der Brigade die „Aufstellung der Afrika Brigade 999 aus ehema¬
ligen Wehrunwürdigen“ beschlossen.
Der Grund, warum diese letztlich rund 28.000 Männer, von
denen rund 30 Prozent politisch Vorbestrafte waren, nicht in
die regulären Einheiten integriert werden sollten, hing mit den
Befürchtungen des OKW zusammen, diese könnten dort poli¬
tisch aktiv sein und unter ihren Kameraden die antifaschistische
Widerstandstätigkeit fortsetzen. In einem Schreiben des OKW
vom 14. April 1943 hieß es, dass durch den neuen Erlass vom
13. Jänner 1943 der Personenkreis der „Wehrunwürdigen“ so er¬
weitert worden ist, „dass künftig mit der Einberufung auch einer
größeren Zahl von früher staatsfeindlich eingestellten Personen,
insbesondere von ehemaligen aktiven Kommunisten gerechnet
werden muss. Die Gefahren, die sich aus einer möglichen An¬
häufung solcher Elemente ergeben, werden so lange nicht groß
sein, als diese in geschlossenen Einheiten bleiben, wo sie entspre¬
chend überwacht und ausgeschieden werden können.“ 7
Die „Wehrunwürdigen“ wurden nach Heuberg bei Stetten am
kalten Markt (Baden-Württemberg) und ab Dezember 1943
auch nach Baumholder (Rheinland-Pfalz) einberufen, wo sie
militärisch ausgebildet und auf ihren Einsatz — ab März 1943 in
Nordafrika und nach der Kapitulation der Deutschen in Afrika
im Mai 1943 in Griechenland bzw. an der West- und der Ostfront
— vorbereitet wurden. „Begleitet“ wurden die „Wehrunwürdigen“
durch sogenannte „Stamm-Unterofhiziere und Mannschaften“,
die zwischen 25 und 40 Prozent der jeweiligen Einheit ausmach¬
ten, was sowohl den Widerstand innerhalb der Einheit als auch
die Überlegungen zum Uberlaufen immer wieder erschwerte.*
Ab Mitte Mai 1943 wurde mit den ersten Transporten von in
Heuberg ausgebildeten „Wehrunwürdigen“ nach Griechenland
begonnen, da das OKW nach der Beendigung des Afrika-Feld¬
zuges hier mit einer Invasion der Alliierten rechnete, was aber
letztlich nicht geschah. Die von Heuberg nach Griechenland
verbrachten 999er Bataillone wurden vorwiegend zur Küsten¬
sicherung und als Besatzungstruppen eingesetzt. Hinzu kamen
bald auch die nicht mehr in Afrika zum Einsatz gekommenen
Teile der Afrika-Division 999, die zwischen Mai und Juli 1943
auf den Peloponnes und die Insel Rhodos verlegt wurden, wo
die Wehrmacht einen Angriff der Alliierten erwartete. Nach dem
Sturz Mussolinis Ende Juli 1943 und den Erfolgen der Alliierten
in Süditalien sahen die Deutschen die Gefahr einer Landung im
Norden, sodass nun auch nach Korfu und Zakynthos Einheiten
des Bewährungsbataillons verlegt wurden, wo diese vielfach die
italienischen Stellungen übernahmen oder neue errichteten.
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Bescheinigung der EAM Limnos für August Pirker (Sammlung
A.Pirker)
Im Laufe der Zeit wurden die 999er aber auch zur — wie es hieß
— Partisanenbekämpfung, dem Kampf gegen die Griechische
Volksbefreiungsarmee ELAS, die seit Juli 1943 von den Briten
als alliierte Armee anerkannt wurde, herangezogen.
Rekrutierung und Ausbildung der österreichischen 999er
Kommissionen in die Zuchthäuser, die die Gefangenen über
in der Wehrmacht aufzufüllen, kamen
die Möglichkeit informierten, sich freiwillig zur Wehrmacht zu
melden und sich somit zu „bewähren“. Der Grazer Kommunist
August Pirker, der als Leiter der KPÖ Steiermark im Februar
1939 verhaftet und im März 1940 vom Volksgerichtshof zu 12
Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt worden
war und mit vielen anderen politischen Häftlingen im Zucht¬
haus Stein an der Donau in Strafhaft saß, hielt in seinen Erin¬
nerungen fest:
Eines Tages kurz vor Weihnachten [1942] gingen die Zellentüren
auf und es erscholl das Kommando: Alles hinunter in die Halle unter
der Kuppel.’ [...] Dann kam ein Beamter. Er verlas ein Schreiben
der Wehrmacht, welches folgendermaßen lautete: Alle Gefangenen
bekommen nun die Möglichkeit sich in der deutschen Wehrmacht zu
bewähren und können sich zum freiwilligen Eintritt in die Wehr¬
macht melden. Jeder Einzelne soll dies in der Kanzlei des Herrn Di¬
rektors mittels seiner Unterschrift kundtun.’ Für uns Antifaschisten
war klar, wir antworteten mit ‘nein’. [...] Nach dieser Befragung
vergingen wieder mehrere Monate und man hörte nichts mehr von
dieser Aktion. Aber plötzlich am Karfreitag zu Ostern 1943 öffneten
sich wieder die Zellentüren mit dem Kommando: Alles hinunter ins
Gefängnisbad in den Keller.’ Dort hatte sich eine Musterungskom¬
mission der Wehrmacht etabliert und musterte sämtliche Insassen
des Hauses. Die meisten erhielten die Bezeichnung KV in den Akt,
was bedeutete, dass der betreffende Häftling kriegsverwendungsfähig
sei. [...] Nach einer Pause von wiederum drei Monaten rief man
uns plötzlich in die Direktionskanzlei, wo man uns mitteilte, dass
wir zur Wehrmacht eingezogen werden. Jeder bekam eine Postkarte,
mittels derer wir unsere nächsten Angehörigen verständigen sollten,
dass wir aus dem Zuchthaus Stein am 8.7.1943 entlassen und zur
deutschen Wehrmacht überstellt werden.
Gemeinsam mit August Pirker wurden rund 120 Häftlinge aus
dem Zuchthaus Stein per Bahn und unter Bewachung von Solda¬
ten einer Transportkompanie nach Heuberg transportiert. Nach
sieben Wochen Ausbildung erhielten sie das Soldbuch und durf¬
ten erstmals wieder so etwas wie ein wenig „Freiheit“ spüren: Sie
konnten Ausflüge in die nähere Umgebung von Heuberg machen
und sich mit ihren Frauen treffen. Gleichzeitig wurde ihnen aber
auch immer wieder vorgeführt, was mit jenen geschicht, die diese
„Freiheiten“ auszunutzen und bereits hier zu desertieren versuch¬
ten. So berichtete Pirker, dass es immer wieder vorkam, „dass
Kameraden das Leben hinter Stacheldraht nicht aushielten und
glaubten durch Flucht sich retten zu können. Das endete immer
schlecht. Aber auch Kameraden, die sich allzu vertrauensselig an¬
deren gegenüber verhielten, mussten mit dem Tod bezahlen. Und
so gab es wöchentlich Erschießungen von solch unglücklichen
Kameraden. Als Abschreckung’ wurden von jeder Kompanie je¬
weils 2 Kameraden zum Zusehen abkommandiert.“ '°
Wie schwierig es in Heuberg war, unter ständiger Beobachtung
so etwas wie ein Widerstandsnetzwerk aufzubauen, schilderte