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Es stellt sich die Frage: Wäre es nicht besser
gewesen, dem Lesepublikum eine spannende
Edition angeboten zu haben, die z. B. alle jetzt
über ANNO-Online zahlreich erschließbaren
Texte in österreichischen Zeitschriften und Zei¬
tungen seit den 1920er Jahren und jene Texte,
die analog dazu Werner Amstad bereits 1966
in deutschen und schweizerischen Zeitschriften
auflistet, umfasst? Dies hätte einen Schub in
der Wahrnehmung der Rezeptionsgeschichte

Briefe, Berichtigungen

Lieber Konstantin,

welch eine Zumutung, ein so reichhaltiges,
aufregendes und fabelhaft geschriebenes Heft
zuzuschicken wie Eure letzte Zwischenwelt. Man
möchte immer überspringen und kann es doch
nicht, weil jeder Absatz zählt und etwas Neues
bringt. Also beiße ich mich bei Euch fest, anstatt
zu schlafen, zu fressen und meinen Urlaub zu
genießen!

Lieber K., ich hoffe es geht Dir gesundheitlich
wieder besser und Du kehrst zu alter Tatkraft
zurück. Deine Beiträge sind wie immer ein Ver¬
gnügen der Wissenserweiterung und Erkenntnis.

Bin in der mehr oder minder keimfreien Nor¬
mandie in meinem Fachwerkhäuschen, immer
mit abwechselnden Freunden. Hoffe, man sieht
sich bald wieder. Sei umarmt. Dein alter Freund
Georg Stefan Troller, (Paris, 11.VII. 2020)

Lieber Konstantin, Du kämpfst gegen das Ver¬
gessen und wie eindrücklich! Eure Zeitschrift
ist ein Begegnungsort der oft Vergessenen, ein
wichtiger Versammlungsort von den uns nicht
immer Gegenwartigen. Soll ich sagen: ein Auf¬
hebungsort, ein Bergungsort... Bin einmal
mehr hingerissen.

Zu Jünger fällt mir nichts ein. In Frankreich
zum Entsetzen von Goldschmidt Pleiade-Autor,
von Mitterrand geliebt. Wie konnte Celan des¬
sen und Heideggers Nachbarschaft suchen! Muss
man es ihm nachsehen und nachsichtig sein?

Wehrmachtskäferofhziersschabe der eine,
der andere: Naziober-gurkenschmierer schon
in SEIN UND ZEIT, dessen Vokabular aus
MEIN KAMPF stammt. 1927. Vergesslichkeit
oder NICHTWISSENWOLLEN? Ein Thema
der Zwischenwelt. [...]

Irene Spiegel, durch Dich für mich entdeckt.
Danke.

Georg Elser: Man hat ihm nie verziehen, dass
er nicht Akademiker oder Offizier gewesen ist.
Dass er zuviel verstanden hat vor allen anderen,
das macht ihn verdächtig.

Ernst Krenek: Müsste zum österreichischen
Nationalmusiker gemacht werden. Zu einem
der vielen. Ihr habt ja so viele.

Schöner Schluss: Man kann Wahrheit nicht
verkünden, publizieren etc., weil das Geld
kostet. Stimmt ja. Auch eine Wahrheit. Eine
schöne Schlusswahrheit. Man muss also gegen

Haringers gebracht und wäre innovativ gewe¬
sen. Von besonderer Defizienz ist freilich der
bibliographische Apparat, was hier nicht näher
erläutert zu werden braucht. Hilfreich wären
auch ein Personen- und Sachregister, schlichtweg
mehr Professionalität und Präzision angebracht
gewesen — auch gründlicheres Überlegen und
Konzeptionieren, bevor man eine solche Arbeit
angeht. Haringer hätte es sich verdient — nach
dem Motto Haringers, das man in seinem Essay

die Wahrheit sein. Eine Bürgerpflicht. Wahrheit
darf nichts kosten.

Ihr habt wirklich eine Goldgräberzeitschrift.
Sag's Deiner ganzen Goldgräberzunft.
Charles Ofaire, Marburg, 16. Mai 2020

Stellungnahme zu Konstantin Kaisers Bericht
„Handke und die Folgen“ in ZW Nr. 1/2020,
S. 63f

Lieber Konstantin Kaiser,

ich möchte gern, dass in der Zeitschrift Zwi¬
schenwelt meine Uberlegungen zu Deinem
Bericht „Handke und die Folgen“ abgedruckt
werden. Dort hast Du mich und unsere kur¬
ze Auseinandersetzung zu Deiner Ablehnung
der „Erklärung deutschsprachiger Autorinnen,
LiteraturwissenschaftlerInnen, PublizistInnen,
ÜbersetzerInnen u.a. “als Handke-Fürsprecher’
angesprochen. Hätte es nicht zu den guten
publizistischen Gepflogenheiten gehört, mich zu
fragen, ob ich nicht, da es ja in Deinem Bericht
um meine Person und um mich als ‘Handke¬
Fürsprecher geht, ein paar Sätze dazu schreiben
möchte? Zunächst aber möchte ich mich da¬
gegen wehren, dass ich, von Dir als "Handke¬
Fürsprecher’ bezeichnet, um meine Kompetenz
als Leser gebracht werde — was genauso für die
anderen UnterzeichnerInnen der Erklärunggilt.

Jetzt, nachdem ich Deinen Bericht in Zwi¬
schenwelt gelesen habe, verstehe ich, dass Du
mich nicht dabeihaben wolltest. Denn Du fühl¬
test’ Dich, wie Du schreibst, „sogar versucht“,
„Handke vor seinen FürsprecherInnen in Schutz
zu nehmen“. Jedenfalls vor mir als Handke-Leser
hast Du Deine Zeitschrift ja bereits in Schutz
genommen und mich nicht zu Wort kommen
lassen und das auch indirekt erklärt: „Ihm“, das
heißt mir, schreibst Du wie ein hochmögender
Gönner, „musste ich antworten, es gehe hier
nicht um ‘Handke-Lektiire’, sondern um die
Lektüre jener ‘Erklärung‘“. Nur lässt sich meines
Erachtens das eine nicht vom andern trennen.

Mir geht es um die Handke-Lektüre, weil ich
ein Leser bin. Vor allem von den Büchern Hand¬
kes bin ich aufmerksam gemacht worden für die
Sprache und das Sprechen und dafür, welche
Dinge mit der Sprache gedreht werden. Und als
Leser, mit Handkes Texten seit langem vertraut,
habe ich die Erklärung unterschrieben. Weil es
Dir in diesem Fall nicht um die Handke-Lektüre

„Über die Liebe zu Büchern“ (1932) nachlesen
kann: „Was kümmern sich richtige Menschen
um deinen Anzug, aber an deinen Büchern se¬
hen sie, wer du bist.“

Karl Müller

Jakob Haringer: Du bist für keinen Stern, kein
Glück geborn! Leben, Prosa & Lyrik. Eingeleitet
und ausgewählt von Dieter Braeg. 1. Aufl., Berlin:
Die Buchmacherei 2018. 328 S.

geht, möchte ich als Handke-Leser kurz auf
Deinen Bericht eingehen.

Du schreibst zum Beispiel, gegen die Unter¬
zeichnerInnen der Erklärung gewendet, sie
hätten es versäumt, die Handke-Diskussion
„tunlichst“ zur Auseinandersetzung mit den
„schrecklichsten Verbrechen der europäischen
Nachkriegsgeschichte“ zu nützen: „Unfreiwil¬
lig gemahnt die ‘Erklärung’ dadurch an einen
anderen Fall von Verdrängung, der mit dem
Namen Waldheim verbunden ist.“

Du tust bei diesem fragwürdigen Vergleich,
den Du herstellst und der eine Gemeinheit ist,
so, als wäre das eine allgemeine Einsicht und
nicht Deine Meinung. Auch in der geschraub¬
ten Phrase zeigt sich die Falschheit Deiner
Gemahnerei. Dass Dich die Erklärung an den
„Stil routinierter gewerkschaftlicher Empörung“
erinnert, diese Unterstellung ‘gemahnt’ mich
an die übliche stereotype Verhöhnung gewerk¬
schaftlicher Arbeit durch die Rechtsparteien.
Mein Wunsch geht eher in eine ganz andere
Richtung: Dass ‘gewerkschaftliche Empörung’
sich diese Sprache zutraut. Der Sprache Deiner
Empörung gegen die Erklärung aber — „Der An¬
mutung, sich damit gemein zu machen, mußte
widersprochen werden“ — wäre nicht unbedingt
zu folgen. Diese edle Sprache empfiehlt sich we¬
niger für eine Gewerkschaftsversammlung als für
eine Sammlung von hochtrabenden Stilbliiten
unter dem Titel: ‘Hier spricht die Obrigkeit!’
(eines Zeitschriftenredakteurs). Konstantin, Du
brauchst den Handke in Deiner Zeitschrift nicht
mehr vor mir und meinesgleichen zu schützen.
Aber um den Abdruck dieser Entgegnung zu
Deinem Text in der nächsten Nummer von Zwi¬
schenwelt möchte ich Dich ersuchen.

Hans Höller, Salzburg, 29.April 2020

Danke, lieber Hans Höller, für die aufmerksame
Lektüre meiner Stellungnahme zur Handke-Er¬
klärung, die Du aber nicht unterschreiben muss¬
test. Eine ähnlich aufmerksame Lektüre hätte die
Erklärung verdient, die Du leider unterschrieben
hast. - K.K.

Ebenfalls zu Konstantin Kaisers Bericht „Handke
und die Folgen“ in ZW Nr. 1/2020, S. 63f¬

Lieber Konstantin, ich habe eben Deine Stel¬
lungnahme zur „Erklärung deutschsprachiger

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