Sissi contra
antifaschistisches Denkmal
Notizen zu einer peinlichen Kontroverse
Mit großer Treffsicherheit scheinen Salzburgs
konservative Spitzenpolitiker von einem Fett¬
näpfchen ins nächste zu tappen. In der letzten
MdZ berichtete ich darüber, wie Schausberger,
Dechant und Co. gegen die Durchführung der
sogenannten “ Wehrmachtsausstellung“ in der
Stadt Salzburg Sturm gelaufen sind und wie die
Ausstellung trotzdem (oder gerade deswegen!)
zu einem großen Erfolg wurde. Doch eine Bla¬
mage nicht genug, steht gleich die nächste Pein¬
lichkeit ins Haus.
Anfang der 1950er Jahre machte die berühmte
österreichische Architektin Grete Schütte-Li¬
hotzky den Entwurf zu einem Gedenkstein für
die durch das NS-Regime hingerichteten und in
den Konzentrationslagern ermordeten Salzbur¬
gerinnen und Salzburger: “Das Mahnmal be¬
steht aus einem großen Körper in Dreiecksform,
Symbol der KZler ... Auf der Vorderseite ist eine
sinkende Figur, die zum Zeichen des Widerstan¬
des die Hand zur Faust ballt, als Relief auf
vertieftem Grund ... An den beiden Seitenflä¬
chen des Mahnmals können die Namen der
einzelnen Opfer eingeschrieben werden.“
Doch an eine Realisierung dieses Projekts war
damals in einer Stadt, wo Altnazis, Verdränger
und Schlußstrichzieher das Sagen hatten, nicht
zu denken. Heute allerdings, mehr als vierzig
Jahre später, gibt es einen konkreten Vorschlag,
das Denkmal doch noch zu errichten, indem
man es in die neue Oberflächengestaltung des
Salzburger Bahnhofsvorplatzes einbezieht. Der
Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer,
die Israelitische Kultusgemeinde, der KZ-Ver¬
band und sogar dieÖVP-Kameradschaft wiesen
Bürgermeister Josef Dechant in einem gemein¬
samen Schreiben vom Juni dieses Jahres darauf
hin, daß “ein aufrechter Gemeinderatsbeschluß
bezüglich der Errichtung eines solchen Denk¬
mals“ bestehe und daß damit auch “unserer
ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mit¬
bürger gedacht werden“ solle.
Ein antifaschistisches Denkmal direkt vor dem
Hauptbahnhof? Für den Bürgermeister der Stadt
(ÖVP) scheint dies unvorstellbar. Stattdessen
favorisiert er, unterstützt von der lokalen FPÖ,
die Rückführung des heute im Schloßpark Hell¬
brunn stehenden Kaiserin Elisabeth Denkmals
an seinen ursprünglichen Standort vor dem
Bahnhof. Die kleine Marmorstatue ohne großen
künstlerischen Wert war 1901 aufgestellt und
nach dem Zusammenbruch der Monarchie in
den Hellbrunner Park “ verbannt“ worden. Ihre
Rückführung wäre wohl als Salzburgs Beitrag
zum “Sissi-Gedenkjahr‘‘ 1998 zu werten. Das
Denkmal für die Opfer des NS-Regimes könne
auch an anderer Stelle errichtet werden, “ vorder
Elisabethkirche in der Plainstraße etwa“ ‚so De¬
chant.
Die Absicht, die mit diesem “ Alternativvor¬
schlag“ verfolgt wird, liegt klar auf der Hand:
Jene zahlreichen Touristen, die mit der Bahn
nach Salzburg kommen, sollen nicht gleich am
Bahnhofsvorplatz auf ein dunkles historisches
Kapitel der heiteren Mozartkugelstadt erinnert
werden, und auch die vielen Einheimischen, die
täglich diesen wichtigen Verkehrsknotenpunkt
passieren, sollte man nicht unnötigerweise irri¬
tieren. Sissi hingegen bedient all jene Klischees
längst vergangener Monarchieseligkeit, die die
Touristen suchen und an die die Einheimischen
nur allzu gerne glauben möchten.
Ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozia¬
lismus aber, wenn ein solches schon errichtet
werden muß, ist in einer touristisch völlig unin¬
teressanten Wohngegend zweifelsohne besser
aufgehoben. In die Plainstraße verirrt sich kaum
ein Besucher.
Im Herbst soll im Kulturausschuß der Stadt über
beide Vorschläge diskutiert und eine Vorent¬
scheidung getroffen werden. Wie immer diese
Entscheidung ausfallen mag, die Erinnerung an
diese peinliche und beschämende Kontroverse,
die nur vordergründig wie eine Farce anmutet,
wird bleiben.
Eine Ausstellung anläßlich des 5Ojährigen
Bestehens des Staates Israel
Kunstgeschichte ist immer Zeitgeschichte.
Kunst erneuert im schöpferischen Ausdruck die
Epoche. So freute ich mich, in dem kleinen und
gepflegten Museum Tel Avivs eine Retrospek¬
tive Reuben Rubins sehen zu können, die die
Kuratorin Carmela Rubin unter das Motto ,,Be¬
such in derHeimat“ gestellt hatte.
Die Bilder stammen aus den 20er und 30er
Jahren. Sie spiegeln die Eindrücke eines euro¬
päischen Einwanderers wider, der fasziniert ist
vom mediterranen Licht und der orientalischen
Landschaft. Die Bilder. sind voll Optimismus
und zeugen von der Identifizierung des Malers
mit dem Land und derAufbruchsatmosphäfre in
ihm. Die Einfachheit der Malerei drückt die
ropäischen so verschiedenen Lebens aus. Aber
nicht nur dieser Stil der Einfachheit beeindruckt
in seiner träumerisch-kindlichen Unschuld, son¬
dern auch die aus ihm sprechende zionistische
Hoffnung auf einen neuen Anfang, ein neues
Leben im neuen Land.
Das Bild ,,Schabbat in der Siedlung“ zeigt einen
europäisch gekleideten Vater mit den im Land
geborenen Kindern, barfüßig und in kurzen Ho¬
sen auf einem Esel reitend, der Natur des Landes
verbunden. Zwei Kulturen in ihrem Zusammen¬
stoß können auch zu einer Bereicherung führen. _
Die Bäume auf den Bildern, Sykomore, Olean¬
der, Dattelbaum, Zypresse, sind heut schon dem
Beton gewichen. Die Menschen, die vor der
Staatsgründung im Land lebten, Einwanderer,
die sich vom Elternhaus, einem anderen Land
und einer anderen Landschaft trennen mußten,
überwanden, von ihren großen Hoffnungen be¬
flügelt, alle Schwierigkeiten und ermöglichten
die Gründung des Staates Israel.
Reuben Rubin wurde schon zu Lebzeiten aner¬
kannt und geehrt. Er war ehrenhalber Dozent
des jüdischen Religionsinstituts in New York,
erhielt 1964 den Dizengoff-Preis, 1975 den Is¬
rael-Preis für Kunst. 1966 und 1969 bekam er
die Aufträge, den-,‚Ruhm des Galil“ für die
Knesset zu malen und die Vitragen-fiir die Re¬
sidenz des Prasidenten herzustellen. 1948 war
er der erste Botschafter Israels in Rumänien.
Hanna Blitzer