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der Wiener Hilfsarbeiter Adalbert Eibl, der im November 1939
17jährig wegen kommunistischer Betätigung festgenommen und
1940 zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Er kam
am 19. Oktober 1942 nach Heuberg:

Unter den Kameraden fand ich einige, die ich aus der Haft kannte.
Wir waren lauter Wiener, ca. 20 Mann. |... ] Als wir uns im Laufe
einiger Zeit abgetastet hatten, begannen wir uns zu organisieren: Wir
nahmen Kontakte zu Vertrauten der einzelnen Kompanien auf und
über diese zu Zügen und Gruppen. Die Kameraden Johann Kirch¬
ner, Franz Hofstätter, Freihofer, Franz Nemet, alle aus Wien, und
Franz Schönbauer aus Linz bildeten den Stock der Organisation.
Dies war eine schwierige und gefährliche Arbeit, denn wir wurden
nicht nur bewacht, sondern auch überwacht. Außerdem war die Ge¬
fahr des Verrates aus den eigenen Reihen groß, da auch Gestapo-Leu¬
te und Konfidenten eingeschleust wurden. Auf jeder Stube war ein
Unteroffizier, der auch dort schlief, mit geladener Pistole unter dem
Kopfpolster. Eine fremde Stube zu betreten, dafür musste man einen
plausiblen Grund haben, da man sich beim Stuben-Unteroffizier
an- und abmelden musste. Das Ubermitteln von Nachrichten, Aus¬
tauschen von Meinungen konnte nur in den Abendstunden, bei ei¬
nem Spaziergang im Kasernenhof zu zweit oder dritt erfolgen. [...]
Die Ziele unserer Organisation waren: Erfassung aller Politischen,
um sie in ihren Nöten zu beraten und zu unterstützen, um geord¬
nete Verhältnisse zu bewahren (viele Kameraden kamen aus einem
KZ oder aus einem Zuchthaus, wo sie seit 1933 saßen). Unsere Post
wurde streng zensiert, und es wurde ein Weg gefunden, die Zensur
zu umgehen. Es kamen Frauen zu Besuch, obwohl es nicht erlaubt
war. Hier mussten Möglichkeiten für ein Zusammentreffen gefunden
werden."

Neben jenen wenigen, die bereits in Heuberg versucht hatten,
Widerstandszellen aufzubauen, verhielten sich aber viele der we¬
gen politischer Delikte nach Heuberg eingezogenen „Wehrun¬
würdigen“ zurückhaltend. Denn abgesehen von den Schwierig¬
keiten, sich hier zu organisieren, schreckten viele der „Politischen“
durch die Erfahrungen der Jahre davor, also durch den Zusam¬
menbruch der illegalen Strukturen ihrer Organisationen, Folter,
Haft und das Wissen um den Verrat in den eigenen Reihen vor
einer neuerlichen Widerstandstätigkeit zurück. Zudem war den
„Politischen“ aber auch klar, dass wirksamer Widerstand — wenn
überhaupt — erst im Einsatzgebiet geleistet werden kann. In
Heuberg galt es daher vorerst, den Zusammenhalt zu üben und
herauszufinden, wer von den Kameraden zuverlässig ist und wer
nicht bzw. auch wer vom Stammpersonal und den Offizieren als
besonders gefährlich gilt und wer eventuell ein Bündnispartner
sein kann.

Österreicher in Griechenland

Wie viele Österreicher tatsächlich in den Reihen der 999er in
Griechenland im Einsatz waren, kann nicht festgestellt werden;
es dürften zwischen 1.500 und 2.000 gewesen sein.'? Die meis¬
ten Österreicher, von denen Aufzeichnungen existieren bzw. über
die berichtet wird, sind im November und Dezember 1943 nach
Griechenland gekommen. Einige wurden, nachdem sie Ende des
Jahre 1943 Athen bereits erreicht hatten, wieder abgezogen und
an die Ostfront transportiert, von wo sie allerdings bereits im
März 1944 zurück nach Baumholder verlegt wurden, wo neben
Heuberg der zweite Truppenübungsplatz für die 999er lag. Von
hier kamen sie im Juni 1944 wieder nach Griechenland, wobei sie
ursprünglich auf Kreta zum Einsatz kommen sollten. Auf Grund

des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zur Türkei kamen
sie allerdings auf die Insel Limnos bzw. nach Volos.'? Neben Vo¬
los und Limnos finden wir die Österreicher auch auf der Insel
Samos sowie am Festland — vor allem in und um Larisa, im alba¬
nisch-griechischen bzw. jugoslawisch-griechischen Grenzgebiet
und rund um Saloniki, aber auch auf der Insel Korfu.

Bereits im Juni 1943 war ein Bataillon der 999 auf die Pelopon¬
nes gekommen und in Kalamata stationiert worden. Hier und in
den Stützpunkten in Messini, Pylos und Kyparissia waren viele
Österreicher, wobei es sich hier fast ausschließlich um wegen kri¬
mineller Delikte verurteilte 999er handelte.'*

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Balken zur Jahreswende 1943/4!

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+R.939)

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(FIR 966) ay,
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(v11./999)

Kato Acheia (11./999)
Amalias (FIR 965, IV./999
Kalamata Ze
Korinth (1./999Y ¢

Die Einsatzorte der 999er in Griechenland
(Hans-PeterKlausch:-Die 999er)

Ankommen und Kontakte knüpfen

Während ein großer Teil der 999er als Besatzungstruppen und
zur Küstensicherung eingesetzt wurde, kamen einzelne Kompa¬
nien aber auch mehr oder weniger direkt zum „Partisanen-Ein¬
satz“ nach Griechenland. Dabei hatten sie schon auf dem Weg
von Heuberg nach Larissa, wohin das XV]. Bataillon 999 verlegt
wurde, die Auswirkungen des Partisanenkampfes gesehen, wie
August Pirker über seine Eindrücke Anfang Dezember 1943 be¬
richtete: „Auf der Fahrt durch Jugoslawien sahen wir längs der
Bahn viele Zeugen des Kampfes mit den Partisanen. Zerschmet¬
terte Eisenbahnwaggons, zerstörte Bahnhöfe und Häuser. Trotz
starker Bewachung gelang es den Partisanen immer wieder, die
Transportwege der Deutschen zu zerstören oder zeitweilig lahm¬
zulegen.“ Kaum angekommen hatte seine Einheit zu Jahresbeginn
1944 bereits erstmals „Partisanen-Einsatz“ in Nordgriechenland
rund um Naoussa, wohin sie von Larissa verlegt wurden. „Am
Nachmittag wurde schon gesagt, heute abends geht es zum Ein¬
satz! Am Abend zogen wir hoch hinauf in ein Gebirgsdorf namens
Pigadia, über schmale Eselspfade, über Stock und Stein, fluchend
und einander an der Hand haltend, um uns in der stockfinste¬
ren Nacht nicht zu verlieren. Bei Morgengrauen erreichten wir
das bewusste Dorf. Es wurde von unseren Landsern ringsherum
umstellt. [...] Eine Kompanie ging in das Dorf, durchsuchte es,
trieb alle Frauen und Männer auf den Dorfplatz, aber Partisanen
fand man keine.“ Solche „Partisanen-Einsätze“ gab es in Edessa
und Aridea in der Nähe zum jugoslawischen Grenzgebiet noch
mehrere, doch Partisanen konnten bzw. wollten sie auch keine
entdecken. „Unser Ziel war nicht Partisanen zu finden, sondern
mit den Griechen gut auszukommen. [...] Die griechischen Bauern
haben das gleich verstanden und uns noch und noch bewirtet, nur
damit sie ihren Frieden hatten. In einigen Fällen, wo wir tatsächlich
Verdächtiges gesehen hatten, machte wir sie aufmerksam, die Dinger
besser zu verstecken.“

September 2021 63