstand und die Courage aufzustehen und
mir die Hand zu drücken.
Meine Auseinandersetzung mit Jörg Haider wurde live gesendet
und von mehr als 1.5 Millionen Zuschauern der ZiB 2, auf 3sat
und ntv gesehen.
An diesem Abend konnte ich nicht ahnen, welche Folgen mein
Auftritt haben wiirde. Es sollten noch vier Prozesse folgen, in
denen ich als Kläger fungierte und schließlich ein Verfahren vor
dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg, das
am 15.11.2007 mit einem für mich günstigen Urteil endete.
Während der darauf folgenden Tage erhielt ich einige Anrufe,
die mich zu meiner Konfrontation mit Haider beglückwünschten.
Allerdings kam Kritik aus der jüdischen Gemeinde; IKG-Amts¬
direktor Avshalom Hodik machte mir schriftlich den Vorwurf,
mich als Redakteur der „Gemeinde“ herausgegeben zu haben."
Nur zwei Wochen nach dieser Pressekonferenz erhob die Staats¬
anwaltschaft Wien auf Grund des 1995 publizierten Artikels eine
Anklage wegen NS-Wiederbetätigung gegen Werner Pfeifenberger.
Im Mai 2000 - während ich mich in Serbien aufhielt — wurde
meiner Frau telefonisch mitgeteilt, „der Herr Pfeifer soll in den
Bergen Selbstmord verübt haben“, nach ein paar Minuten kam
dann die Entschuldigung: „Nein, nicht der Herr Pfeifer, sondern
der Herr Pfeifenberger hat sich umgebracht.“
Am 2. Juni 2000 veröffentlichte die Wochenzeitung „Zur Zeit“
den von einer angeblich „christlich-konservativen Persönlichkeit“
mit Erwin Steinberger gezeichneten Artikel „NS-Verbotsgesetz: Die
Hetze gegen einen Wissenschaftler forderte ein Opfer. Tödlicher
Tugendterror“. Im Artikel wurde auch mein Foto gebracht, mit
dem ich als „Teil einer Jagdgesellschaft“ markiert wurde, „deren
Kampagne ein Menschenleben forderte“. Im Text hieß es:
Nach dem Erscheinen des Jahrbuches schrieb der jüdische Journalist
Karl Pfeifer in der Zeitschrift der israelitischen Kultusgemeinde „Die
Gemeinde“ in einer Rezension, das freiheitliche Jahrbuch enthielte
„Neo-Nazi- Töne“. Werner Pfeifenberger würde in seinem Aufsatz
„die Verherrlichung der Volksgemeinschaft“ betreiben, was im Zu¬
sammenhang mit der „von Jörg Haider gewünschten Abschaffung
der repräsentativen Demokratie gesehen werden“ müsse. Damit habe
Karl Pfeifer eine Menschenhatz eröffnet, „die in der Folge bis zum
Tod des Gehetzten gehen sollte“.
Ich wollte mir diese Diffamierung nicht gefallen lassen und
wandte mich an meinen früheren Arbeitgeber, an die IKG Wien,
mir zu helfen, meine Ehre zu schützen. Doch wie Anton Legerer
in der Jüdischen Rundschau Basel berichtete: „Die Israelitische
Kultusgemeinde wollte Pfeifer bei seiner Klage übrigens nicht
unterstützen, entsprechende Briefe Pfeifers blieben unbeantwortet.
Das Klagsrisiko wurde indes von der Journalistengewerkschaft
übernommen. “'?
Tatsächlich hatte die Gewerkschaft sofort begriffen, dass es
„Zur Zeit“ nicht nur darum ging, dem „jüdischen Journalisten
Karl Pfeifer“ die Verantwortung für den Selbstmord des WP zu
unterstellen, sondern auch um die Einschränkung der Meinungs¬
freiheit in Österreich.
Im Prozess vor dem Landesgericht für Strafsachen konnte „Zur
Zeit“ keinen Beweis dafür erbringen, dass der Freitod von Werner
Pfeifenberger im Zusammenhang mit dem ihm drohenden Ver¬
fahren stand. Ich hatte mit der Anklage der Staatsanwaltschaft gar
nichts zu tun und erfuhr erst im Juni 2000 davon. Natürlich hatte
ich auch nicht mit „linksgerichteten“ Politikern oder Journalisten
zusammengearbeitet oder auf sie Einfluss genommen. Ich habe
nicht einmal die mir in einer demokratischen Gesellschaft zur
Verfügung stehenden Mittel (Strafanzeigen) ausgeschöpft, sondern
lediglich einen Artikel geschrieben, der zu keiner medienrechtli¬
chen oder strafrechtlichen Verurteilung geführt hat.
Nicht einmal im Ansatz ist es „Zur Zeit“ gelungen, einen Zu¬
sammenhang zwischen meiner Rezension und dem fünf Jahre