habe. Ich erinnere mich, daß überall rote Fahnen mit schwarzen Hakenkreuzen
waren... Sie hingen von den Fenstern, bedeckten Hauswände, und jeder salu¬
tierte mit „‚Sieg Heil!“... Die Straßen immer voll Geschrei und Menschenmas¬
sen.
Nach diesem Ereignis ging ich wie üblich zur Schule, und ich weiß noch, daß
wir bei der Versammlung eine neue, andere Nationalhymne hatten. Die Direk¬
torin verkündete vor allen Schülern und Lehrern, daß ab jetzt jüdische Schüler
versetzt würden. Ich habe zwar ihren Namen vergessen, aber ich weiß noch, daß
sie dabei zu weinen begann und kaum in der Lage war, ihre Rede zu beenden.
Ich verließ die Schule sofort, und auf dem Heimweg - ich wohnte nur ein paar
Gassen vom Schulhaus entfernt - liefen mir einige Klassenkameraden nach und
nannten mich ‚„‚dreckige Jiidin“ und bewarfen mich mit Steinen. Ich kam nach
Hause, ich war nicht physisch verletzt, aber ich werde diese schreckliche
Erfahrung nie vergessen, denn sie waren meine Freundinnen, meine Spielge¬
fährten, und ich wußte einfach nicht, was ich getan hatte, daß sie mich plötzlich
so haßten.
Einige Zeit danach eröffnete eine Hitler-Jugendgruppe für Mädchen direkt
gegenüber unserem Haus ihr Hauptquartier. Die Mädchen waren zwischen acht
und vierzehn Jahren alt. Alle hatten Zöpfe und trugen Uniformen, die ich sehr
schön fand; die Mädchen schienen nichts anderes zu tun, als die Straße auf und
ab zu marschieren und ihre Lieder zu singen. Ich fragte meine Mutter immer,
ob ich mir nicht die Haare wachsen lassen und auch solche Zöpfe haben könne
-ich wollte genau so aussehen wie diese Mädchen.
Da ich meine alte Schule nicht mehr besuchen konnte, wurde ich an eine
andere geschickt mit einer neuen Anordnung: sofort nach Unterrichtsschluß
nach Hause zu kommen.
Was mir damals am allermeisten weh tat, war, daß meine alten Freundinnen
nicht mehr mit mir Ansichtskarten tauschen wollten. Meine Sammlung bedeu¬
tete mir so viel, und es war das beliebteste Hobby aller Mädchen. Ich hatte eine
besonders große Sammlung, auf die ich stolz war.
Immer mehr Menschen wanderten aus. Unter ihnen auch meine Tante und
ihre Tochter, sie fuhren nach Portugal. Ich hörte immer wieder Geschichten über
Leute, die auch weggingen. Ich wußte auch, daß man Vater etwas damit zu tun
hatte.
Um ‚„rauszukommen“, brauchte man ein Visum und einen Sponsor. Jeder
suchte einen Sponsor in den Vereinigten Staaten. Meinem Vater gelang es nicht,
mit irgend jemandem in den USA Verbindung aufzunehmen, aber vor einigen
Jahren hatte er sich in Sauerbrunn mit einem amerikanischen Ehepaar (aus
Brooklyn) angefreundet, als es dort auf Urlaub war. Er half ihnen bei einem
persönlichen Problem. Jemand aus ihrer Reisegesellschaft war plötzlich gestor¬
ben, und mein Vater half ihnen bei den Amtswegen. Irgendwie fand mein Vater
die Telefonnummer heraus und rief sie in Brooklyn an... Sie erinnerten sich an
ihn, und er überredete sie, uns zu unterstützen.
Zu der Zeit wurden wir aufgefordert, unsere Wohnung zu verlassen. Die
Kündigungsfrist betrug drei Tage. Wir übersiedelten in ein Haus gegenüber der
Stephanskirche. Mit vier oder fünf anderen jüdischen Familien lebten wir nun
in einer 8-Zimmer-Wohnung, insgesamt waren wir zwölf bis vierzehn Personen,
Erwachsene und Kinder, in einer einzigen Wohnung.
Die neue (jüdische) Schule, an die ich versetzt wurde, war jetzt ziemlich weit
von unserer neuen Wohnung entfernt. Ich mußte den Donaukanal überqueren,
vorbei amHotel Metropol. Das war das Gestapo-Hauptquartier. Ich hatte jedes
Mal furchbare Angst, wenn ich an diesem Hotel vorbeigehen mußte. Wenn ich
daran vorbeiging, schaute ich auf die andere Seite in den Kanal und betete, daß
mein „Schutzengel“ mich beschützen möge. Ich wollte überhaupt nicht zur
Schule gehen.
Damals erfuhren wir, daß der Bruder meines Vaters nach Dachau geschickt
worden war (das war gleich nach dem Anschluß). Es war üblich, die Gestapo
zu bestechen, um den Transport heil zu überstehen, oder damit sie einen bei
ihren Razzien übersahen. Damals war es noch möglich, Leute freizubekommen.
Wir hielten eine Familienkonferenz ab, wer mit der Gestapo „verhandeln“
sollte. Wir hatten alle schreckliche Angst, da man mit dem Geld nach Berlin
Herrn ‘Indwig Dewidof?
Frau Lisa
Habe Karte erhalten,alles or@nungsmäsig soweit es meine Arbeit ist,
Hoffendlich verbleiben sie in Yien,den in Sauerbrünn ist es für sie
gens uusgeschlossen zu Wohnen.
1.Juden unerwünscht.
2.der Dawidoff,der ist ein alter sohwieddäey, ‚also,gans unmöglich,
3,der Iudscherkönig wierd keinen ludsoher mer verkaufen,
4, einen groschen zu verdienen gans ausgeschlosen,
5,Reden sie von einen glück das sie nicht in Sauerbrunn waren.
Ich selbst habe sohon immehr damit gereohnet das sie sohon längst
ausgewandert siend,
Von der Bevölgerung wil ioh garnitz reden ‚da siend sie gerade
kein liebling.
in Volksmund heist es, na der Aawiof? wierd schon im Tempel
der Polnisöhen Juden Heulen» “
An Herm. Sauerbrunn,am 2. Juni 1936.
Iudwig Dawidotftf
. in
Wiens In
Obere Augartenstr. 12/22.
der von Ihnen zu erhalt.ende Gertenzaun, der zwischen Ihrem und
meinen: Besitz steht ‚gänzlich verfsult und umgefallen i2t,daher
neu aufgestellt werden muss. |
Vor vier Jahren habe ich, um meinen Besitz ebzuschlier»
sen, älesen Zaun auf eigone Kosten herstellen lessen,was mich
ca 3 400.-- gekostet hat.
Da ich diese Auslegen eus Ihren Verschulden bestreiten
+ musste,so muss ich natürlich dieserwegen Ersetzanforderungen
stellen,
Ich fordere vie daher suf,wegen Herstellung Ihres
eingefallenen Gartenzaunes innerhnlb 5 Tagen nach Sauerorunn
zu kommen, um über diese Angelegenheit zu sprechen,unsonsten
ich die Angelegenheit der geheimenen St atspolizci bekennt geben
müsste,um diesem Uebelstande abzuhelfen.
wegen Gelädmangel nicht können, so wire ich bereit, den Zsun
abermels auf meine Kosten oufzustellen und würde,wenn Sie ein¬
verstanden sind, defür aus Ihrem House Einrichtüng sgegehstände
im.Gegenwerte übernehmen,
Ich wire euch geneigt,um endlich Ruhe su bekonmen,
Ihren Besitz su keufen. Auf alle Fälle mus@ eine ‘Regelung er \
folgen,deshelb Ihre Anwesenheit in Sauerbrunn notwendig wäre, '
Des Haue könnte ich aber nur dann keufen,wenn es su einem ane
‘nohmboren Prefs sc haben wire.
Also wollen Sie die Angelegenheit innerhalb dos
festgesetzten Zeitpunktes umso eher regein,ala ich ansonsten ~
weitere Schritte unternehmen misste.