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dicht („Kaleidoskop. Italien Etappe 18°, 20.8.
1922) „tropft aus Trebern schwarzer Wein“,
später, erscheint sie in „Der Reisläufer“ (12.11.
1926) :“trunken vom Weine, dem schwarzen“,
bis sie schließlich sogar zum Buchtitel („Vom
schwarzen Wein“, 1956) wird. Auch der Titel
eines späteren Bandes, „Orgel aus Staub“
(1983), taucht als Überschrift eines Gedichtes
schon am 21.6. 1935 auf, als Wortfolge noch
viel früher, am 14.7. 1923, in einem an seine
Florentiner Begleiterin gerichteten Gedicht auf
(„„Maryla““: „Sacht, sacht,/ eine Orgel aus Staub/
möchte man klagen.“).

Selten zeigt Kramer seine Begeisterung so of¬
fen wie in dem Gedicht an Florenz. Seine
Begleiterin aber scheint seine Hingabe nicht ge¬
teilt zu haben. Hat sie sich vernachlässigt ge¬
fühlt? Auffallend ist, daß Kramer in den
Gedichten aus dieser Zeit in Italien immer nur
von sich selbst spricht. Rasch sollte es zum
Bruch kommen, der Kramer in Verweiflung
stürzt.

Das Gedicht „M. F.“ (= Maryla Falk; 10.9.
1925; siehe f) scheint daraufhinzuweisen, daß
die Trennung schon während ihres Aufenthaltes
in Marina di Massa stattgefunden hat. Allein
der Zustand seiner Eintragung in das Ma¬
nuskriptheft — Kramer hat nachträglich den
Schluß des Gedichtes abgetrennt — wäre dafür
ein weiterer Beweis. Noch deutlicher zeigt sich
die Stärke seiner Erschütterung am Tag darauf
durch die mehrmals verstümmelte Eintragung
des Gedichtes „Schauen des Meeres“ (siehe e),
in dem er zuletzt— auch das ein einmaliger Fall
— an seiner dichterischen Berufung zweifelt.
Von den Ursachen spricht Kramer nie, doch un¬
ter dem Zerbrechen dieser Beziehung litt er
noch Jahre. Er klagt um sie in Gedichten, die
nur ihren Vornamen tragen („Maryla“, 21.1.
und 22.2. 1926) und noch fast ein Jahr später
am 26.8. 1926 in einem weiteren umfangrei¬
chen, als Tetralogie aufgebauten Stück: „Reue
um Maryla‘, das Kramer im Untertitel fälsch¬
lich als „Trilogie an M. By.“ (= M(aryla)
B(oguslawsk)y (,„y“ statt des polnischen „i“
bezeichnet (siehe g). Eine dieser Klagen soll¬
te jedoch das erste gedruckte Gedicht Theodor
Kramers sein, „Anderes Licht“ in der Wiener
Zeitschrift „Die Bühne“ vom 4.3. 1926. Das
dem Druck zugrunde liegende Typoskript
trägt unter dem Text Kramers Zusatz: „An
Marilla“.

Keinen Anlaß zur Trauer bietet Kramers drit¬
ter Aufenthalt in Italien. Eine Wanderung durch
die Südtiroler Dolomiten bringt ihn mit seiner
späteren Frau Inge (Rosa) Halberstam zusam¬
men.

Seine ersten Kontakte zu ihr waren von Mi߬
verständnissen begleitet, wie sie auch sonst ge¬
legentlich als Folge des starken Eindrucks sei¬
ner Gedichte vorkommen. Inge Halberstam, die
Lesungen an Wiener Volksbildungshäusern
hielt, war von Ernst Lissauer auf Kramer hin¬
gewiesen worden. „Der Vermittler war Ernst
Lissauer“, erinnerte sie sich.

Er hatte die ,, Gaunerzinke “ Kramers entdeckt
und besprochen und gab sie mir, sie durchzu¬
sehen, ob ich daraus nichts vorlesen wolle. Ich

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wollte, und man gab mir dann den Rat, mich
mit dem Autor ins Einvernehmen zu setzen. Ich
tat dies, indem ich anfragte, ob er mit der
Lesung einverstanden sei. Er antwortete brief¬
lich, daß er krank sei und leider an der Vor¬
lesung nicht teilnehmen könne, ich möge ihm
berichten. Auf Grund des Inhalts der Gedichte
nahm ich an, der Autor müsse ein Stromer, zu¬
mindest aber ein Weinhebertyp sein, und so
schickte ich ihm ein Lebensmittelpaket. Als
Antwort kam ein gerührter Brief und bald dar¬
auf der Autor selbst, der sich statt eines Stro¬
mers als saturiertes Bnrgersöhnchen entpupp¬
te. Es war 1928, als ich von Berlin zurückge¬
kommen war.

Am 17.3. 1929 liest Inge Halberstam bereits
Gedichte von Theodor Kramer anläßlich eines
„Jung-Autorenabends‘ im Volksbildungsverein
Apollineum in Wien. Am 29.4. 1929 findet sich
in Kramers Manuskriptheften die erste Wid¬
mung an Inge Halberstam.

Am 12. Juli 1930 schreibt Theodor Kramer an
seinen deutschen Freund, den Dichter Georg
von der Vring: „Anfang August mache ich ei¬
ne leichte Dolomitenwanderung. Dobbiaco,
Cortina, Sellajoch, Bozen gegen den Gardasee
zu...“ Kein Wort von einer Begleitung durch
Inge Halüberstam. Auch in seinem erwähnten
Briefan Eduard Beninger vom 7.7. 1931 " ver¬
meidet er ihren Namen: „Vor zwei Jahren lern¬
te ich den Menschen kennen, der mir heute am
nächsten steht, ihm erzählte ich auch vom
Krieg und dann entstanden nach und nach die
Gedichte ...“ Sie selbst hatte deutlichere Erin¬
nerungen an die gemeinsame Wanderung:
Gewandert ist er in jungen Jahren sehr oft. bis
zur Dolomitentour (Gardasee), die wir ge¬
meinsam unternahmen. Nachher erklärte er,
durch überschweren Rucksack Fußbeschwer¬
den zu haben. Diese „kultivierte“ er dann, und
zwar schon um 1930.

... Ich wanderte mit Theodor Kramer rund um
den Gardasee. Ich kam von Ischl, wo ich mit
ihren Eltern war, nach Ortisei und holte ihn von
dort ab. Fußwanderung über Rovereto bis
Trient. Um den Gardasee: Riva— Malcesine —
Überfahrt Limone- Riva. Bei Limone Aufstieg
in das gesperrte Gebiet eines Steinbaches (mein
[späterer] Mann litt sehr an Höhenschwin¬
del).

Die „Fußbeschwerden“ und der „Höhen¬
schwindel“, von ihm selbst in der Schlußzeile
des Gedichtes „In der Zone zwischen Fels und
Fichten“ (siehe h) festgehalten, bestätigen wohl
Inge Halberstams Erklärungen für die Ursa¬
chen des künftigen Fernbleibens Kramers
vom Hochgebirge, sei es in Italien, sei es in
Österreich.

Er selbst sieht es anders. Munter schreibt er
nach seiner Rückkehr am 25. August 1930 an
Georg von der Vring:

Meine Wanderung führte mich zuerst allein
über die Dolomitenpässe, dann in Gesellschaft
bis an den Gardasee und rund um ihn. Zum
Schluß machte ich in Innsbruck einen kleinen
Abstecher. Insbesondere den schwersten Teil
der Wanderung habe ich sehr gut vertragen,

und es geht mir nun gesundheitlich wieder um
ein Stück besser. An der italienischen Bevöl¬
kerung fand ich großen Gefallen, ein wenig ra¬
debrechen kann ich ja. “

Auf einer Ansichtkarte, die die Abbildung
„Strada delle Dolomiti PASSO DI PORDOI,
m. 2250 verso la Marmolata“ und den roten
Stempel: ,,Albergo Maria Deluzian 6. AGO
1930 Passo PORDOI m. 2250. Via delle Dolo¬
miti“ tragt, meldet er stolz seinem Vater, Herrn
Dr. Max Kramer, Wien 19., Goltzgasse 10/7
Austria:

5.8.30 abends. Obwohl der Rucksack beim
Steigen zu schwer ist, kenne ich weder Kopfweh
noch Rheuma und lege bis zeitlich am
Nachmittag Entfernungen wie in meinen al¬
lerbesten Zeiten zurück. Morgen folgt der letz¬
te schwere Tag, trotz kurzer Strecke der
schwerste. Die Gegend ist sehr teuer, die Leute
von allergrößtem Entgegenkommen, auch die
Einheimischen.

Und an den befreundeten Schriftsteller Paul
Ellenbogen wendet er sich nach seiner Rück¬
kehr am 5.9. 1930 geradezu launisch:

Sie sind ein schlechter Kerl, erstens weil Sie
nicht schreiben, zweitens weil Sie nicht mehr in
Torre del Benaco [Ort nördlich von Garda am
Ostufer des Gardasees] waren, als ich Sie dort
aufsuchte.

Also, ich ging von Toblach aus allein über die
Dolomitenpässe bis ins Grödnertal, von dort zu
zweit über Bozen und Trient an den Gardasee
und rund um seine Nordhälfte. Dazu ein klei¬
ner Abstecher nach Innsbruck. Ich habe nicht
gearbeitet und mich erholt, sodaß es mir jetzt
um ein gutes Stück besser als im Frühjahr geht.
... Wären Sie in Benaco gewesen, dann hätten
wir einen schönen Abend verbracht und Wein
getrunken. Und zur Feier des Tages hätte ich
Sie nicht einmal angeschnorrt, denn ich bin mit
meinen Moneten ausgekommen. “

Theodor Kramer hat aufder Wanderung „nicht
gearbeitet“. Die geringe Zahl der Gedichte, die
seine Erinnerungen bewahren (etwa 50 von ins¬
gesamt etwa 12.000), zeigt, daß ihm die frem¬
de Landschaft doch „nicht liegt“. Er hat Italien
danach nicht wiedergesehen. Ihm blieben zum
Wandern nur mehr die Weiten des Weinviertels,
die Hügel der Buckligen Welt und dahinter, ge¬
rade erst an Österreich gelangt, die ihm als exo¬
tisch erscheinende Landschaft des Burgenlan¬
des. Seine Zeit in Italien umfaßte gerade ein
Jahrzehnt.

Ein Erlebnis aber hat ihn lange begleitet, die
Liebe auf „Krokus und Dornen“. Die Echtheit
der Begegnung ist nicht anzuzweifeln, dazu
wirkt sie zu lange nach. Immer wieder gestal¬
tet er die Erinnerung an diese Nacht, die, wie
die erste Fassung zeigt, („Ich bin so müde von
dir...“) sichtlich nicht so glänzend verlief, wie
er sie später sah: