Zeitung La Syrie. Einer der Gründer und zeitweise Chef¬
redakteur des Orient-Expreß war Meir Marcell Faerber. Unter
den Mitarbeitern fanden sich deutschsprachige jüdische
Publizisten, die im Lande keine Arbeit finden konnten. Die
Redaktion hatte je ein Büro in Haifa und Tel Aviv und eine
„Generalagentur“ in Jerusalem. Hier wurden lokale Nachrich¬
ten redigiert und auf Matritzen geschrieben, die ein Taxi täg¬
lich nach Beirut brachte. Dort wurde gedruckt und die fertigen
Blätter kamen per Taxi zum Vertrieb nach Palästina zurück.
Doch nicht nur die hohen Transport- und Herstellungskosten
bei einer Verbreitung von nur 1.200 Exemplaren brachten das
Aus, sondern auch ein Boykottaufruf des hebräischen Journali¬
stenverbandes gegen die Zeitung. Andererseits kam es zu in¬
ternen Schwierigkeiten, nachdem ein in Beirut ansässiger — für
Auslandsnachrichten zuständiger — Mitarbeiter sich selbst zum
Chefredakteur ernannt hatte. Der Orient-Expreß wurde nach
wenigen Monaten eingestellt.
Diese Marktlücke erkannte Siegfried Blumenthal aus
Berlin. Ab Oktober 1935 gab er ein deutschsprachiges, zu¬
nächst hektografiertes Nachrichtenblatt heraus. Es enthielt an¬
fangs ausschließlich kurz gefaßte Nachrichten, die aus der
hebräischen Presse übersetzt wurden, und hatte nur zwei Seiten
(1 Blatt). Das Beispiel machte Schule und in Tel Aviv, Jerusa¬
lem und Haifa erschienen bald ähnliche Nachrichtenblätter. Ab
Ende 1936 kam — ebenfalls in Tel Aviv — die Yedioth Hajom
(Nachrichten des Tages), gegründet von Dr. Friedrich Reichen¬
stein, einem Rechtsanwalt aus Westfalen, heraus, der 1933 ein¬
gewandert war. Die Auflage betrug 1939 1.799 Exemplare und
wuchs später auf bis 15.000. Das Blatt wurde 1965 eingestellt.
Daneben gab es einige noch kleinere Publikationen, denen
später parteipolitisch ausgerichtete Wochenblätter der ver¬
schiedensten Richtungen folgten. Die (zwei) Tageszeitungen
blieben politisch ungebunden bis auf ihre durchwegs zionisti¬
sche Einstellung. Trotzdem kam es 1941 zu einem Beschluß
des „Zentralrats zur Durchsetzung der hebräischen Sprache“,
die deutschsprachigen Blätter zu liquidieren. Er wurde aber
nicht durchgeführt.
Wie Miriam Schuler ermittelte, hatte die Anfeindung der
übrigen deutschsprachigen Presse nicht nur nationale, „zioni¬
stische“ Gründe. Es ging auch um handfeste wirtschaftliche
Interessen. Siegfried Blumenthal hatte inzwischen die ver¬
schiedenen Übersetzungsblätter aufgekauft und mit seinem
Blatt fusioniert. 1940 übernahm er auch die Yedioth Hajom, das
dann aber ab 1944 wieder von Dr. Reichenstein selbstständig
herausgegeben wurde. Beide Blätter waren jedoch in bezug auf
die Werbung (Inseratenteil) sehr erfolgreich und eine nicht zu
unterschätzende Konkurrenz für die hebräische Presse. Die
deutschen Juden waren eine für die Geschäftswelt begehrens¬
werte Käuferschicht. Um der Konkurrenz Einhalt zu gebieten,
drohte die hebräische Presse 1939 sogar in einem gemeinsamen
Aufruf, keine Inserate mehr von Firmen entgegenzunehmen,
die auch in deutschsprachigen Blättern inserierten.
Im Verlauf der Kriegsjahre legte sich die Animosität und die
deutschsprachige Presse wurde nunmehr auch von den
Mandatsbehörden geduldet und als gleichberechtigt anerkannt,
da sie einen Bevölkerungskreis erreichte, der sonst informati¬
onsmäßig kaum zu erfassen gewesen wäre.
Die Private Correspondenz erschien erstmals am 1. Oktober
1935. Der Herausgeber, Siegfried Blumenthal, hatte sie in ei¬
nem „Prospekt“ angekündigt. Sie wollte Übersetzungen brin¬
gen, was den Tagesereignissen zufolge einem Bedürfnis ent¬
sprechen würde. Blumenthal, 1894 geboren und in Magdeburg
aufgewachsen, arbeitete nach einer kaufmännischen Lehre im
Verlagshaus Mosse, das Zeitungen wie das Berliner Tageblatt
herausgab. Er hatte auch einen eigenen Verlag, ,,Sefathenu“, in
dem er ein vierbändiges Hebräischlehrbuch herausbrachte. (Er
selbst hat die Sprache niemals vollständig beherrscht.) 1934
wanderte er nach Palästina aus, vielleicht aus Zionismus, viel¬
leicht weil er im Zuge der nationalsozialistischen Maßnahmen
von Mosse mit allen anderen jüdischen Angestellten entlassen
worden war. Seine Frau Ilse und die beiden Töchter kamen
1936 nach.
Seine Zeitungsgründung in Palästina hatte geschäftliche
Gründe, aber er hatte wohl auch andere Motive, sonst hätte er
nicht die Schwierigkeiten auf sich genommen, die man ihm in
den Weg legte und ein anderes Unternehmen eröffnet. Obwohl
sein langjähriger Mitarbeiter Schalom Ben-Chorin, der späte¬
re bekannte Religionsphilosoph, sich an den Ausspruch „Ich
handle mit bedrucktem Papier“, erinnerte, hatte Blumenthal
seit jeher Interesse für den Journalismus. Zwei seiner Cousins
waren bekannte Redakteure — einer davon war Siegfried
Jacobsohn, der Gründer der Schaubühne, später Weltbühne.
Die hektografierte Private Correspondenz wurde von den
Briten verboten, vielleicht weil sie keine Lizenz hatte, was
möglicherweise bei verstärkten Kontrollen wegen des arabi¬
schen Aufstands (1936-38) entdeckt wurde. Dabei könnte es
sich aber auch laut Schuler um ein Konkurrenzmanöver des in¬
zwischen erstandenen Rivalen Dr. Reichenstein gehandelt ha¬
ben. Doch ab 1937 erschien das Blatt wieder als Blumenthal's
Neueste Nachrichten (BNN). Es war zuerst noch immer hek¬
tografiert, aber umfangreicher, enthielt auch nachgedruckte
längere Artikel aus dem Prager Tagblatt, der Neuen Zürcher
Zeitung u.a.m. Allmählich verwandelte der Herausgeber es in
eine richtige Zeitung. Ab 12. April 1937 erschien das Radio¬
programm für die gesamte folgende Woche, bald darauf ein
Börsenbericht, ein Preisrätsel und eine Filmkritik. Später folg¬
ten Sportberichte, Witze und Karikaturen, ein Psychotest und
eine „Seite für die Frau“. Um 1938 begann Schalom Ben¬
Chorin als freier Mitarbeiter Berichte zu liefern, Dr. Ivan
Lilienfeld, der 1936 oder 1937 angefangen hatte, wurde bald
Chefredakteur — bis zur Einstellung des Blattes im Jahre 1973.
Der Widerstand gegen deutsche Druckerzeugnisse war in¬
zwischen nicht erloschen. Am Abend des 12. Juni 1942 ex¬
plodierte eine Höllenmaschine in der Druckerei. Ein Großteil
der Maschinen wurde zerstört, ein Teil der umliegenden
Garagen und Werkstätten in Brand gesetzt. Der Grund war
nicht nur der Sprachenstreit, sondern auch in der hebräischen
Presse veröffentlichte Hinweise, Blumenthal „kooperiere mit
der britischen Mandatsbehörde“. Das Verhältnis zur Mandats¬
macht war damals wegen der Einwanderungssperre sehr ge¬
spannt. Eine solche Kooperation galt supernationalistischen
Kreisen fast als Verrat.
Der Urheber des Anschlags wurde nie gefaßt. Der Schaden
war ein schwerer Schlag für Blumenthal, der aber unbeirrt wei¬
ter machte. Zwei Wochen lang erschien das Blatt zwar nur hek¬
tographiert, wie in den Anfangszeiten, und im alten
Kleinformat, doch es erschien. Dr. Felix Rosenblüth, als
Pinchas Rosen später der erste Justizminister, einer der führen¬
den Zionisten deutscher Herkunft, konnte als Mitglied des
Stadtrats von Tel Aviv eine Resolution durchsetzen, die den
Anschlag „wie alle Gewalttätigkeit auf das Schärfste verur¬
teilte“ und zur Aufspürung der Täter aufrief. Trotzdem wurden
sie nie gefunden. Die inzwischen in Jedioth Chadashoth um¬
benannte Zeitschrift fand dann endlich auch Anerkennung bei