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Verbrannte Kindheit

I.
Kleines verschlafenes Haus
im Anbruch des Frühlings.

In ihm

Fliederduft des Gartens.
Meine Mutter

schaukelt die Wiege,
ihr Gesicht

über mir,

auf ihren Lippen
schwebt ein Wiegenlied,
aus ihrer Stimme
strömt Wärme,

strömt Liebe.

1.

Der Brunnen im Garten,
umwachsen von Wildem Wein,
silberglänzend sein Strahl

in dieser Gnadenstunde.

Und ich

hinausgetappt Kind
horche hinein:

Das Wunder der Welt
rauscht

im klaren Brunnenwasser.

II.

Verdüstert das Gesicht

meines Brunnens, die Schar
großer Krähen nahte und brachte
die Not.

Durch die Erde, ja
durch ihre Adern stieg
der Angststrom,

schlug mich in Fesseln.

Im Brunnenwasser
ein Spiegelbild:
„Mutter!“

Tot das Haus
voll rasendem Rot.

Rauchschwer der Himmel, er
kniete nicht nieder,

ihr die Augen zu schließen.
Kein Klumpen Erde,

erst die Asche

erstickte

den Schrei der Verbrannten.

IV.

In der Ferne das Echo greint:

„Schon in der Wiege

verkürzte sich der Docht deiner Lampe
in deiner Mutter Zimmer.

Und deine Liebe

eine offene Wunde ist.“

„Mutter!“
Meine Tränen, die du nichst sahst,
flossen in deine brennenden Augen.

V.

Das Wiegenlied

zerriß,

stürzte zur Erde,

ein verwundeter Vogel.

Die brennenden Augen meiner Mutter,
Aschenhügel.
Sie wandern.

Lang, dünn ihre Finger
verkrampft ihre Arme
auf ihnen zwei Fackeln,
sanfte Weichheit
zweier Kinder.

VI.

Die Augen meiner Mutter:
zwei immerwährende Feuer
glimmen in mir.

Brunnentief ihre Traurigkeit,
mein ganzes Sein damit verbunden.

Abschnitt V. und VI. unter Verwendung einer Teilübersetzng
von Fritz Brainin.

Wenn du dort vorübergehst, gib acht

Nicht mein ist diese Erde, auch nicht der Regen
und doch beschreite ich sie

vorsichtig gemessenen Schritts.

Umgehe die Pfützen.

War es wohl hier, vielleicht da,

daß sie hindurchgeschleppt wurden?

Und plötzlich erfaßt es mich wieder,
Scharfkantig die Bilder

rasen durch meine Stirn.

Wenn du dort vorübergehst, gib acht,
fasse dich in Tränen.

Österreich, Sommer 1994

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