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shopping-centre

im shopping centre spielt

ein mann im weissen sakko klavier.
an der wand die langen tische,

wo die frauen stehen

mit den düften in

der hand, bitte mein

herr, boss oder klein?
aufgeschmückt

aufgespielt wird

mit dem wagen durch

die einkaufslabyrinthe

man bekommt hier alles.

schwere schlitten.

fremde staunen.

man hätte nicht gedacht.

(es handelt sich hier

doch um eines der

ärmsten länder der welt)

der mann mit dem sakko spielt
während wir uns an den händen
nehmen und flüchten.

aber wohin flüchtet

man denn?

bei uns ist schokolade

auch schokolade.

und kaffee mit ausbeutung,

bleibt kaffee mit ausbeutung.

und die kinokarte ist im teuersten
kino der stadt noch immer dreimal
billiger als bei uns.

man müsste den spiegel erschlagen.
aber auch in den bruchstücken spiegelt
man das ganze gesicht.

verdeckt die spiegel.

das lachen der frauen

brunnengespräche

wasser holen, reden,

erzählen. das wetter ist schön wie
es geht. und was macht der kleine
habt ihr schon gehört

das lachen zu mittag

die welt ist der brunnen

man lebt um zu reden

man trifft um zu leben

inter esse mit sein.

die welt ist der brunnen

das lachen der frauen

zu mittag

das unausgeprochene ihres lachen
in einen ton umwandeln.
verbindend

die brücken, die lang

ersehnten.

24

escuintla

das ist die stadt,

wo die cholerarate vor allen

anderen choleraraten guatemalas führt

man isst auf der strasse

(tortilla, burito, pollo, patatas, verduras)

auch mit der cholera isst man weiter auf der strasse
die cholerarate wächst und wächst

in den krankenhäusern keine medikamente

gegen cholera schon gar nicht: man stirbt.

im park spielt die blaskapelle

vor der kirche tanzen strassenkinder in unterhosen
zu den klängen der blasmusik. sie nehmen sich an der hand
und tanzen einen reigen,

die augen, die verwundeten.

die wangen, die verletzten

die körper, geschunden. noch so klein.

große augen, unverwandt.

noch so offen, die blicke, noch so neugierig.
dunkle fröhlichkeit.

harte züge.

messer in der tasche.

ein ruck und das silberkettchen

reißt der gringa.

(kauft doch kaugummis, billige bananen, ich habe bananen)
(ich habe hunger, mir dürstet)

und die sehnsucht mit kleber gestillt.

(bitterer essig)

und die liebe durch prostitution erstickt.

und die angst durch gewalt unterdriickt.

(und härter werden die züge)

traurige kinderaugen.

wie die tauben auf der plaza

husch, weg sind sie.

dorfunterricht

es ist mittag und wir lernen

im dorf die hütte, in der hütte

die tafel, die türe offen

die hütte der sammelplatz

wo man beratschlägt, beschliesst:
licht? arbeit? felder?

am tag ist die hütte die schule,

wir lernen, dann spielen wir,
wenn wir spielen, kommen alle.
einmal kommt luiz, es ist mittag.
ein mann führt seinen betrunkenen vater durch
das dorf heim.

kinder lachen, zeigen auf ihn: luiz,
miras, dein vater!

luiz schämt sich.

luiz lacht.

Bernadette Schiefer, geboren 1979 in Wien, Absolventin des
Stiftsgymnasiums Melk, studiert Theologie und Philosophie an
der Universität Wien; 1998 mehrmonatiger Sozial-Aufenthalt
in Zentralamerika. Sie veröffentlichte in einer Anthologie jun¬
ger AutorInnen und in der Zeitschrift „Podium“. Im Frühjahr
2001 soll ihr Prosaband „Engel weinen selten“ in der Edition
Skarabäus in Innsbruck erscheinen.