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deutscher Nationalität war lange Zeit ein problematisches "Thema.
Auch nach der Wiederherstellung der Demokratie im Jahre 1989
passte er nicht in die etablierten Vorstellungen von der modernen
tschechischen Geschichte und blieb daher auch im Laufe weiterer
Jahre im Hintergrund des Interesses der Politiker wie auch der
Historiker. Die Regierung der Tschechischen Republik erkannte de
facto erst im Jahre 2005 die Verdienste dieser unserer Mitbürger an
und entschuldigte sich bei ihnen für die Demütigungen, die ihnen
nach dem Krieg zugefiigt worden sind.“

»lm August 2005 verabschiedete die tschechische Regierung eine
Resolution, in der sie den deutschen Antifaschisten tiefe Anerken¬
nung und zugleich ihre Reue aussprach. Die Resolution setzte ferner
Finanzmittel für ein Projekt frei, das folgenden Titel trägt: ,Doku¬
mentation der Schicksale aktiver Antifaschisten, die nach dem Ende
des Zweiten Weltkriegs von den Maßnahmen betroffen waren, die in
der Tschechoslowakei gegen die sogenannte feindliche Bevölkerung
ergriffen wurden‘. Dies umfasst die Sammlung von zahlreichen
Zeitzeugenberichten, die Durchführung von Archivforschung, die
Einrichtung einer Datenbank der deutschen Antifaschisten, die
Veranstaltung wissenschaftlicher Konferenzen und Vorlesungen,
die Herausgabe von Publikationen usw.

Zum Projekt gehört auch die große Wanderausstellung Vergessene
Helden. Die Autoren der Ausstellung sind das Institut für Zeit¬
geschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, das
Museum der Stadt Usti nad Labem und das Nationalarchiv ...““
In dieser Ausstellung war auch eine Tafel „Bratfi Morcheovi/Die
Brüder Morche“ zu schen. Die Ausstellung wurde 2009 auch in
Wien gezeigt.

Aus geografischer und zeitlicher Distanz frage ich mich heute: Wofür
haben sie gekämpft? Wofür haben sie ihr Leben geopfert?

Der einzige Überlebende der Fallschirmspringer-Einheit, in der
Helmut Morche gekämpft hatte, Iwan Cerepenko, hatte vor die¬
sem Einsatz bei den Partisanen in den Karpathen gekämpft‘ - für
eine freie Tschechoslowakei? Tanskarpatien, die Karpatho-Ukraine
wurde 1945 der Sowjet-Union einverleibt.

War die CSSR sozialistisch? War die DDR demokratisch?

Was ist Demokratie? Ich glaube: Wenn alle ihre Meinung sagen
können, und gehört werden, miteinander einen Kompromiss suchen,
mit dem sie leben können.

Heute klingt das alles, woran sie geglaubt haben, nach doppelzüngi¬
gen Phrasen. Ich glaube, sie waren überzeugt, für Frieden, Freiheit,
Gerechtigkeit zu kämpfen. Sie waren ihrer Partei ergeben, und die
hat sie benützt; salopp formuliert: Der Menschenfresser benützte
die Hoffnung vieler auf Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit; er
verbiindete sich einmal mit Thalmann (oder Thalmann mit ihm),
dann mit Hitler, um seine Macht zu starken und auszubauen; nach¬
dem der treubrüchig wurde, verbündete er sich mit Bene$, dem er
die Sudetendeutschen samt ihren Kommunisten zur Ausweisung
überließ. Die Ausgewiesenen benützte er dann zur Kolonisierung
des frisch eroberten Teils Deutschlands. Und jetzt (auch schon 15
Jahre her) kommen ein paar tschechische HistorikerInnen und
finden, dass ihr Geschichtsbild aus einem nicht wirklich astreinen
Holz gezimmert war und das Bild ziemlich verzogen ist.

Auch wenn sie keine Helden waren, wenn sie für mich heute keine
Vorbilder sind — sie haben gelebt, und was sie getan haben wirkt
heute noch nach.

Ihr Andenken ist wert aufgehoben zu werden.

Unsere Kinder legen, nehme ich an, auf meinen Rat wenig Wert,
aber den Enkel- und Urenkelkindern möchte ich raten, wenn sie
diese Geschichte lesen: Imagine there's ... nothing to kill or die
for — nichts, um dafür zu töten oder zu sterben (John Lennon).

Anmerkungen

Grundlage dieses Beitrages ist, wenn nicht anders angegeben, die Chronik „Elisabeth
Morche und ihre Söhne“, die Peter Mildner, Sonja Pick und Bernd Morche für
die Enkel ihrer Großmutter und deren Kinder und Enkelkinder zusammenge¬
stellt haben.

Die zitierten Briefe an Herbert Morche befinden sich im Besitz seiner Tochter, alle
anderen sind in meinem Besitz, Kopien davon im Stadtmuseum Üsti nad Labem.
Die Kopien aus dem Kaderakt von Helmut Morche beschaffte mir Julia Köstenber¬
ger, auf Vermittlung von Hans Schafranek, aus dem Komintern-Archiv in Moskau.

1 Bernhard Kuschey: Bezüge eines „Staatsvertragskindes“ zu antinazistischem
Widerstand und Exilerfahrung. In: Zwischenwelt 36. Jg. Nr. 3-4, November
2019, S. 25 (u.a. Rezension von: Ernst Berger, Ruth Wodak: Kinder der Rück¬
kehr. Geschichte einer marginalisierten Jugend. Wiesbaden: Springer VS 2018).
2 Benachrichtigung der k.k. Bezirkshauptmannschaft Leitmeritz.

3 Brief von Elisabeth Morche, Pirna d. 5. März 1956.

4 Fragebogen für nach Russland gekommene Politemigranten, Moskau, 15.
April 1939. Im Kaderakt Morche Helmut im Komintern-Archiv Moskau.
5 Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Pirna, Schutzpolizei-Dienstauf¬
sicht, datiert 3. Januar 1940.

6 Zdenka Kokoskovä und Autorenteam: Die Brüder Morche. In: Schicksale
der vergessenen Helden. Hg. v. Nationalarchiv der CR, Praha 2008, S. 56—
61, S. 56; Kopie des Briefs von Elisabeth Morche an Sturmführer Tappert.
7 Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. September 1934 in den
Akten des Rates der Stadt Pirna — Polizeiamt Nr. 2994, Bl. 4.; Ausweisung
Bl. 7; an das Jugend- u. Wohlfahrtsamt Bl. 12 vs. ff.

8 Unsere Heimat unterm Hakenkreuz. Ein Beitrag zu nationalsozialisti¬
scher Gewaltherrschaft, Verfolgung und antifaschistischem Widerstand in
Amtshauptmannschaft und Kreis Pirna von 1933 bis 1945. Hg. v. Verband
der Verfolgten des Naziregimes — Bund der Antifaschisten e.V. im Freistaat
Sachsen, Kreisverband Sächsische Schweiz, Pirna 2003, $.73.

9 Handgeschriebene Biografie, datiert Moskau den 15. Mai 1939. Im Kaderakt
Morche Helmut im Komintern-Archiv Moskau.

10 Nachforschung, Vollkommen vertraulich, datiert: 24. November 1944.
Im Kaderakt Morche Helmut im Komintern-Archiv Moskau. Übers. E.F.
11 Nachforschung, Vollkommen vertraulich, datiert: 24. November 1944.
Im Kaderakt Morche Helmut im Komintern-Archiv Moskau. Übers. E.F.
12 Martin Krsek: Neznämi hrdinove mluvili i nemecky [Unbekannte Helden
sprachen auch deutsch], Albatros Media, Praha 2018, S. 195, zitiert ein Pro¬
tokoll vom 17. Oktober (1942) der Kommandatur des 2. Infanteriebataillons
der Eigenständigen tschechoslowakischen Brigade in Großbritannien im
Kriegsarchiv (in Prag). Übers. Daniela Engels.

13 Handgeschriebene Biografie, datiert Moskau den 15. Mai 1939. Im Ka¬
derakt Morche Helmut im Komintern-Archiv Moskau.

14 Martin Krsek: Neznämi hrdinove mluvili inemecky [Unbekannte Helden
sprachen auch deutsch], Albatros Media, Praha 2018, S. 192. Übers. Daniela
Engels.

15 Leopold Grünwald: Der Sudetendeutsche Widerstand gegen Hitler (1938¬
1945). In: Ders. (Hg): Sudetendeutsche — Opfer und Täter. Verletzungen
des Selbstbestimmungsrechts und ihre Folgen 1919-1982, Wien 1983, S.
41-55, S. 42.

16 Thomas Oellermann: Schicksalsjahre. Der Weg der sudetendeutschen
Gegner des Nationalsozialismus von

1933 bis 1938. In: Toma$ Okurka: Zapumenuti Hrdinové/Vergessene Helden.
Deutsche NS-Gegner in den böhmischen Ländern, Usti nad Labem 2008,
S. 25-35, S. 35.

17 Podpurny list (Flüchtlings-Ausweis) von Fritz Morche. .

18 Moritz Neumann: Widerstehen. Vom kaiserlichen zum heutigen Österreich,
Linz 1993, Sandkorn-V., S. 42.

19 Interview mit Herbert Morche in: Paul Friedrich Morche und Kurt Hel¬
mut Morche. Zwei Kämpfer gegen den Faschismus. PDS-Bestand, 0049
Forschungsauftrag; undatiertes Typoskript.

20 Brief von G. Beuer an Fritz Morche, 9. VI. 1939.; Rot-Kreuz-Brief von
Fritz an Emilie, December 19-1939, Antwort von Emilie an Fritz Morche.
21 Handgeschriebene Biografie, datiert Moskau den 15. Mai 1939. Im Ka¬
derakt Morche Helmut im Komintern-Archiv Moskau.

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