rungslager Gurs nach Marseille. Über
Nina Engelhardt bekam sie ein Visum
nach Brasilien. 1940-1953 in Rio de
Janeiro und So Paulo, wo sie von ihrer
Malerei und Dekorationsarbeiten lebte.
Nachdem sie sich bereits zwischen 1934
und 1938 erfolglos um die österreichische
Staatsbürgerschaft bemüht hatte, stellte
ihr das „Österreichische Exilkomitee
zum Schutz der Interessen von
ÖsterreicherInnen in Brasilien“ einen
Lichtbildausweis aus. Von der II. Repu¬
blik wurde das Dokument nicht aner¬
kannt, die der „Staatenlosen“ Staatsbür¬
gerschaft verweigert. Mit brasilia¬
nischem Pass kehrte PL. 1953 zunächst
nach Österreich zurück. Übersiedelte
dann nach Düsseldorf und gemeinsam
mit ihrem Sohn nach Darmstadt, wo sie
1974 starb.
Die selige Spur. München: Roland Ver¬
lag 1919
Der himmlische Spiegel. Gedichte. Ber¬
lin: S. Fischer 1927
Dem dunklen Gott. Ein Jahresgedicht
der Liebe. (Dresden 1932, Ebenhausen
1974) Ebenhausen bei München: Lan¬
gewiescheBrandt 1986
Traumlandschaft. Kurzprosa. Berlin:
Waldemar Hoffmann 1935
Buch des Lebens. (Autobiographisch).
(Leipzig 1936) Ebenhausen: Langewie¬
sche-Brandt 1990
Gedichte. Hamburg: Blätter für die
Dichtung 1937
Gedichte. Eine Auswahl aus der Zeitvon
1920 bis 1958. Ebenhausen: Langewie¬
sche-Brandt 1958
Träume. Aufzeichungen aus den Jahren
19201960. Ebenhausen: Langewiesche-¬
Brandt 1986 (1962)
Gedichte. Gesamtausgabe. Hrsg. und mit
einem Nachwort versehen von Kristian
Wachinger und Christiane Peter. Eben¬
hausen: Langewiesche-Brandt 1990
(1986)
Es ist vor acht oder neun Jahre gewesen, als ich Paula Ludwig kennenlernte. Sie
war damals nach Miinchen iibersiedelt. Eines Tages erhielt ich durch Zufall eine
kleine Anzahl von Gedichten in einer Handschrift, deren Naivität bestechend war.
Gedichte, von einer ergreifenden Kraft und Einfalt der Sprache, die in ihrem
ursprünglichen, allem Literaturbetrieb abseitigen Charakter einen so ent¬
scheidenden Eindruck hinterließen .. 2
Obwohl Paula Ludwig mit ihrem ersten Band Erfolg hatte und Anerkennung
bekam, war sie mit der Gedichteauswahl sehr unzufrieden. Es war auch eine
schwierige Zeit für sie, da sie außer den üblichen finanziellen Schwierigkeiten
auch gesundheitliche Probleme hatte. In ihr Tagebuch schrieb sie am 23.12.1919:
Nun bin ich auch im Krankenhaus gelandet und zwar in unserem, hier draußen,
neben dem dicken Schornstein. Ich bin froh in einem Bett, in einem Saal, unter
kranken, aber volksnatürlichen, einfachen Frauen liegen zu dürfen. Von Kasack
und Edlef Köppen und all den andern sehe ich gar nichts. Sie lassen ihre Dichterin
verenden ohne sich ihren letzten Segen holen zu kommen. Den heiligen Abend
muß ich entweder im englischen Garten oder in einem Gasthaus übernachten.
Vielleicht finde ich auch einen Liebhaber. Ich wäre am liebsten immer im Kranken¬
haus geblieben. Ach.
Tatsächlich war sie sehr einsam. Paula Ludwig lebte allein oder mit ihrem kleinen
Sohn, bis er ins Internat kam. Die Bewunderung, die sie erweckte, half ihr nicht,
wirklich, in die bürgerlichen literarischen Kreise eingelassen zu werden. Ihre
Ausgeschlossenheit wiederholte sich im Exil. Zwei Frauen halfen ihr in entschei¬
denden, lebensbedrohlichen Momenten: Nina Engelhardt und Erika Mann.
Als die Münchner Szene 1923 nach Berlin zog, folgte ihr Paula Ludwig. Sie lernte
u.a. Carl Zuckmayer und Waldemar Bonsels kennen und schloß lebenslange
Freundschaft mit den Schwestern Annemarie (Frau von Peter Suhrkamp) und
Ina Seidel. In jener Zeit entstand auch ihre Beziehung zu dem Richter und
expressionistischen Dichter Friedrich Koffka, dem sie ihren Gedichtband „Der
himmlische Spiegel“ widmete. Die wichtigste Begegnung war jedoch 1931 mit
dem Dichter Iwan Goll.
Iwan Goll war bereits ein sehr anerkannter Dichter, der sich durch die literari¬
schen Strömungen der Zeit — Expressionismus, Kubismus und Dadaismus ¬
bewegt hatte. In Paris lebte er mit seiner Frau Claire Goll, mit der er eine offene,
aber doch enge Beziehung hatte. Mit folgenden Worten beschrieb er in einem
Brief an Claire Goll seine Begegnung mit Paula Ludwig:
... ich habe auch Paula Ludwig kennengelernt: seltsames Bauernmädel, Tochter
eines Sargtischlers, ziemlich holzschnitthafter Kopf, aber eine feine Seele. Sie
Du großer Tröster mir in diesem Land
einzige Bruderspur die ich hier fand
du hilfst mir noch längst verwester Hand
dein Geist ersteht mir überm Grabesrand
Ich grüße dich wie der Leprösen einer
Mein Makel ist der Schmerz und meine Qual
macht mir mein Angesicht nicht reiner
ich bin wie du schon vor dem Tode fahl
und meine Wunde wird nicht kleiner
wenn ich bedenke dein entsetzlich Wundenmal
Ich knie vor dir - da du Form erwägst
aus Stein und Gold des Heiligen Anlitz prägst
ich stütze dir die abgefaulte Rechte
und in ihr alle martervollen Nächte
daß du aus mir dein letztes Bildnis schlägst
Aus: Nachgelassene Gedichte. Die Jahre des Exils.
In: Gedichte. Gesamtausgabe. 1986, S.261