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griffserklärungen, sowie eingehenden Erläuterungen zentraler Motive wie ‚Sprache‘, ‚Ghetto‘ oder ‚Identität‘ in ihren für die Bukowina spezifischen Bedeutungen. Zudem findet sich im Anhang eine viersprachige Liste im Text erwähnter Ortsnamen, sowie zwei — bis zum letzten diakritischen Zeichen korrekte! — Landkarten. — Ein scheinbarer Luxus, den sich vermeintlich anspruchsvollere Publikationen oft ersparen zu können glauben. Ungeachtet seines bescheidenen Äußeren gehört dieses Buch damit zu den wichtigsten und wertvollsten Erscheinungen der seit einigen Jahren geradezu ausufernden Literatur zur Bukowina. Umso erfreulicher ist daher die Nachricht, daß Mariana Hausleitner mit ihren StudentInnen vor kurzem in Israel zahlreiche Interviews mit gebürtigen Bukowinern geführt hat und somit — die weitere Unterstützung durch die Heinrich-Böll-Stiftung vorausgesetzt — auf einen Nachfolgeband gehofft werden darf. Helmut Kusdat „Czernowitz is gewen an alte, jidische Schtot...“ Überlebende berichten. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung 1999. 120 S. (Kontaktadressen: Axel Halling, AkazienstraBe 5, D-10823 Berlin; E-mail: axel.halling@ rz.hu-berlin.de). Der letzte Jude aus Schmallenberg Als 1991 in Frankfurt die alljährliche Hauptversammlung der IG-Farben tagte, um über die Restituierung des alten Firmenvermögens zu streiten, war auch der ehemalige Zwangsarbeiter Hans Frankenthal unter den Teilnehmern. Sein Rederecht hatte er sich mit dem Erwerb einer Aktie bei seinen einstigen Arbeitgebern erkaufen müssen. Unruhe herrscht im Saal, als er zum Rednerpult geht. Dann stellt er sich vor: „Häftlingsnummer 104920, geboren 1926. Ankunft in Auschwitz am 1. März 1943. Dort ist meine gesamte Familie außer meinem Bruder umgekommen. Ich habe 30.000 Menschen sterben sehen, 730 Tage gearbeitet, bis zum 18. Januar 1945.“ Doch die Aktionäre des „größten Sklavenunternehmens in der Geschichte“ — so das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal — wollen davon nichts hören: „Das gehört nicht hierher“, „Sie lügen“, und schließlich „Juden raus“. Als Frankenthal dennoch versucht, weiter zu sprechen, wird er vom Präsidium unterbrochen und muß das Podium verlassen. So kämpferisch war Hans Frankenthal nicht immer aufgetreten. Als er 1945, von der Roten Armee befreit, totkrank in sein Dorf zurückkehrte, wollte niemand wissen, was ihm, dem Überlebenden, widerfahren war. Auf eine Mauer von Ressentiments, Ignoranz und Verleugnung stoßend, zog er es damals vor zu schweigen und versuchte, ein ganz normaler Bürger zu werden. Erst gegen Ende seines Lebens begann er sich mit der eigenen Vergangenheit und den Verbrechen der Nationalsozialisten zu beschäftigen: Als einer der ersten kämpfte er für die Aufklärung über die Beteiligung der IG-Farben an dem Massenmord an den Juden, und auch dafür, daß die NS-Zwangsarbeit als Bestandteil des Deutschen Verbrechens wahrgenommen werde. Und er begann sich in den jüdischen Gemeinden von Hagen und Dortmund zu engagieren, wurde Mitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland, später des Direktoriums, und gründete 1986 zusammen mit anderen Überlebenden das westdeutsche Auschwitz-Komitee. Vergangenen Sommer erschienen Frankenthals Erinnerungen „Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord“. Daß diese außergewöhnliche Biographie überhaupt zustande gekommen ist, ist Babette Qinkert, Andreas Plake und Florian Schmaltz zu danken, die auf Anregung des Auschwitz-Komitees ausführliche Interviews mit Frankenthal führten und die Arbeit gemeinsam mit ihm schließlich in die vorliegende Fassung brachten. Hans Frankenthals Erinnerungen führen den Leser ins Sauerland, in das kleine Städtchen Schmallenberg, wo er als Sohn eines Viehhändlers aufgewachsen war. Das ist auch das Besondere an dieser Autobiographie: Als einer der ganz wenigen der deutsch-jüdischen Überlebenden schildert Frankenthal die längst zerstörte Welt der Juden auf dem Land. Er erzählt von seiner Familie, die obwohl streng gläubig, sozial und wirtschaftlich „vollkommen in die Schmallenberger Gesellschaft“ integriert war. Der Vater, Vize-König des örtlichen Schützenvereins, war für seine Verdienste im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden und betonte stets, ein „stolzer deutscher Jude“ zu sein. Daß man ihm, der fürs Vaterland in den Krieg gezogen war, jemals etwas antun würde, diesen Gedanken konnte er selbst dann noch nicht fassen, als die Nazis längst an der Macht waren, seine Söhne nicht mehr ins Schwimmbad durften und durch den antisemitischen Boykott seinem Viehhandel arger Schaden zugefügt wurde. Erst als man ihm im November 1938 nach vorübergehender Verhaftung kahl geschoren und gebrochen wieder heimschickte, war ihm schlagartig klar, wozu die Deutschen wirklich „fähig sind“. 1943 erfolgte dann die Deportation der Familie im Viehwaggon nach Auschwitz. Auf der Rampe werden Hans Frankenthal und sein Bruder von den Eltern getrennt, die sie nie wiedersehen. Die Beiden werden nach Monowitz gebracht, wo sie im Stahlgerüstbau eingesetzt werden. Frankenthal schließt sich dem Widerstand an, schmuggelt gemeinsam mit anderen Lagerpläne von Birkenau nach London, versehen mit der dringenden Bitte, das Krematorium, die Gaskammern und die Bahngeleise so rasch als möglich in die Luft zu jagen. Er beschreibt die quälenden medizinischen Versuche, die ihn „zum Krüppel“ machten, die „kalte Hölle‘ in Mittelbau-Dora, einer unterirdischen Rüstungsfabrik, in der die Wunderwaffen V2, „V wie Vergeltung“, hergestellt wurden, schließlich seine Flucht, erneute Verhaftung und endlich die Befreiung durch die Rote Armee. Daß Hans Frankenthal seine Leser mit dem Ende des Krieges nicht so einfach aus der Verantwortung entläßt, daß er keine Illusionen darüber gestattet, wie man mit jener Handvoll Menschen verfuhr, die mehr tot als lebendig aus den Lagern zurückkehrten, deren Verwandte ermordet worden waren, und die, selbst ihres gesamten Vermögens beraubt, buchstäblich vor dem Nichts standen, auch das macht diesen Band so lesenswert. Als Frankenthal 1945, gerade zwanzigjährig in das elterliche Haus nach Schmallenberg zurückgkehrt, in das inzwischen „halbarische“ Vetter eingezogen sind, beginnt seine Geschichte gleichsam noch ein Mal von vorne. Es ist dies die Geschichte der postfaschistischen Nachkriegsgesellschaft, einer Gesellschaft, die sich mit einigen wenigen Ausnahmen den deutschen Verbrechen nicht stellte, sondern sie konsequent verleugnete und die Täter zu Opfern verkehrte. Ihm, dem Überlebenden, klagt man, was andere im Krieg erlitten und mitgemacht hätten, und niemand, nicht einmal einer von jenen, die ihm zur Seite stehen und mit dem Allernötigsten versorgen, stellt auch nur ein einziges Mal die Frage, wo denn seine Eltern oder die anderen Juden geblieben seien. Frankenthals Geschichte wird einfach ignoriert, so wie die anderer Überlebender. Statt dessen fordert man Versöhnung: „Sie sind doch ein gottesgläubiger Mensch“, sagte der örtliche Pastor zu ihm, „man muß doch vergessen können“. Frankenthal schildert die Dreistigkeit und Ignoranz, mit der man ihm gegenübertritt, etwa als er und sein Bruder gleich nach seiner Rückkehr die Aufforderung erhalten, ins Amtshaus zu kommen, um sich dort als Bürger der Stadt Schmallenberg eintragen zu lassen. Nach und nach findet er auch bei verschiedenen alten Bekannten, was diese seiner Familie gestohlen hatten: so stößt er etwa in der Garage eines Nachbarn auf den arisierten Ford seines Vaters und fährt ihn wieder nach Hause, oder er erfährt, im Zuge der Rückstellungsverfahren, von der alten wertvollen Truhe seiner Tante Sally, die sich nun im Besitz eines ehemaligen Amtsinspektors befindet; auch sie läßt er vor den Augen der neugierigen Bürger des Stadt, die er zuvor informiert hatte, aus dem Haus holen. Daß diese Anekdoten einer gewissen bitteren Komik nicht entbehren, hat natürlich auch mit der Enge der Kleinstadt zu tun, in der Anonymität eigentlich kaum existiert; die Unmittelbarkeit und Spontaneität, mit der sich Frankenthal von ehemaligen Nazis sein Recht verschafft, ist entwaffnend. Zwar hat Hans Frankenthal zu keiner Zeit seinen Frieden mit der deutschen Gesellschaft geschlossen, doch zu Beginn der fünfziger Jahre, als er endlich begreift, daß all sei81