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dazu schaltete der Verfasser Werbeanzeigen in Facebook und siche
da — einige Antworten trudelten ein. Eine davon von Antonis
Sanoudakis, der mich auf seine Aufzeichnung des Lebens von
Nikos Mavrakis aufmerksam machte

Die Landesausstellung ,,Alles was Recht ist“

Die Erinnerung an Gerasimos Garnelis spielte auch in der nie¬
derésterreichischen Landesausstellung ,,Alles was Recht ist“ eine
Rolle. Im Raum, der dem Massaker im Zuchthaus Stein gewid¬
met war, konnte nicht nur ein Ausschnitt aus dem Interview
mit Gerasimos Garnelis gehört werden, sondern waren auch die
Kranzschleifen seines Begräbnisses zu schen, die der Verfasser
Monate nach der Beerdigung vom Grab entfernt und aufbe¬
wahrt hatte. Mit der Gestaltung der Gefängnismauer durch die
Künstlerin Ramesch Daha, 2018, die der Verfasser bei ihrem
Projekt unterstützen konnte und die auf die Kopien aus dem
Bestandsbuch aus Stein, die der Verfasser in den 1980er Jahren
gemacht hatte, zurückgreifen konnte, ist garantiert, dass ein
weithin sichtbares Zeichen gegen das Vergessen auf einer Länge
von 80 Metern gesetzt wurde.

Wer waren die Griechen in Stein?

Über die Zahl der in Stein inhaftierten Griechen und der grie¬
chischen Opfer des Massakers gibt es unterschiedliche Angaben.
Im Artikel in der Volksstimme wird Garnelis zitiert, der meint:
„Von den 494 griechischen Genossen, ausschließlich politischen
Häftlingen, die mit mir zusammen in Stein gefangen waren,
sind nur 107 am Leben geblieben.“ Demnach hätte die Zahl
der griechischen Toten schon 387 betragen. Im Artikel „Freie
Stimme“ (1946) wird von 150 Griechen gesprochen, die am
6. April ermordet wurden. Im Artikel in der „Volksstimme“
1955 heißt es „Die genaue Zahl der Opfer kann wohl niemals
festgestellt werden - die auf dem Gedenkstein angegebene Zahl
von 386 Toten ist nach Angaben der Augenzeugen weitaus zu
niedrig.” Gerasimos Garnelis wird zitiert, der den Leichenhaufen
beschreibt: „Der Haufen Leichen neben dem ich lag, war vielleich
8 Meter hoch und 15 Meter lang“?

Nikos Mavrakis schreibt in seinen Erinnerungen im Kapitel
„Die Hinrichtung“ über die Zahl der Toten: „Einen Riesenhaufen
mit Leichen, so groß wie ein kleines Haus, ungefähr zehn mal
zehn Meter lang und zwei bis drei Meter hoch. Nachher erfuhren
wir, dass er aus 1200 Leichen bestand.“!

Werden diese Angaben von Zeitzeugen mit den leider nicht
vollständigen Gefängnislisten und Exhumierungsprotokollen
verglichen, zeigt sich eine gehörige Diskrepanz.

Die Exhumierung der Opfer aus den Massengräbern im Hof
des Gefängnisses erfolgte zwischen 9. Jänner und 20. Jänner
1950. In diesem Zeitraum konnten 107 Personen eindeutig iden¬
tifiziert werden. Bei 72 Leichen war eine Identifizierung nicht
möglich. Bei der Exhumierung in Stein konnte die Identität
von 26 Griechen festgestellt werden, beim Massaker durch die
SS unter geflohenen Häftlingen in Hadersdorf am 7. April 1945
waren ebenfalls Griechen unter den Opfern. Bei der Obduktion
im März 1946 konnten drei Griechen identifiziert werden.

Die Aufzeichnungen aus dem Eingangsbuch des Zuchthauses
konnten vom Verfasser ab April 1944 gesichtet werden. Nikos

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Mavrakis kam am 19. Mai 1944 nach Stein, wie aus dem In¬
dex-Buch in der Justizanstalt Stein hervorgeht. Die folgende
Statistik betrifft lediglich die Zeit zwischen April 1944 und April
1945.

Ab April 1944 wurden zumindest 303 Griechen in das Zucht¬
haus Stein gebracht. Die Liste der Häftlinge wurde an Hand der
Gefängnisbücher zusammengestellt. Die Transporte begannen
am 13. April 1944 und endeten am 13. Februar 1945. Insgesamt
waren es 50 Transporte. Die größten Transporte umfassten 62
Personen am 13. April 1944 und 57 Personen am 23. Mai 1944.
In acht Transporten wurden annähernd 70% der Häftlinge nach
Stein gebracht (69,56%). 33 Mal wurden nur zwischen 1-3 Per¬
sonen nach Stein verbracht. Ab Ende Juli 1944 lag die Anzahl
der nach Stein verbrachten griechischen Häftlinge pro Transport
nur zwischen 1-6 Personen. Häftlinge mit einer Verurteilung
zu 10 Jahren und mehr wurden erst ab 3. Mai 1944 nach Stein
gebracht. Mehr als 85% der Häftlinge mit Haftstrafen von mehr
als 10 Jahren wurden zwischen Mai und August 1944 eingeliefert.
Nicht ganz die Hälfte der griechischen Häftlinge (43,48%) waren
zu 10 und mehr Jahren Haft verurteilt worden, etwas mehr als
20% (21,17%) mussten eine Strafe zwischen einem und drei
Jahren verbüßen.

Die Höhe der Haftstrafe kann keinen direkten Rückschluss
auf die Frage geben, ob es sich um politische oder kriminelle
Häftlinge gehandelt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich
bei den Gefangenen mit zehn und fünfzehn Jahren Haft um
politische Häftlinge gehandelt hat, ist jedoch groß. Demnach
wären zumindest rund die Hälfte der griechischen Häftlinge
politische Häftlinge gewesen.

Die Diskrepanz der Zahlen setzt sich auch in der Beurteilung
der griechischen Gefangenen fort. Während für Gerasimos Garne¬
lis die überwiegende Zahl der Landsleute aus politischen Gründen
inhaftiert war, meint Nikos Mavrakis, dass das „politische Büro“,
das er mit vier weiteren Landesleuten gebildet hatte, die einzigen
politischen Häftlinge unter den griechischen Gefangenen gewe¬
sen seien. Das Gespräch, das Mavrakis mit einem tschechischen
Häftling am Gefängnistor am 6. April schildert, verstärkt die
Notwendigkeit einer differenzierten Einschätzung der Haftgründe
der Griechen. Der bewaffnete Häftling verweigert Mavrakis die
Ausfolgung von Waffen und rechtfertigt dies mit den Worten:
„Wir haben kein Vertrauen zu euch (...) Fast alle Griechen haben
für die Deutschen gearbeitet und sind nur wegen Diebstahls
hier. Solchen Leuten können wir nicht trauen.“'! Unterstützt
wird dieser Vorfall noch durch das Erlebnis, das Mavrakis wenig
später vor dem Gefängnistor schildert, wo ein Grieche aus Piräus
Kleiderpacken aus dem Bestand des Gefängnisses vor sich liegen
hatte und diese verkaufte.

Überlebt in Stein bis zum 8. Mai

Ausführlich behandelt Mavrakis das Überleben im Sanatorium in
Stein bis zur Befreiung, die Mavrakis auf den 9. Mai legt, und nicht
wie die anderen Zeitzeugenberichte auf den 8. Mai. Bei meinen
Recherchen in den 1980er Jahren konnte ich zwei weitere Häft¬
linge ausfindig machen, die ebenfalls verwundet in Stein überlebt
hatten. Es waren dies der Bergarbeiter Karl Maria Amreich'? und
Max Hoffmann’, jener deutsche Häftling, von dem auch Mavrakis
schreibt, dass er durch mehrere Schüsse im Gesicht verletzt wurde.