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liche Läuten in meiner Kindheit. Im schweigenden Orient habe ich sie vergessen: Europas heimatliche Stimme. Eine Liebe, die abgekühlt sein mag, als der Schriftsteller nach drei Monaten römischen Aufenthalts die Strecke, über die er im Juni 1939 nach Italien geflüchtet war, wieder nach Wien zurückfuhr und in ersten Kontakt mit seinen Landsleuten kam: Ein Schwarzhändler mit Koffern prallvoll von Lebensmitteln und ein rosig wohlgenährter Jüngling im Steireranzug lamentierten während der Zugfahrt so sehr über das ihnen „und allen Österreichern zugefügte Unrecht“, daß Hakel, wie er sarkastisch anmerkt, allmählich den Eindruck bekam, „daß den Leuten hier viel Ärgeres passiert ist als uns heimkehrenden Juden“”. Die Heimkehr: innerer Emigrant in Wien Leider kann ich in diesem Rahmen nicht darauf eingehen, ob Hakel, dem Mann des Wortes, Zeitschriftenherausgeber, Literaturkenner und Freund der Dichter im österreichischen Vaterland nach 1947 tatsächlich gelang, was er wollte, als er sich im September 1944 im Exil von Bari zur Heimkehr entschloß: „aus den tiefsten jüdischen Traditionen heraus [wohlgemerkt, nicht den orthodox-konfessionellen] Vorbild sein“. Die Urteile über ihn gehen - seiner komplexen und kompromißlosen Persönlichkeit entsprechend — weit auseinander, in diesem Zusammenhang weise ich auf den reichen Chor von Meinungen hin, der in dem mehrfach von mir zitierten Band Ein besonderer Mensch versammelt ist; sogar zwei jüngere Schriftstellerkollegen, die Hakel ohne Zweifel hochschätzten und liebten, wie der Herausgeber der Sammlung Gerhard Amanshauser und der Lyriker Hans Raimund kommen dort zu sehr verschiedenen Aussagen. Ich beschränke mich im folgenden auf wenige, elementare Angaben: Nach seiner Rückkehr versuchte Hakel in Wien ein literarisches Leben zu installieren, 1948 wurde er Vorstandsmitglied und Lektor im österreichischen Pen-Club, dessen Präsident damals Franz Theodor Csokor war. Mit der Gründung der Aktion „Der Pen-Club stellt vor...“ setzte er einen originellen Schritt zur Förderung junger Talente, der durch die Herausgabe der Zeitschrift „Lynkeus“ flankiert wurde. Zahlreiche später bekannte oder berühmte österreichische Autoren wurden von Hakel großzügig in der einen oder anderen Weise gefördert, darunter Ingeborg Bachmann, Gerhard Fritsch, Reinhard Federmann, Hans Heinz Hahnl, Christine Busta, Friederike Mayröcker, die obengenannten Amanshauser und Raimund. Die so Geförderten wandten sich in der Mehrzahl aber bald von ihm ab, weil seine verletzende Kritik und sein kompensatorischer Überwertigkeitskomplex offenbar schwer erträglich waren.” Vielleicht haben seine rücksichtslose bis brutale Ehrlichkeit, seine Idiosynkrasien und seine Verachtung literarischer Zeitströmungen dazu beigetragen, ihn im Literaturbetrieb zu marginalisieren und seine Publikationsmöglichkeiten einzuschränken. Auch der Schwerpunkt seiner eigenen literarischen Tätigkeit neben Prosaskizzen, Viennensia und Judaica, nämlich die Lyrik, findet geteilte Aufnahme: Während Amanshauser zwar die unerschöpfliche, geniale Rhetorik Hakels preist, hat er für seine (epigonalen) Gedichte”, genauso wie Hans Raimund, nur kritische Worte übrig. H.H. Hahnl hingegen meint, daß von Hakel das riesige, nur zum Bruchteil veröffentlichte Iyrische (Euvre überleben werde. Sicher ist, daß Hakel sich letztlich in aggressiver Verbitterung zurückzog und als „ein zum Schweigen ‚Verurteilter’, zu einer inneren Emigration ‚Gezwungener’ in seiner Heimatstadt Wien‘ lebte und dort 1987 starb. Gesagt muß noch werden, daß ihm in lebenspraktischer Hinsicht viel 52 Gutes von den verschiedenen Frauen kam, die sein Leben nach dem Exil begleiteten. Die Mythisierung des Exils Nachzutragen ist an dieser Stelle Hakels Verhältnis zu Italien nach der Periode des Exils. Seine Liebe zu dem Land, das sein Überleben gewährleistet hatte, wandelte sich — wie viele mündliche und schriftliche Zeugnisse beweisen — mit der Zeit und der Entfernung zu einem Mythos. Natürlich nährte sich dieses Idealbild auch von dem schon immer in dem Schriftsteller präsenten Diskurs, welcher von der Berliner Frühromantik bis heute die Suche deutschsprachiger Bildungsbürger nach der „Kunstheimat“ Italien (Wackenroder) bestimmt. Die Italiener seien „‚das einzige humane Volk auf dieser Welt“, während der dunklen Jahre seien sie „die einzigen Ausnahmen unter den Menschen“ gewesen, teilte Hakel jedem mit, der es wissen wollte. Nach seiner Ehescheidung, 1958, faßte er den Plan, nach Italien zu übersiedeln, kehrte aber nach einjährigem Aufenthalt in Rom wieder nach Wien zurück. Die Vermutung von Richard Kovacevic, der eigentliche Grund dafür sei Hakels Verbundenheit mit der deutschen Sprache gewesen”, ist sehr plausibel, zumal der Schriftsteller das Italienische nur äußerst unzureichend beherrschte. In einem ausführlichen Interview” gegen Ende seines Lebens vermischte Hakel sachliche Angaben über sein Exil mit idyllisierender Verharmlosung und gänzlich unannehmbaren Äußerungen über den Faschismus. (Überhaupt muten manche politischen Ansichten Hakels merkwürdig an, wie im übrigen auch seine freundschaftliche Bewunderung für Ernst Jünger, dessen Ästhetizismus der Gewalt zum „Prozeß der Zivilisation“ m.E. quersteht.) „Kein Jud wußte, daß die einzige Rettung in Europa Italien war, [...] sogar zu Fuß haben sie illegal Juden durchlassen, die Italiener, [...] empfangen, versorgt von Juden aus Amerika bekamen wir jede Woche Geld“, teilte Hakel damals mit, „so schöne Ferien habe ich später nie wieder gehabt.“ Freilich, „schlecht fressen“ habe er müssen, „aber schlecht fressen mußten die Italiener auch“. Nie hätten die Internierten gearbeitet, kein Italiener habe sie angeschrieen, dreieinhalb Jahre hätten sie in vollstem Frieden gelebt, zum Beispiel in einer Villa mit Olivenhain®. „Wir waren feine Leut’, wir waren der Fremdenverkehr‘“*. Auch der Bischof (von Campagna) sei ein „sehr netter Mensch“ gewesen und habe ihm bei der Überstellung in ein anderes Lager geholfen. Sogar eine Frau habe er gehabt, und ein Kind, renommierte Hakel weiter. Überhaupt seien die Italiener Kulturmenschen und keine Barbaren. „Der Faschismus hat mit dem Hitler überhaupt nichts gemeinsam gehabt, nicht einmal schießen haben sie wollen“ und während der Internierung „hat uns der gute Mussolini pro Woche 6 Lire geschenkt“. Der Nationalsozialismus habe sich nicht nach faschistischem, sondern nach Stalins Vorbild geformt. Neben solchen Abirrungen der memoria, die ohnedies durch seine eigenen Tagebücher relativiert oder dementiert werden, setzte Hakel in jenem Interview aber vor allem dem alltäglichen Humanismus der untersten sozialen Schichten Italiens, mit denen er so eng in Berührung gekommen war, ein Monument. Ein Analphabet — wir erfahren nicht, in welchem der verlassenen Bergnester —, dem das Wort ‚„‚ebreo“ nicht ganz verständlich war, habe ihn gefragt, ob er ein katholischer oder ein protestantischer Jude sei. „Ich bin das, was vorher war“, antwortete der Schriftsteller. Darauf der Italiener, unsicher: „Sag mir, glaubst du an Gott?“ Hakel bejahte. „Na, dann ist ja alles gut“, sagte der an