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Im März 1944 wurde dieser nicht wirklich erfolgreiche Partisa¬
nen-Einsatz beendet und das XVI. Bataillon 999 wurde auf die nor¬
dägäische Insel Limnos als Ergänzung zum regulären Festungsinfan¬
terie-Regiment überstellt, da die Deutschen befürchteten, den Briten
könnte es gelingen, die Türkei zum Kriegseintritt gegen Deutschland
zu bewegen und vom türkischen Festland aus einen Angriff zu starten.
Bald nach der Landung nahmen die Antifaschisten des Batail¬
lons — unter ihnen August Pirker und der Wiener Kommunist
Wilhelm Wehofer — Kontakt zur griechischen Widerstandsbewe¬
gung auf, um im Fall eines britischen Angriffs auf die Insel eine
möglichst kampflose Übergabe zu erreichen. Der Hamburger
Kommunist Ernst Hansch berichtete:

August Pirker unterhielt im Auftrage unserer gemeinsamen Wider¬
standsorganisation Kontakte zu leitenden Persönlichkeiten der grie¬
chischen Volksbefreiungsbewegung und der Kommunistischen Partei
Griechenlands auf der Insel Limnos. August Pirker transportierte
Waffen und Munition, die unsere Organisation für die griechischen
Kampfgenossen beschaffte. Kamerad Willi Wehofer war abkomman¬
diert in das Elektrizitätswerk von Kastron auf Limnos. Er versorgte
viele antifaschistische Gruppen unseres Bataillons und wahrschein¬
lich auch andere Bataillone der 999er mit Rundfunk-Nachrichten
aus den Sendern der alliierten Streitkräfte.”

Pirker selbst schildert die Kontaktaufnahme später so:

Ich kam mit einem Zug, bestehend aus drei Gruppen zu je acht Mann
in das höchste Gebirgsdorf nach Sardes. Hier hatten wir ein ziemlich
ruhiges Leben. Bald lernte ich den Volksschullehrer Giorgios Wasdekis
kennen, der sehr gut Deutsch sprach. Wie ich erst später anlässlich eines
Besuches bei meinem Freund und Genossen Wehofer in Kastron erfuhr,
wo dieser Lehrer auch gerade war, hatte dieser von der EAM den Auf¬
trag, sich mit den deutschen Landsern in Verbindung zu setzen.

Bei diesem Volksschullehrer lernte Pirker griechisch und ihn in¬
formierte er auch über die Zusammenstellung des auf der Insel
liegenden Bataillons. Da die einzelnen Gruppen der 999er auf der
Insel immer wieder verlegt wurden, stellte Wasdekis die Antifa¬
schisten den jeweiligen lokalen Verantwortlichen der EAM vor.
Kaum hatten wir uns in dem neuen Ort einquartiert, tauchte ei¬
nes Abends schon wieder mein guter Engel, der Lehrer von Sardes,
auf. Der Verkehr mit ihm war insofern unverdächtig, weil in sei¬
nem Haus nicht nur ich, sondern auch unsere Unteroffiziere und
der Feldwebel verkehrten, denn diese Kerle hatten auch bald raus¬
gefunden, dass man dort gut bewirtet wurde, und außerdem konnte
man sich mit ihm in deutscher Sprache unterhalten. So fiel es auch
nicht besonders auf, als ich mich mit ihm auch in dem neuen Ort
unterhielt. Er machte mich mit dem in diesem Ort verantwortli¬
chen EAM-Mann bekannt, da er doch zu weit entfernt war (ca. 4
Eselstunden). Zu meinem neuen Gesinnungsfreund ging ich in der
Mittagspause oder am Abend, fragte, was es Neues gibt und sagte
ihm, was es bei uns Neues gibt.‘

64 — ZWISCHENWELT

Ahnlich lief auch die Kontaktaufnahme zum deutschen Kommu¬
nisten Wolfgang Abendroth und seiner Gruppe von Antifaschisten
auf Limnos, mit denen auch die Osterreicher in Kontakt standen.
Abendroth kam erst im Mai 1944 nach Griechenland, wo er auf
Grund seiner Sprachkenntnisse Schreiber bei der Inselkomman¬
dantur in Kastron war. Dabei wurde er im Rahmen seiner Dol¬
metschertätigkeit von Griechen angesprochen und politisch „über¬
prüft“. „Der Kamerad, der das tat, sagte mir dann, ich habe diese
Prüfung gut genug bestanden, um ihn zu überzeugen, dass die Gerüch¬
te, die es in Kastron über meine Kameraden und mich gebe, wir seien
zuverlässige Antifaschisten, augenscheinlich zutreffend seien. Von nun
an könne also die enge Zusammenarbeit gut klappen. Er gab mir den
Namen und die Adresse eines griechischen Zahnarztes in Kastron, der
dort in der Leitung der Kommunistischen Partei und der EAM sitze
und mit dem ich alles weitere verabreden solle. Die EAM der Insel wuss¬
te nun rechtzeitig vorher von jeder Aktion der deutschen Truppen.“
Diese Form der Unterstützung der jeweiligen lokalen EAM do¬
minierte — neben vereinzelten Desertionen zu den Partisanen
— die erste Phase des Widerstands der 999er. Daneben gab es
in den ersten Monaten aber auch Versuche, einen bewaffneten
Aufstand von 999ern vorzubereiten — wie das Beispiel rund um
den Berliner Kommunisten Franz Cerny im Juli 1943 im Fes¬
tungs-Infanterie-Bataillon in Kato Achaia in der Nähe von Patras
zeigt, wo allerdings der Aufstand verraten, Cerny zum Tode und
andere zu Zuchthausstrafen verurteilt wurden.'® Die Kontaktleu¬
te der Partisanen rieten den 99Jern vorerst aber zumeist ab, orga¬
nisiert zu ihnen überzulaufen, da ihnen anders — nämlich durch
Besorgung von Medikamenten oder der Übermittlung wichtiger
Nachrichten -— mehr geholfen sei, als durch weitere Kämpfer, die
auch verpflegt werden mussten.

Gelegentlich war es für einzelne auch nicht leicht, sich in einer
doppelt feindlichen bzw. fremden Umgebung dem griechischen
Widerstand anzuschließen. So berichtete etwa der Wiener Er¬
win Kritek — er war 1941 gemeinsam mit den später zum Tode
verurteilten kommunistischen Widerstandskämpfern Walter Su¬
ess, Robert Kurz und Otto Kubak festgenommen und 1942 vom
Volksgerichtshof wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu acht
Jahren Kerker verurteilt worden —, wie er im November 1943 mit
dem XIII. Bataillon 999 auf die Insel Samos kam. Seine Einheit
wurde auf verschiedene Stiitzpunkte der Insel verteilt, wobei er
selbst mit 13 Mann in ein Dorf kam, das nur wenige hundert
Meter von der tiirkischen Kiiste entfernt lag, und wo sie die Auf
gabe hatten, die diese Meerenge passierenden Schiffe zu beob¬
achten und gegebenenfalls zu beschießen. Seine Einheit bestand
mit einer Ausnahme nur aus deutschen Kriminellen, wodurch
sowohl das Klima innerhalb der Gruppe als auch gegenüber der
Zivilbevölkerung entsprechend schlecht war. Während Kritek
selbst wiederholt von seinen Kameraden bestohlen wurde, lief die
Beraubung der griechischen Zivilbevölkerung — wie Kritek schil¬
derte — folgendermaßen ab: „Ein beliebter Trick sah so aus, dass
einem Griechen irgendetwas, z.B. Schuhe gegen Lebensmittel
‘verkauft’ wurde, worauf dann einige Komplizen herbeistürzten
und dem Griechen unter der Beschuldigung des Diebstahles von
Wehrmachtsgut alles wieder wegnahmen.“

In anderen Einheiten auf Samos traf Kritek allerdings auch
auf wegen politischer Delikte verurteilte Österreicher wie den
Wiener Juristen Dr. Fritz Hanacik.” Dieser war im Zuge einer
Verhaftungswelle gegen die KPÖ in Wien im Dezember 1939
festgenommen und im April 1942 vom Volksgerichtshof wegen
„Vorbereitung zum Hochverrat“ zu „sieben Jahren Zuchthaus